Autorencharts 2015: Gordon Wüllner (freier Autor)

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07. Julia Beverly – »Sweet Jones: Pimp C’s Trill Life Story« (Buch)
Pimp C Buch :: Autorencharts Format
Für mein Interview mit Julia Beverly für JUICE #172 habe ich ihr 700-seitiges Pimp-Epos innerhalb von weniger als einer Woche verschlucken müssen. Da ich großer UGK-Fan bin, war das jedoch mehr Freizeit als Arbeit. Mir hat das Buch sehr interessante neue Perspektiven auf Pimps Persona gegeben. Von seiner psychischen Störung und dass er aufgrund dieser seine zahlreichen Alias-Namen erfunden hat, wusste ich vorher nichts. Ich kann UGK jetzt unter einem neuen Gesichtspunkt hören und mich bei jeder Line fragen, ob Chad Butler gerade in die Rolle von Sweet Jones, Tony Snow oder eben Pimp C geschlüpft ist. Auch denke ich, seit ich das Buch gelesen habe, wieder verstärkt darüber nach, wie es wohl wäre, wenn er noch am Leben wäre. Ich vermisse Pimps großschnäuzigen Charakter sehr. Was würde er wohl über den Einzug von Purple Drank in den popkulturellen Mainstream sagen? Was über die Houston-Faszination von Drake und der A$AP-Clique? Und vor allem: was für eine Musik würde er wohl heute machen? Meine Antwort darauf: Ich glaube, dass Pimp C von allen viel zu früh gestorbenen Hiphop-Ikonen am würdigsten gealtert wäre. Selbst Pac oder Biggie hätten sich früher oder später vermutlich einer neuen Generation von Rappern gebeugt und ihren Sound adaptiert – so wie es etwa Snoop und Jay-Z irgendwann getan haben. Aber als Produzent war Pimp stets der Konstrukteur seines eigenen Sounds und war versessen, die Essenz seiner Country Tunes zu erhalten. Außerdem hätte Pimp als talentierter Sänger auch irgendwann problemlos ein gediegenes R’n’B-Album aufnehmen können, das (bis auf die Texte) selbst deine Mama gefeiert hätte. Apropos deine Mama: dieses Jahr ist auch ein großartiges wie familientaugliches Mashup-Projekt erschienen, das Tunes von B.B. King und UGK in den Mixer geworfen hat. Und »Long Live The Pimp« ist ja auch noch gekommen. Auch wenn das Pimps bisher übelstes posthumes Album geworden ist, kann man festhalten: kein übles Jahr für UGK-Fans


06. J. Cole live @ Essigfabrik in Köln (Konzert)
J. Cole
»2014 Forest Hills Drive« ist bis jetzt mein Lieblings-Release von Cole – und völlig wider meiner Erwartungen performte er dann das ganze Album von vorne bis hinten live. So etwas wird wirklich viel zu selten gemacht. Dazu lieferte das Dreamville-Camp ein Warm-up erster Klasse und in einem Intermezzo und Grand Finale gab es natürlich auch die größten Cole-Hits. Wegen meines Daddy-Daseins stand ich in diesem Jahr vor weniger Bühnen als zuvor, aber unter den Acts, die ich gesehen habe – von Busta auf dem Out4Fame bis Big Sean in Köln – war Cole definitiv nicht zu toppen.


05. Travi$ Scott – »Rodeo« (LP)
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Als hätte Kanye West zwischen »808’s & Heartbreak« und »My Beautiful Dark Twisted Fantasy« ein Ei gelegt und als wäre das Küken dann zwischen Magic City und dem Screw Shop großgezogen worden. Das ist für mich Travi$ Scott. Mit einer Schablone des 2010er-Ye hat Travi$ seine eigene künstlerische Dimension gemalt. Er ist artsy und gleichzeitig Party, seine Musik ist catchy, aber komplex, oft düster, aber nicht deprimierend, seine Songs sind genauso Lean- wie Stripclub-Soundtracks – und auf »Rodeo« werden diese Gegensätze völlig auf die Spitze getrieben. Hier ist all das noch gewaltiger, noch extremer als auf vorigen Mixtapes – und trifft dabei voll meinen Nerv. Gewundert hat mich nur, dass fast jede Review zum Album (inklusive unserer) vor allem die vielen Gastauftritte hervorgehoben hat. Ich dagegen hätte mir Scottie gerne viel häufiger im Alleingang gewünscht. »Antidote« und »90210« sind zwei meiner Singles des Jahres – erstere beweist, wie viel Power auch in langsamen Songs stecken kann, und letztere entwickelt sich vom »808«-Schössling zum Kopfnicker des Albums. Übrigens: Travi$ Scott ist ganz oben auf der Liste der Acts, die ich noch live sehen möchte.

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