Kings Of HipHop: Future // Feature

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Eine ganze Generation von Rapkünstlern sind seine musikalischen Ziehsöhne. Und ­Future selbst ist ganz und gar Kind dieser Zeit: alles nicht rosig, dafür durch und durch lila. Über einen Rapper, der einen Stil entscheidend mitgeprägt hat – und dessen Relevanz weit über die Musik hinausgeht.

Über Future zu schreiben, ist aus drei Gründen undankbar. Erstens: Man muss Mumble Rap diskutieren. Zweitens: Das Thema Liebe lässt sich nicht vermeiden. Und schließlich: Ohne das Thema Selbstmord anzusprechen, kommt man nicht angemessen aus der Sache raus. Denn man erfasst Futures Relevanz nicht über eine chronologische Abhandlung seines Erfolges, sondern muss ihn aus einer Art Vogelperspektive heraus als Gesamtphänomen betrachten. Viel Streitbares ist da involviert, viele Ambivalenzen.

Zu letzteren beiden Punkten gesellt sich zudem noch das Problem, dass Future als Charakter merkwürdig ungreifbar geblieben ist. Bis auf die unangenehme Ciara-Geschichte (dazu obviously beim Thema Liebe später mehr) findet Future nicht groß auf E! News oder TMZ statt, es gibt keine Interviews mit rapfremden Medien; Future saß nie bei Ellen, und auch das Feuilleton hat nie versucht, ihn zu durchleuchten. Es bleibt einem für die Analyse allein Futures lyrisches Ich. Dieses wiederum verhält sich wie ein Prisma: Man blickt drauf, und am anderen Ende sieht man das gesamte Spektrum. Für jede Art, Future zu deuten, lassen sich in seinen Texten Argumente finden. Sein Katalog ist ausufernd. In all den Lyrics ist er vom stupiden Geldschmeiß-Swag-Boy über den zerrissenen Narzissten bis zum liebeskranken Sensibelchen schlichtweg alles. Er betont zwar, dass er seinem Publikum in seinen Texten sich selbst geben würde. Er sagt an anderen Stellen aber auch, dass er einfach das bedient, was die Leute von ihm hören wollen (auch darauf werden wir noch zurückkommen). Aber sind diese Schwierigkeiten auch der Grund, warum Future so groß ist? Warum er derart relevant ist? Und zwar nahezu ungebrochen, seit vielen Jahren?

An dieser Stelle sollte vorab noch eine andere Frage geklärt werden. Was hat Future hier, in der Kategorie »Kings Of HipHop«, überhaupt zu suchen? Der durchschnittliche Fan dürfte Future seit maximal sieben Jahren auf dem Schirm haben. In der Regel werden an dieser Stelle vor allem Künstler vorgestellt, die sich seit Jahrzehnten um das Genre verdient gemacht haben. Noch aktive oder fast in Vergessenheit geratene alte Haudegen, Epochen prägende Legenden. Die Antwort: Future hat jetzt bereits erreicht, wofür andere Dekaden brauchen. Er hat bereits eine Epoche geprägt, hat einen eigenen und genreprägenden Stil populär gemacht. Ohne Future kein Young Thug, kein Lil Uzi Vert, kein Ufo361. Und dieser Stil ist kein rein musikalischer, sondern ragt weit über die Musik hinaus. Er verschwimmt mit sozio-politischen Themen, ist popkultureller Ausdruck, artikuliert den Stand der Dinge in Reinform. Future mag also möglicherweise nicht der König sein, den die Menschheit wollen sollte. Doch er ist der König, den sie verdient.

Oma why you trappin’ so hard?

Future kommt am 20.11.1983 als Nayvadius DeMun Wilburn in Atlanta zur Welt, und diese Information soll eine der wenigen faktisch-biografischen in diesem Artikel bleiben. Futures Bio ist schnell ergoogelt, die entscheidenden Stationen ebenso schnell erzählt. Und genau darauf wird sich dieser Artikel beschränken. Denn man muss so vielen anderen Dingen auf den Grund zu gehen versuchen, wenn man das Phänomen Future und seine Wirkungsmacht ansatzweise erfassen will. Also schnell zum ersten Knall: Der ereignet sich so 1997 oder 1998, als irgendwer dem jungen Nayvadius in die rechte Hand schießt. Für ihn, der in Kirkwood, in Atlantas berüchtigter Zone 6, aufwächst, ist das der persönliche Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt einer konfliktreichen Zeit; eine Zeit, in der sich die Mordrate der Stadt seit seiner Geburt verdoppelt hat.

Nayvadius wächst größtenteils bei seiner Oma auf. Oma, das klingt erstmal friedlich, mag man denken. Nur war seine Oma ein waschechter Hustler, ihr Haus nichts anderes als ein klassisches Trap House: Drei Schlafzimmer, in denen gerne 13, 14 Leute pennen. Nayvadius muss meist mit dem Boden vorlieb nehmen, wechselt oft tagelang nicht die Klamotten. Versucht trotzdem irgendwie weiterhin, oder besser gesagt: wieder die Schule zu besuchen. Das klappt sogar einigermaßen, weil sich oft ein im Haus abhängender Junkie findet, der ihn zur Schule fährt und brav unten auf den Treppen bis zum finalen Glockenläuten auf ihn wartet.

Alles ziemlich shitty also. Future sagt heute sehr deutlich, er habe sein altes Leben gehasst – seine Oma klammert er dabei jedoch deutlich aus (dieselbe Oma wird später in dieser Geschichte noch in Futures Pool baden, an der Oma-Front also alles gut). Zum Glück gibt es in Nayvadius’ Familie einen Cousin, dem es gelingt, Future aus dem Trap House in den Dungeon zu holen. Der Dungeon, das ist das sagenumwobene Studio der Dungeon Family – des ATL-Künstlerkollektivs, dem unter anderem der Goodie Mob und Outkast angehören. Und eben auch Nayvadius’ Cousin, Rico Wade. Der wiederum ist Teil des Produzententeams Organized Noize, ohne das André 3000 und Big Boi nicht den Stellenwert erlangt hätten, den sie heute innehaben.

Wade nimmt seinen kleinen Cousin in die Family auf und pusht ihn, Songs zu schreiben. Doch erst mal passiert nicht wahnsinnig viel. Der damals noch unter seinem Hood-Spitznamen Meathead agierende Nayvadius bleibt vorerst im Hintergrund, dort aber aktiv. Er schreibt Songs für andere, und so landet seine Hook für »Blueberry Yum Yum« Ende 2004 auf dem Album »The Red Light District« von Ludacris. Schon hier: Drogenreferenzen und Melodien irgendwo zwischen Rap und R’n’B. Die Jungs im Dungeon rufen ihrem jüngsten Mitglied inzwischen zu: »You’re the future!« Das erste Mixtape unter diesem neuen Moniker erscheint allerdings erst sechs Jahre später.

Und noch ein paar Jahre später hat Future genug Geld für den bereits erwähnten eigenen Pool, in dem auch seine Oma gerne schwimmen geht. Als sie eines Tages aus dem Pool steigt, braucht sie was für die Füße, damit sie nicht auf den rutschigen Marmorfliesen ausrutscht (der Marmor ist die einzige Erfindung in dieser ansonsten quellen­getreu nacherzählten Anekdote). Future schaut sich um. Alles, was seine kleinen, meist hinter einer Sonnenbrille verstecken Äuglein finden, sind diese Gucci-Flip-Flops (er hat immer nur dieses eine Paar besessen). Also diese Gucci-Flip-Flops, in denen Future 2015 auf dem Track »Thought It Was A Drought« eine nicht näher bestimmte »Bitch« fickt. Doch an diesem Tag trägt sie seine Oma, und diese ganze Anekdote ist sehr Future. Denn hier hat sich ein Kreis geschlossen: Erst Klein-Future, Oma und das Trap House. Dann Groß-Future, Oma und die Mansion.

Aber bei Future schließt sich nicht einfach so hübsch ein Kreis. Irgendwo findet sich immer noch eine groteske Note. Hier, in dieser Anekdote, aber auch in Interviews, wenn Future von seinem Leben schwärmt, oder in den euphorischen Songs seines Katalogs: Immer ist es, als würde ein vorfreudiger Teufel hinter der Ecke auf die nächste Gelegenheit warten, das Schöne, das Runde, das Harmonische gegen die Wand zu fahren. Gurgelnd, zugedröhnt, mit langem, qualvollem Anlauf. Mit einer Mischung aus dem Rausch an der eigenen Macht und der Erschrockenheit über das eigene Unvermögen. Und dieser Teufel, das ist Future selbst.

1 Kommentar

  1. Überblick ist irgendwie etwas karg. Die prägenden letzten Jahre werden komplett ausgelassen. DS 2 nur am Rande erwähnt. Es wird auf seinen Einfluss nicht wirklich eingegangen, und nur seine angebliche Gefühlsebene und seine Zeilen über Drogen thematisiert (was nichts neues für Trap insgesamt ist). Am Ende wird das Ganze dann wieder in Frage gestellt, weil Future dann doch nur die Nachfrage bedient. Was ist denn nun richtig? Der zerrissene, leidende Eskapist, oder der kalkulierende Geschäftsmann?
    Wie sein Style eine Generation beeinflusst hat wird außen vor gelassen (von Medilamentenmissbrauch mal abgesehen).
    Das Ganze Feature liest sich wie eine Textskizze und wird dieser Kategorie nicht. Im Ansatz gerecht.

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