Kings Of HipHop: Rick Rubin // Feature

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ZURÜCK ZUM MINIMUM

Im verkoksten Nachtleben, in dem Rubin als Veganer und Drogenasket wieder heraussticht, freundet er sich mit DJ Jazzy Jay von der Zulu Nation an, der ihn in die Kunst des Sampling einweiht. In Zimmer 712 schichtet Rick vier verschiedene Breaks übereinander, legt eine 808 drunter, lässt Jay cutten und Kumpel T La Rock rappen. Dabei entsteht ein mittleres Erdbeben, das für heutige Trap-Kids wie ein Relikt aus der Steinzeit klingen mag, im Vergleich zum harmlosen Hippie-Di-Hop-Kanon der damaligen Szene aber einen Quantensprung darstellte: »It’s Yours« führt DJ und Rapper erstmals als gleichberechtigte Partner ein und wird zum lokalen Sommerhit, der 1984 New York regiert.
Der Künstlermanager, Party-Promoter und Crackhead Russell Simmons traut seinen Augen nicht, als er Rubin bei der Launch-Party der TV-Serie »Graffiti Rock« kennenlernt: »The blackest record ever«, wie er »It’s Yours« nennt, soll von einem weißen jüdischen Vorstadtkid produziert worden sein? Rubin wiederum ist vom berüchtigten Selfmade Man angetan. Der Rap-Mogul, wie ihn das Wall Street Journal schon 1984 tauft, ist das fehlende Puzzlestück für sein Liebhaber-Label und wird bald darauf gleichberechtigter Partner bei Def Jam Recordings. Wären da nicht die neuerlichen Vergewaltigungsvorwürfe gegen Simmons, könnte man heute noch vom bezauberndsten Odd Couple der Rapgeschichte schreiben.

Zurück im NYU-Dorm, fischt ein junger wilder Punkkumpel, der später als Ad-Rock eine Rolle spielen wird, aus dem Demo-Berg, der täglich im Postfach landet, ein Juwel. Es sind die ersten Aufnahmen von Ladies Love Cool James, der gerade erst der Pubertät entwachsen ist. Als James Smith zu seiner ersten Einladung erscheint, steht der angehende Prototyp-Rapper vor ihnen: LL Cool James hat Sexappeal, Grübchen und Bücher voller Reime. Der Junge aus Queens vereint die Machoposen von Melle Mel mit dem Vokabular und der Technik von T La Rock. Rubin leiht sich (wieder mal) 5.000 Dollar von seinen Eltern, um »I Need A Beat« mit LL in einem großen Studio aufzunehmen. Das von Rubin benannte Chung-King-Studio in Chinatown gilt noch heute als das Abbey Road der HipHop-Geschichte, weil durch die Neve-Konsole die Songs lauter gemischt werden konnten. Die Bedingung von Mama Rubin für das Darlehen war lediglich, dass, wenn der Track das Geld nicht wieder einspiele, Frederick ein Jurastudium aufnehmen müsse. Wenige Monate später hatte sich die Single über 100.000 Mal verkauft. Eine spätere Kopie des ersten 600.000-Dollar-Schecks für einen Vertriebsdeal mit CBS beruhigte die Eltern endgültig.

Auf LLs Debütalbum etabliert Rick Rubin seinen runtergestrippten Trademark-Stil, der ein Jahrzehnt prägte, und von den späteren GOATs Jay-Z, Eminem und Kanye West mit der Muttermilch aufgesogen wurde. Rubin hat immensen Einfluss auf die Struktur und das Songwriting, Konzepte und Themen. Aus Störgeräuschen, Schweinerock-Samples und dröhnenden Drum Machines strickt er Raps erste ästhetische Blaupause. »Radio« erscheint im November 1985, kombiniert harte Reime mit weichem Look, kostet nur 8.000 Dollar in der Produktion und verkauft sich alleine in den USA über eine Millionen mal. Die erste Zeile ufert zum Motto eines weltweiten Movements aus: »My Radio, believe me, I like it loud!«

FLIP THE SCRIPT

In den Anfangsjahren von Def Jam ergänzen sich Russell, der Promoter und Hustler, und Rick, der Querdenker mit Blick für das Bigger Picture, perfekt. Russells Management-Firma Rush Productions war damals schon ein Powerhouse, das die Interessen von etablierten Rappern wie Whodini, Kurtis Blow und des Trios Run DMC um Rus’ Bruder Run vertrat. Für den gewieften Simmons, der nun auch alle Def-Jam-Künstler managt, eine Win-Win-Situation. 1986 erscheinen innerhalb von nur zwölf Wochen drei von Rubin produzierte Meilensteine, die ihn alleine schon unsterblich machen. Für nicht wenige Rap-Semester jenseits der vierzig beginnt hier, mit dem Def-Jam-Zeitalter, die Golden Era des Genres.

Den Anfang macht im Mai »Raising Hell«. Obwohl der zweite Langspieler von Run DMC über Arista erscheint, steckt doch das Mastermind von Def Jam als Architekt hinter dem Erfolg des ersten Multiplatin-Rapalbum. Rick greift dafür auf den simplen Big-Beat-Sound zurück: weniger Spuren und Schnörkel, mehr Witz und Melodien. Als erste Single schlägt »My Adidas« ein. Der geniale Marketing-Streich macht drei Kumpels aus Hollis zu globalen Markenbotschaftern und verschafft der bayerischen Firma Millionenumsätze. Zum Welthit wird aber erst die zweite Single, die (natürlich) auf einer Idee von Rubin beruht. Der muss Run, DMC und Jam Master Jay zu ihrem Glück zwingen und erst überreden, dass die nicht nur den Klassiker-Drumbreak von »Walk This Way« sampeln, sondern direkt den gesamten Song von (und mit) Aerosmith neu interpretieren.

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