Favorite: »Andere müssen scheißen, ich muss rappen.«

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Favorite JUICE #165
 
Der Wahnsinn trägt sein Gesicht: Favorite. Der 1986 in Essen geborene Rapper war 2005 der erste Künstler auf Selfmade Records. Was damals als gemeinsames Herzensprojekt von Slick One und Flipstar startete, ist heute, im Jahr seines zehnjährigen Jubiläums, das erfolgreichste Label in Rap-Deutschland. Allerdings nicht unbedingt wegen der Plattenverkäufe von Favorite, dessen letztes Album »Christoph Alex« im Frühjahr 2011 erschien. »JBG 2«, das erste von mittlerweile vier Selfmade-Alben in Folge auf der Eins der Album-Charts, kam erst 2013 auf den Markt. Doch jetzt ist 2015, und Favorite hat mit seinem vierten Album »Neues von Gott« ebenfalls die Chart-Spitze im Visier.
 
Deutschrap hat ein Kokain-Problem. In der Szene ist die einstige Yuppie-Droge längst salonfähig geworden. Vorbei die Zeit, in der HipHop vor allem die Entschleunigungsdroge Marihuana konsumierte und sich unbewusst für die Langsamkeit des Geistes und gegen grenzenloses Leistungsdenken positionierte. Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich, schließlich gilt heute auch für Rapper mit starker Online-Präsenz: Immer am Start, immer gut drauf – so wollen euch die Fans, so will euch die Gesellschaft. Kokain allerdings fördert überdies auch die natürliche Geltungssucht des Menschen. Kein Wunder also, dass die Droge in den Texten von Favorite, der mit seinen Songs schon immer ohrenbetäubend laut »Hier bin ich!« und »Beachtet mich!« schrie, so präsent ist. Immer wieder taucht das Stimulans auf in jenen Songs, in denen Fav zahllose eklige Bilder aneinanderreiht, blasphemische Ansichten kundtut und seine Gewalt- und Sexfantasien ausbreitet. Kokain ist die Droge, die des Künstlers Hochmut Bahn bricht.
 
Favorite betreibt das Spiel mit Ekelreizen und Tabuthemen so intensiv und genussvoll, dass man sich auch nach mehrmaligem Hören nicht sicher sein kann, ob der Rapper Spielchen treibt oder das Gesagte ernst meint – vor allem, weil er es ohne erkennbaren ironischen Unterton vorträgt. Auch während unseres Interviews im Düsseldorfer Büro seiner Plattenfirma Selfmade Records unternimmt Favorite sein Möglichstes, um uns nicht hinter seine sorgsam aufgebaute Fassade blicken zu lassen: Er bricht Sätze ab, um neu anzusetzen. Er wiederholt einzelne Wörter, macht gedankliche Sprünge. Dann und wann sieht man es seinem Gesicht an, wie er während des Redens nach einem neuen Twist, einer weiteren Windung sucht, mit der er verhindern kann, dass man es schafft, hinter die Künstlerfassade zu blicken. Das hat Seltenheitswert in einer Szene, in der Rapper Ausschnitte aus ihrem (angeblichen) Privatleben in Video-Blogs inszenieren und ihre Meinung zu politischen Themen in den Sozialen Netzwerken kundtun. Für Favorite sind Twitter und Facebook Fremdworte. Umso wichtiger ist es, ihn im Interview nicht erklärungslos mit seinen provokanten Äußerungen zwischen Satire und Verherrlichung davonkommen zu lassen. Es folgt das Protokoll eines Versteckspiels.
 

 
Favorite, dein letztes Album erschien im Mai 2011. Was hast du in den letzten vier Jahren gemacht?
Ich bin ja bekanntermaßen multitalentiert und habe neben dem Rappen schon immer auch ganz viele andere Sachen gemacht. Aber darüber darf ich nicht sprechen und eigentlich möchte ich das auch gar nicht präzisieren. Da habe ich jedenfalls meine Finger im Spiel und das gefällt mir auch, also entferne ich mich von der Rapszene. Aber dann merke ich wieder: Ich brauch das. Auch als Privatmensch, damit ich meinen Unrat irgendwo hin abfließen lassen kann. Andere müssen scheißen, ich muss rappen.
 
Eine sehr kreative Erklärung für Kreativität. Hat dir auch die Rapszene gefehlt?
Ich identifiziere mich mit ihr, ja. Ich bin zwar jemand, der Kunst macht, aber ich habe die Kunst mittlerweile überwunden und stehe also über der Sache. Ich bin Überkünstler. Ich bin nicht wie Kool Savas, den man zehn Jahre lang hört und dann denkt, dass sich bei dem nichts tut.
 
Wenn du die Kunst überwunden hast, wie kannst du dann noch Künstler sein?
Ich bin irgendwas anderes und doch dasselbe. Ich bin anders als die Künstler, die sich von ihrer Kunst tyrannisieren lassen. Der Mensch wie auch der Künstler kann immer sein eigener Tyrann sein. Bei mir ist das nicht so, dafür habe ich Elvir [Omerbegovic, Chef von Selfmade Records; Anm. d. Verf.], er ist Slick One, ja, der ist mein Tyrann. Danke an dieser Stelle dafür … nicht. (Elvir, der mit am Tisch sitzt, lacht im Hintergrund) Egal, wie sehr du die Kunst in deinem Geiste überwunden hast, wenn du Elvir hast, dann hilft dir das alles nichts, dann bist du einfach gefickt. (kichert)
 
Das Kunst-Machen läuft also ganz zwanglos bei dir, bis dann irgendwann Selfmade kommt und sagt: »Hier ist die Deadline«?
So ist es. Natürlich muss ich als Rapper Kompromisse eingehen, ich bin ja auch ein wirtschaftlicher Faktor für mein Label, und wir verschenken nichts. Wir verdienen Geld, so wie alle im Deutschrap, deswegen muss ich natürlich auch einlenken. Und das ist auch okay.
Elvir: Du verdienst dadurch ja auch Geld.
Ja, genau, ich will ja auch nicht auf der Straße leben. Nicht mehr. (lacht)
 
Also bist du doch dankbar.
Bin ich. Ich bin dankbar dafür, dass ich mit Menschen mit diesen Tugenden gesegnet bin. Und du brauchst, egal wie toll du bist, erst mal jemanden, der den anderen Menschen sagt: »Ey, der Typ ist toll!«. Wenn du so jemanden nicht hast, dann kannst du noch so gut sein, das bringt dir alles nichts.

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