»Das, was ich auf der Straße erlebt und gesehen habe, das kann dir kein Autor schreiben« // Der »4 Blocks«-Cast im Interview

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Als der Pay-TV-Sender TNT Serie Mitte letzten Jahres die Pforten in die »4 Blocks« und damit in die Welt arabischer Großfamilien öffnete, traf es die deutsche Fernsehlandschaft wie eine osmanische Ohrfeige: Eine so reale, brutale und kompromisslose Serie hatte es hierzulande noch nicht gegeben. Entsprechend groß war der Hype – und zwar nicht nur auf der Straße, sondern auch im Feuilleton. Es hagelte Preise wie Flocken im Kiez, und entsprechend groß sind die Erwartungen an die nun anstehende zweite Staffel. Wir sprachen mit Massiv, Rauand Taleb und Hassan Akkouch über schauspielende Rapper, Realness im Fernsehen und den richtigen Umgang mit Erfolg.

Massiv

Hat dich der Erfolg der Serie überrascht?
Ja, schon. Ich habe bisher auch tatsächlich noch niemanden getroffen, der die Serie nicht mochte. Alle haben »4 Blocks« mit Vorurteilen geguckt und dann – bamm! Jetzt wollen sie alle wissen, wie’s weitergeht. Und ganz ehrlich: Die erste Staffel ist nichts gegen die zweite!

Du wirst darin deutlich mehr zu sehen sein. Dein Charakter Latif kommt aus dem Knast raus und übernimmt die ­Drogengeschäfte der Familie.
Ja, das stimmt. Und es war gar nicht so leicht, die Rolle auszufüllen, weil viele in mir natürlich zuallererst Massiv sehen.

Und wie hast du dich auf deine Rolle vorbe­reitet?
Ich habe das vollkommen intuitiv gespielt. Wir wussten zwar alle, dass das groß werden kann, aber wohin die Reise gehen würde, das konnten wir nicht erahnen. Das immense Ausmaß des Erfolges ist mir auch erst richtig klar geworden, seit irgendwelche Omis bei Obi oder Ikea Selfies mit mir machen wollen.

Hast du für die zweite Staffel Schauspielstunden genommen?
Ja, aber nur wenige. Ich wollte nicht, dass zu viel Technik den Charakter kaputtmacht. Das Wichtigste, das ich gelernt habe, ist: Weniger ist mehr. Je weniger du beispielsweise blinzelst, desto stärker wirken deine Worte.

Nimmst du solche Erkenntnisse auch mit ins Musikgeschäft?
Nein. Aber ich benutze ja seit ein paar Jahren keine Fäkalsprache mehr in meiner Musik, darauf bin ich stolz – genauso wie auf meine stabile und loyale Fanbase. ­Musikalisch werde ich mich jetzt nicht verändern, bloß weil ich in der Schauspielerei Fuß gefasst habe. Das wäre Unsinn.

Hast du durch die Schauspielerei Dinge über dich gelernt, die du vorher noch nicht über dich wusstest?
Wenn ich mich in Rapvideos gesehen habe, ging es immer bloß darum, möglichst cool zu wirken. Wenn ich in der Serie aber meine Frau anschreie oder das Koks aus dem Sofa reiße, hat das nichts mehr mit Coolness zu tun. Dann geht es darum, realistisch Gefühle darzustellen. Obwohl: Ich habe trotzdem versucht, das möglichst cool zu tun. (grinst)

Gibt es Parallelen zwischen Massiv, Latif und dir als Privatperson Wasiem Taha?
Natürlich – aber auch krasse Gegensätze. In der zweiten Staffel mache ich zum Beispiel oft harte Ansagen. Wer mich privat kennt, der weiß jedoch, dass das gar nicht zu mir passt. Ich bin ein sehr ruhiger und bodenständiger Mensch. Es liegt mir fern, irgendwelche Leute zu unterdrücken oder anzuschreien.

Kannst du als Straßenrapper jemanden wie Latif trotzdem besser spielen als ein gelernter Schauspieler?
Ja, hundertprozentig! Ich kann mich in viele Situationen viel besser hineinversetzen, mich mit der Materie identifizieren. Vieles habe ich auf der Straße selbst gesehen, teilweise selbst gemacht, außerdem bin ich Araber. Ich kenne mittlerweile zwar die besten Leute in Berlin – aber die ­dreckigsten kenne ich auch.

Du spielst in der zweiten Staffel viel mit Rauand Taleb und Hassan Akkouch. Wie sind die beiden privat?
Das sind zwei ganz liebe Typen, sehr lustig. Beides sind ja gelernte Schauspieler, und vor allem Hassan hat mir beim Dreh viele wertvolle Tipps gegeben.

Habt ihr euch am Set erst kennengelernt?
Ja, aber ich kannte bereits eine ganze Menge Leute vor dem ersten Drehtag: Gringo, Veysel, Sami, Kida. Das macht es aber nicht immer leichter. Wenn ich mit Kida drehe, brauchen wir oft dreißig Takes für eine Szene. Wir kennen uns einfach viel zu gut. Und je ernster eine Szene ist, desto mehr müssen wir lachen, wenn wir uns als Männer tief in die Augen sehen und harte Ansagen machen müssen.

»Das immense Ausmaß des Erfolges ist mir erst klar geworden, seit irgendwelche Omis bei Ikea Selfies mit mir machen wollen« – Massiv

Warum sind eigentlich so viele Rapper in der Serie?
Eigentlich waren es mit Veysel und mir schon zwei Rapper zu viel – aber wir ­haben abgeliefert und dadurch Rap in einer deutschen Serie etabliert.

Stimmt es eigentlich, dass es deine Idee war, Gzuz in die Serie zu bringen?
Ja. Ich habe dann sowohl mit Bonez als auch mit dem Regisseur Marvin und Kida gesprochen und dann im Serien-Meeting seinen Mehrwert für die Serie erklärt: Gzuz ist einfach ein authentischer Typ, den man nicht casten muss, der am Set on point ist. Es war natürlich klar: Gzuz braucht eine Rolle, die asozial und cool ist. Er spielt jetzt einen, der im Knast ist – und da geht die Post ab!

Du machst nach wie vor auch noch Musik, im September kommt »M10 2«. Was kann man auf der Platte erwarten?
»M10« war ein reines Trap-Album, auf dem ich bereits Autotune benutzt habe, und die neue Platte ist nun dessen ­Fortset­z­ung. Die erste Single »Milieu« hat ja viele verwundert, aber ich habe auch früher schon harmonische Songs gehabt und Liebeslieder geschrieben. Mein Motto war immer: 50 Prozent Hoffnung, 50 Prozent Straße. Deswegen gibt es auf der Platte einerseits Songs wie »Milieu«, andererseits auch richtig harte Bretter mit Leuten wie Capital Bra und Olexesh. Wichtig ist: Man muss die Musik fühlen können – darauf kommt es an.

Wie gehst du mit Fan-Erwartungen um?
Wenn ein alter Massiv-Fan von mir enttäuscht ist, tut mir das leid. Aber in meinen Augen ist man dann ein guter Musiker, wenn man sich weiterentwickelt und neue Sachen ausprobiert. Es wäre doch schlimm, wenn ich heute immer noch auf einspurigen mp3-Beats von 2006 rappen würde – das kann doch niemand ernsthaft wollen.

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