»Auf CD kauft sich sowas kein Schwanz« // Dexter im Interview

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Der ein oder andere aufmerksame Deutschrap-Käufer ist sicher schon mal über den Namen Dexter gestolpert: Der Wahlregensburger aus der Heilbronner Wortsport-Clique hat nämlich bei ein paar ganz feinen Platten der letzten Zeit seine Finger im Spiel gehabt, u.a. schickte er seine gesampleten Spuren an Morlockk Dilemma, Hiob und Audio88 & Yassin. Was er sonst so in seinem spartanischen DJ-Bedroom aus der Plattensammlung schneidert, kann man nun erstmals als standesgemäßen Vinyl-Rundling auf den Teller legen: “Hi-Hat Club Vol. 3 – The Jazz Files” kommt über “das deutsche Stones Throw” Melting Pot Music, ist rein instrumental gehalten und bedient sich – klar – aus Dexters umfangreichen Jazz-Crates. Und klingt verdammt gut.

Ist das Material auf “Hi-Hat Club Vol. 3 – The Jazz Files” nur Ausschussware, die kein Rapper ­haben wollte?
Die Leute kennen mich natürlich eher daher, dass ich für andere Leute produziert habe. Aber ich habe schon immer Instrumentalmucke gemacht – DJ Krush, Rjd2, Shadow, das ist das, was ich immer gehört habe. Ich hänge immer auf so musikalischen Filmen: Mal Psychedelic Rock, mal Moog-Sachen – und letzten Sommer bin ich halt voll auf dem Jazz-Film hängen geblieben, also dachte ich mir: Okay, jetzt mache ich halt mal ein paar Jazz-Sachen. Jetzt keinen abstrakten Jazz, sondern gut verdaulich und hiphoppig. Außerdem bin ich großer Fan von Madlib, besonders von den “Beat Konducta”-Tapes. Überhaupt höre ich mir selbst gerne Beat-Tapes an. Aber ich wollte nicht einfach nur planlos Beat an Beat hängen, sondern mit all den O-Tönen einen roten Faden reinbringen.

Hattest du geplant, das in der Form zu releasen?
Als ich das gemacht habe, wusste ich ja noch überhaupt nicht, dass das mit MPM was wird. Ich hab auch nie mit dem Gedanken gespielt, erst als ich dann Pressefeedback von euch bekommen habe und von Leuten, denen ich das gezeigt habe. Die fanden das echt ziemlich gut. Sonst hätte ich das einfach als Free Download rausgehauen. So ist es halt das Beste, was passieren konnte: Es kommt auf Vinyl raus. Auf CD kauft sich so was kein Schwanz. Glaube ich zumindest. Es gibt Vinyl und Download, und wenn der vierte Teil der “Hi-Hat Club”-Serie fertig ist, wird es wieder eine CD mit beiden Teilen geben.

Bisher kamen in der Serie Hulk Hodn, Twit One, Suff Daddy, jetzt du, dann Brenk & Fid Mella. ­Findest du dich in diesem Umfeld wieder?
Auf jeden Fall. Twit One kenne ich noch nicht so lange. Aber Hodn, klar, von Huss & Hodn – die Beats haben mir immer schon gut gefallen. Und Suffy feier ich ja eh schon immer richtig. Wir haben alle ein ähnliches Verständnis von der Sache. Glaube ich zumindest. Wir schreiben uns halt viele arschkriecherische Mails hin und her, von wegen: Das ist ja wieder geil, was du da gemacht hast. (lacht)

Musst du mit Leuten eine gewisse Grund­sympathie teilen, damit du mit ihnen arbeitest? Oder würdest du deine Beats auch an jeden ­Rapper da draußen rausballern?
Ne, dafür bin ich viel zu faul. (lacht) Nein, als wir 2008 unseren Wortsport-Sampler rausgebracht haben, das war so die Zeit, wo ich und auch alle Leute in meinem Umfeld wieder mehr Deutschrap gehört haben. Das haben wahrscheinlich schon viele gesagt, aber durch Dilemma und Huss & Hodn hatte man einfach wieder mehr Bock. Und da lohnt es sich doch, mal wieder ein paar Beats zu machen. Dann hat man sich bei Auftritten, die wir in Heilbronn organisiert haben, kennen gelernt und gut verstanden. So hat halt eins zum anderen geführt. Auch jetzt mit Audio88: Ich persönlich kann mir auch nicht alles von ihm anhören, aber man versteht sich halt. Und er versteht sich ja auch mit Retrogott, mit Dilemma usw. Da wächst eben alles ­gerade so ein bisschen zusammen um viele Ecken, und das in ganz Deutschland. Es ist einfach cool.

Würdest du sagen, das ist schon so etwas wie eine eigene Szene?
Also, es ist jedenfalls kein Zufall. Und um Geld geht es bei der Sache auch nicht. Audio und Dilemma müssten keine Tracks miteinander machen, wenn sie keinen Bock drauf hätten. Da spielen, wenn überhaupt, minimalste Beträge eine Rolle. Ich glaube schon, dass das eine eigene Szene ist, aber sie wird eben noch nicht so wahrgenommen. Viele Leute kennen halt den Generation Tapedeck-Blog, und das bringt es eigentlich auch auf den Punkt. Da sind die ganzen Leute vertreten, das ist so die Basis von dem Ganzen. Und ich höre von Julian [Gupta, Anm. d. Red.] und V.Raeter, die den Blog gegründet haben, dass die Zugriffszahlen und Diskussionen im Kommentarbereich immer mehr zunehmen.

Hättest du auch mal Bock, mit Rappern ­zusammenzuarbeiten, die nicht aus dieser Szene kommen, sondern vielleicht einen ganz anderen Background haben?
Also, wenn ich HipHop höre, ist mir das Technische meistens wichtiger als das, was der Rapper mir sagt. J Dilla rappt ja eigentlich auch voll den Käse, aber wie er rappt: Er hat eine geile Stimme, er fühlt den Beat und das musikalische Gesamtding stimmt. Und dieses Understatement. Wie bei Sean Price, den hätte ich gern. Oder Guilty Simpson. Der hört sich einfach geil an, egal, was er da jetzt genau rappt. Es gibt auch MCs aus Deutschland, wo ich echt Bock hätte: Ich finde Laas Unlimited gut, dieses hohe technische Niveau und diese klare, deutliche Stimme – für den würde ich gerne mal was machen. Auch mal gerne ein paar rumpeligere Beats, denn ich würde gerne wissen, was er damit anfängt. Und Azad vielleicht noch.

Was ist denn das Problem mit den ­zeitgenössischen Beats, deiner Meinung nach?
Die sind, sagen wir mal, ohne Love gemacht. (lacht) Nein, vieles klingt mir zu plastikmäßig. Ich hab überhaupt nichts gegen Synthie-Beats, aber das ist eben oft dieses Pseudo-Monumentale. Und viele Sachen sind einfach auch billig gemacht. Da setzt sich einer hin mit seinem Midi-Keyboard, spielt zwei Töne ein, dazu die Drums aus seinem Preset. Das kann halt wirklich jeder machen. Das ist überhaupt keine Kunst. Ich selbst habe zwar eine kleine Drum-Library, aber das sind alles Drums von mir. Ich habe keine CDs mit Drums, höchstens ein paar Platten mit Drumloops von irgendwelchen Soul-Stücken. Aber meistens fängt es mit einem Sample an: Da ist ein Drumbreak, da ist eine Hi-Hat und so weiter. Das dauert halt ein bisschen länger. Und wenn die Drums wack klingen, dann fange ich auch lieber einen ganz neuen Beat an, als die Drums auszutauschen. So wiederholt sich dann auch nichts, wie etwa bei den Neptunes, die so gut wie immer die gleiche Snare benutzen. Gut, bei denen kommt es darauf auch nicht an, aber hier klingt halt alles gleich. Ich kann Beatgees oder Beathoavenz halt nicht unterscheiden.

Wie entsteht denn bei dir ein Beat? Hier stehen Turntables, dann haste bestenfalls auf dem Flohmarkt eine coole Platte gefunden. Ich sehe sonst keine analogen Maschinen…
Doch, unter der Jacke da drüben steht ’ne MPC. (lacht) Aber die ist abgestöpselt. Das dauert mir zu lang, damit Beats zu machen. Ich arbeite mit einem gerippten Logic – das letzte Logic, dass es für Windows gab. Das hat auch lauter Bugs und stürzt die ganze Zeit ab. Und das benutze ich einfach als großen Sampler. Ich schneide mir die Drums quasi wie bei der MPC zurecht und setze sie dann einzeln: Copy, paste, copy, paste, copy, paste… also relativ aufwändig. Aber wenn man die Handgriffe drauf hat, dann geht das schon recht schnell. Ich mach das ja seit zehn Jahren so. Und klar, Software-Instrumente sind dann auch noch dabei, aber ich benutze halt am liebsten diesen Mini-Moog-Plugin, die Bässe sind also immer original Logic von vor tausend Jahren. Oft schneide ich auch Sachen, ohne einen richtigen Takt rauszuhören. Ich setze dann einfach die Drums drunter – und dann passiert irgendwas. Manchmal schneide ich auch mittendrin Stücke raus und setze sie einfach woanders wieder ein, auch wenn es sich auf den ersten Moment komisch anhört.

Kaufst du Platten vor allem um der Samples willen? Oder darf ein Sample auch von MP3 kommen?
Das kommt auf den Preis an. Wenn die Platten richtig teuer sind, nur weil ein geiles Sample drauf ist, dann kaufe ich die nicht. Arok [DJ und Plattensammler aus Regensburg, Anm. d. Red.] sagt zum Beispiel: Hier ist eine Charles Aznavour-Platte, komplett wack, aber da ist ein Drumbreak drauf, wo einmal eine Bassdrum und eine Snare kommt – kostet 30 Euro. Das musst du kaufen. So bin ich dann auch nicht. Aber wenn das eine Platte mit einem richtig geilen Sample ist, wo ich weiß, da kann ich was richtig Gutes draus machen, dann gebe ich schon mal einen Fünfer oder Zehner dafür aus. Oft ist es auch so: Du hörst im Laden was, hast vorher noch was geraucht und denkst dir: Geil. Aber zuhause legst du die Platte dann auf und denkst dir: Was für ein Scheiß! (lacht) Das Lustige ist ja: Seit ich Serato hab, hab ich voll Angst davor, von der Platte wegzukommen und habe seitdem so einen reaktiven Platten-Einkaufswahn bekommen. Ich kaufe viel mehr Platten als vorher. Im Endeffekt kommt es aber darauf an, was du daraus machst. Ich habe auch schon MP3s gesamplet, so ist das nicht.

Text: Marc Leopoldseder

Foto: Robert Winter

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