Obwohl er für den Termin mit JUICE extra nach Berlin gekommen ist, kommt Bausa fast eine halbe Stunde zu spät in die Redaktion. Der Verkehr soll schuld gewesen sein. Ein sichtlich verkatertes Gesicht erzählt allerdings eine andere Story, die man dem Stuttgarter mit seiner unbekümmerten Art aber sofort verzeiht. Viel zu spannend ist seine Geschichte, viel zu groß sein Talent, als dass man 2017 noch an ihm vorbeikäme. Zum Glück, muss man sagen, klappt es nun endlich mit dem längst überfälligen Debütalbum »Dreifarbenhaus«.
Wer hinter dem vermeintlich romantischen Albumtitel »Dreifarbenhaus« allerdings Kinderbuchgeschichten erwartet, der muss sein Glück woanders versuchen. Denn als Titel für Bausas Debütalbum hält das größte und älteste Bordell Stuttgarts her. »Das ist so eine Art Wohnzimmer für mich«, gibt er schmunzelnd zu Protokoll, und man ahnt, wie viel Lebenszeit er in dem rot-weiß-blauen Laufhaus verbracht hat. Hört man sich sein Album an, ist es durchzogen von Ambivalenz; einer Ambivalenz, die seine Geschichten so interessant macht. Denn in seinen Anekdoten schließen sich lange Nächte in Saunaclubs und die Suche nach wahrer Liebe nicht aus. Trotz dreckiger Junge-von-der-Straße-Attitüde hat er keine Angst, über das »Gefühlsding« zu rappen oder zu singen, und gibt auch offen zu, dass Liebe das Erstrebenswerteste sei. »Ohne die geht gar nichts«, sagt er vollkommen ernst. Und man glaubt ihm.
Das Dreifarbenhaus in Stuttgart? »Eine Art Wohnzimmer für mich«
Die eh schon raue Stimme des Stuttgarters ist an diesem Tag hörbar gefickt von Schnaps und Party, und wenn er hustet, hofft man, dass die Bänder irgendwie halten. Man muss kein Hellseher sein, um zu merken, dass der Alkohol ihn schon eine ganze Weile begleitet. Doch heutzutage läuft das Feuerwasser aus anderen Gründen die Kehle runter als in seinen Teenagertagen.
Mit ungefähr sieben Jahren zieht der kleine Bausa mit seiner Familie von Saarbrücken nach Stuttgart. Das komplette Abrutschen auf die schiefe Bahn kann er in der Folge zwar vermeiden, trotzdem ist er vor allem damit beschäftigt, Scheiße zu bauen. Nachdem er viel zu früh beim Rauchen, Saufen und Kiffen erwischt wird, erstatten seine Lehrer Meldung beim Jugendamt – Bausa muss ins Erziehungsheim. Dabei ist der Grund für die Exzesse so nachvollziehbar wie tragisch: Bei seinem Vater wird Krebs im Endstadium diagnostiziert. Als Bausa 15 Jahre alt ist, erliegt sein Vater diesem Leiden.
»Wenn man etwas verloren hat, geht man raus, um etwas zu finden«, beschreibt das einstige Sorgenkind die damalige Situation in einfachen Worten, die trotzdem schwer zu schlucken sind. Dass er die selbstzerstörerische Art noch längst nicht abgelegt hat, weiß er. »Früher ging es nur um Komasaufen und darum, so schnell wie möglich hacke zu werden. Heute trinke ich entspannt mit Freunden, aber keiner wird mehr aggressiv. Trotzdem: Das mit dem Trinken hat sich nicht geändert«, lacht er kurz danach, und dabei knackt es ein bisschen aus seiner Kehle.
Mit Warner Music als Majorlabel im Rücken hat Bausa aktuell auch allen Grund zu feiern – dabei liegt sein erstes Release schon ganze drei Jahre zurück. Denn obwohl er nach eigenen Angaben niemals Rapper werden wollte und »keinen Bock auf die Scheiße« hatte, wollen es die Umstände, dass er in Stuttgart Bietigheim-Bissingen aufwächst; dort, wo auch Shindy, Rin und Caz ihre ersten Schritte machen. Letzterer gibt dann auch Songs von Bausa an Haftbefehls Bruder Capo weiter, der dessen Talent erkennt und ihn nach Frankfurt einlädt. Kurze Zeit später steht Bausa als erstes Signing auf Capos eigenem Label Hitmonks fest. Das Vergnügen ist allerdings von relativ kurzer Dauer, denn das einzige Release, das dieses Kapitel hervorbringt, ist die »Seelenmanöver EP« im Jahre 2014, für die es quasi keine Promotion gibt. So geht ein erstes Lebenszeichen in der Masse unter, obwohl man den Songs schon damals jede Menge Herzblut anhört. Kurze Zeit später schließt Hitmonks bereits wieder seine Pforten.
»Wir könnten darüber reden, aber warum? Der Zug ist abgefahren«, schließt Bausa das Thema relativ schnell ab. Die Freundschaft zu Capo sei dadurch im Nachhinein aber nicht beeinträchtigt, sagt er. Allerdings meint man, die Enttäuschung immer noch als Echo zwischen den Zeilen zu hören. Immerhin: Trotz wenig Aufmerksamkeit ist die Resonanz durchweg positiv – vor allem, weil Bausa in den Monaten danach Gastparts auf »Russisch Roulette« und »Unzensiert« von Hafti abreißt und außerdem ohne eigenes Release erst von Bonez MC und RAF Camora, dann von Kontra K als Support mit auf Tour genommen wird. Dadurch hat er sich mittlerweile auch über Bescheidwisserkreise hinaus einen Namen gemacht.
Umso überraschender finden sich auf »Dreifarbenhaus« keine großen Namen als Features, obwohl Bausa aus dem Vollen hätte schöpfen können. »Das hätte sich für mich so angefühlt, als wenn ich meine großen Brüder um Hilfe gebeten hätte, wenn es ernst wird. Ich wollte es aber alleine schaffen«, kommentiert er selbstbewusst diesen Umstand.
Überhaupt scheinen seine musikalischen Visionen sehr klar: Als er seinerzeit in Stuttgart ankommt, steht in der Wohnung ein altes Keyboard. Autodidaktisch eignet er sich nach und nach seine musikalischen Fähigkeiten an. »Ich mache bei vielen Beats nach wie vor die Chords«, erklärt er. Und das, obwohl er zwar weiß, wo auf dem Klavier ein C ist, aber mit Noten eigentlich nichts anfangen kann. Das Gefühl reicht bei Bausa aus, und so spielt er selbst mit Piano oder Gitarre Melodien ein, die von Jazz und Soul inspiriert sind, und haut mit seinen Produzenten 808-Drumkits darunter. Am Ende ergeben gefühlvolle Melodien und brachialer Unterbau einen einzigartigen Sound, über dem Geschichten vom Paradies und von Selbstzweifeln genauso ausgebreitet werden wie exzessive Partys voller Uppers und Downers. Und als würde das nicht reichen, wechselt der Junge aus Bietigheim-Bissingen dabei spielend zwischen straightem Rap und aufhellendem Pop-Gesang, ohne dass man konkrete Vorbilder erahnen könnte oder auch nur einen Fuß auf irgendeinem Trittbrett wähnt.
»Das hätte sich für mich so angefühlt, als wenn ich meine großen Brüder um Hilfe gebeten hätte, wenn es ernst wird. Ich wollte es aber alleine schaffen«
Wenn Bausa mit seinem Debütalbum nun das erste Mal auf Solotour geht, dann wird er das mit Live-Band tun. Doch beim Nicht-so-wirklich-Newcomer klingt das nicht wie eine Drohung oder der verzweifelte Versuch, sich als »richtiger« Musiker zu etablieren, sondern wie ein logischer Schluss. Genauso wie der Wechsel zwischen Koksparty und verbittertem Liebeslied nie prätentiös erscheint, wirkt auch das musikalische Hin und Her zwischen siegessicherem Rap und mehrstimmigen Poprefrains, nie wie Berechnung. Es mag sich abgedroschen anhören, aber für Bausa ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt erreicht, um mit seinem Debütalbum ein unvergessliches Ausrufezeichen zu setzen. »Dreifarbenhaus« ist ein emotionales Werk aus einer Vielzahl von privaten Tragödien und unfassbarem Talent, in dessen Mitte ein authentischer Künstler steht. Was Bausa in Berlin noch macht, beantwortet er mit einigermaßen wiedererlangter Stimme beim Verabschieden noch: »Ein Kumpel legt heute Abend auf – und dann ein bisschen Trinken und Feiern.« Hoffentlich machen die Bänder das noch mit. ◘
Text: Arne Lehrke
Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #179 (hier versandkostenfrei nachbestellen).