Wer ist wegen HipHop hier? #1 // Kolumne

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Foto: William Minke

Wir befinden uns im Jahr 2018 nach Christus. Ganz Deutschland ist von Newschoolern besetzt. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Realkeepern bevölkertes Szenedorf hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. So weit, so Asterix & Obelix. Die Parallelen enden hier aber noch lange nicht – sei es der komplett männerdominierte Alltag im Dorf oder das absurde Selbstvertrauen eines Barden wie Troubadix, der glaubt, mit seinen Volksweisen den Geschmack der Einwohner zu treffen. Der Vergleich hinkt erstaunlich wenig. Und wenn sich die Gallier und Römer treffen, um sich die Köpfe einzuhauen, wählt sich der hobbymäßige Deutschrapexperte ins WLAN ein und macht sich auf die Suche nach potenziellen Feinden. Beliebte Orte des Konflikts: Youtube, Instagram, Facebook.
 
Streitthemen gibt es schließlich genug. Frauen erdreisten sich, selbstermächtigend über Sexualität zu rappen? Die Schlampe soll an den Herd zurück! Die Beginner featuren jemanden, der nicht Dr. Renz oder MC Rene heißt? Früher war alles besser! Massiv macht jetzt radebrechenden Afrotrap? Er hat sich an die Illuminaten verkauft!

»Wer was auf sich hält, hat längst begriffen, dass Facebook ein totes Medium ist.«

Eigentlich gibt es kein Thema, bei dem sich nicht eine Heerschar von mehr oder minder gebildeten Menschen berufen fühlt, der Welt mitzuteilen, was sie von Projekt XY oder Rapper Z so hält. Abertausende von Internetkriegern, die einen virtuellen Feldzug führen, wahlweise vom Kinderzimmer, der Studentenbude oder dem Callcenter-Büro aus. Und diese »Diskussion« ist längst weder zu kontrollieren, noch führt sie zu irgendeinem Ergebnis.
 
Die Künstler haben sich mit den Sozialen Medien ein Monster geschaffen, das sie nun entweder mit Fast Food und Resten füttern (ich persönlich mag ja die lustigen Videos und Beziehungstipps auf Kay Ones FB-Page sehr) oder es ignorieren und verhungern lassen. Wer was auf sich hält, hat längst begriffen, dass Facebook ein totes Medium ist, auf dem sich nur noch eure Eltern, asoziale Elendsgestalten und Menschen tummeln, die Gewinnspiele teilen. Dabei begann alles so verheißungsvoll.

Was war die Freude groß, als Rapper in diesem Land feststellten, dass sie dank Facebook & Co. nicht mehr auf die klassischen Rapmedien und Kanäle angewiesen sind. Wozu sich den kritischen Fragen eines Journalisten stellen, wenn man alles selbst machen kann und auch noch exakt die Zielgruppe anspricht, der man sein Zeug verkaufen will?
 
Dass die Medien sich dadurch im Laufe der Jahre immer abhängiger von den Künstlern und ihren Allüren machen mussten, ist kein Geheimnis. Denn wer nicht nett genug war, bekam kein Interview mehr. Who cares? Ich hab doch meine Follower. Doch im Zuge der faktischen Abschaffung eines Großteils des unabhängigen Rap-Journalismus hat man sich eine Welt erschaffen, in der hängengebliebene Spießer und Wutbürger ihre meist irrelevante und abstruse Meinung durch den virtuellen Äther blasen. Vielleicht war es früher teilweise doch besser. 

»Eine Horde von Menschen mit Stock im Arsch, die sich im World Wide Web erklären, wie das Leben funktioniert.«

Der Konsument ist der Meinung, dass er diktieren und den Künstler nach seinen Vorstellungen formen kann. Aus Schwarmintelligenz wurde Massenverdummung, die Banalität des Blöden ist alltägliche Realität. Denn eine ertragreiche Diskussion ist das schon lange nicht mehr, und Beschimpfungstiraden sind auch keine Kritik.
 
Dabei sind die Stellungskriege im HipHop sowieso komplett unnütz. Dir gefallen nur die alten Sachen von Savas? Dann hör doch einfach »NLP« und nerv uns nicht. Du bist der Meinung, Autotune sei Popmüll und drei Wörter können kein Song sein? Versuch’s doch mal mit dem Geheimtipp Kendrick Lamar. Du findest Rapper, die den Takt treffen, unnütz und Musikalität überbewertet? Kollegah, die Antilopen Gang und Medikamenten Manfred warten schon auf dich. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Das Spielfeld ist groß genug.
 
Aber zwischen all den verschiedenen Geschmäckern und Ansichten über Rap und HipHop im Allgemeinen hat sich eine Mentalität und eine Tonalität breitgemacht, die an die überflüssigen Internetgrabenkämpfe zwischen AfD-Spackos und Ü50-Grünen-Wählern erinnert. Eine Horde von Menschen mit Stock im Arsch, die sich im World Wide Web erklären, wie das Leben funktioniert, ohne sich überhaupt noch tiefergehend mit der Materie zu beschäftigen. Verflucht noch mal, versteht doch endlich, dass ein an dieser Stelle nicht genannter Rapper die Wahrheit verkündete, als er sprach: Das Leben ist kein Internet! Und ihr seid nicht der Nabel der Welt, nur weil eure Mama euch das WLAN-Passwort gegeben hat.

Dieser Text erschien erstmals in JUICE #188 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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