Zweihundert Dollar. Keinen Cent mehr musste Desiigner für den Deal seines Lebens zahlen. Vor fast zwei Jahren kaufte der damals noch minderjährige Hobby-Rapper ein düsterhaft wummerndes 808-Brett, das er auf dem Youtube-Channel des britischen Beatmakers Menace gefunden hatte. Daraus ist »Panda« geworden, der bisher größte Rapsong des Jahres. Aber was macht die Breakout-Single von Kanyes neuem Protegé eigentlich zu so einem verdammten Hit? JUICE hat die Erfolgsformel untersucht und nennt neun Gründe dafür, warum Desiigner mit »Panda« alles richtig gemacht hat. A guide to make a hit.
1. Remixed by everyone, and God
Es klingt verrückt, aber: Der einzige Hit, den »The Life Of Pablo« hervorgebracht hat, kommt nicht von Kanye West selbst. Dass »Panda« auf Kanyes »Pt. II« gesampelt, nein, geremixt wurde, war der ausschlaggebende Grund dafür, dass es Desiigner bis auf Platz eins der Billboard-Charts geschafft hat. Der Song ist dank seiner hohen BPM-Zahl ohnehin ideal für Club-Remakes. Nachdem sich Kanye die markante Hook von Desiigner geborgt hatte, löste er aber endgültig eine Geburtswelle von »Panda«-Remixen im Netz aus. Kanye hat es der Soundcloud-Community sozusagen vorgemacht. Das Signing bei GOOD Music und dessen Bekanntgabe im Madison Square Garden haben das Übrige getan, um Desiigner zum Trending Topic zu machen.
2. Comic-Trap
Die Trap ist zu einem popkulturellen Mythos geworden – und ihre Verniedlichung und Romantisierung, die von Fetty Waps »Trap Queen« im letzten Jahr auf die Höhe getrieben wurde, setzt Desiigner weiter fort. Seine vom Drogengeld erkaufte Genickbrecherkarosse, der BMW X6, wird durch den Kosenamen »Panda« in ein putziges Maskottchen verwandelt. Ohnehin hat das harmlose Wesen des Pandas ja eine eigenartig massenbewegende Anziehungskraft. Davon kann man hierzulande ein Lied – pardon, eine »Melodie« – singen. Obwohl Desiigner um die brutale Realität der Straße weiß – laut eigener Aussage soll er mit 14 Jahren angeschossen worden sein –, baut er die Drugtrade-Zweigstellen weiter in bunte Comicwelten um. Darauf steht Amerika gerade voll.
3. The Meme Potential
Meme-Rap ist längst mehr als Spartenprogramm von Nerds wie Yung Lean. Hat ein Song das Zeug, unzählige Amateurtanzvideos auf Vine anzustoßen? Gibt es catchy Phrasen in den Lyrics, die für Hashtags oder Memes herhalten? Und letztlich: Lässt sich der Songtitel auch in Emojis ausdrücken? Können all diese Fragen mit »Ja!« beantwortet werden, so wie es bei »Panda« der Fall ist, dann mag das keine Erfolgsgarantie für einen Radiohit sein, dafür aber umso mehr für einen digitalen Hit, also: einen Streaming-Erfolg. Und zu zwei Drittel kommen die Plays von »Panda« nun mal von Spotify & Co. Denn »Panda« ist gemacht für Facebook-Timelines und Statusmeldungen. Tatsächlich scheint es in Desiigners Natur zu liegen, seine Songs auf Basis grotesker, hashtagreifer Vergleiche aufzubauen. Sein erster Track hieß »Jackie Chan«, und in der Hook erklärte der damals 14-jährige Desiigner, die Koksziegel wie der Martial-Arts-Meister zu zerhacken. »Meine Gedanken sind echt abgedreht«, sagt Desiigner über seine absurden Einfälle im Billboard-Magazin. »Ich habe meine eigene Art, die Welt zu betrachten.«
4. Is it Future or the future?
Action Bronson klingt wie Ghostface Killah, klar. Aber hat man Ghostface jemals über in Olivenöl eingelegten Oktopus rappen gehört, den er mit den bloßen Händen gefangen hat? Eben. Und genauso wenig hat man Future je mit einem Staccato-Flow gehört wie ihn Desiigner auf »Panda« aus dem Magazin lädt. Natürlich, Desiigners Stimme klingt wie die von Future, besonders auf dem »Pablo«-Cut »Freestyle 4«. Den Erfolg wird das nur befeuert haben, denn bekanntlich kriegt der US-Markt nicht genug von Future. Gleichzeitig muss man sagen: Einen Song, der wie »Panda« gerappt ist, hätte Future niemals aufgenommen. Auf seinem angekündigten Debütmixtape »Trap History Month« wird Desiigner die Chance bekommen, sich weiter von seinem Stimmenvetter abzugrenzen. Sein Schleudertrauma-Flow ist da ein Anfang.
5. Forget where you come from
»I got broads in Atlanta« ist wohl die frappanteste, weil ohrwurmtauglichste Sentenz in »Panda«. Tatsächlich scheinen Desiigners Mädels nur fürs Facetime-Vögeln bereit zu stehen. Bis zur Aufnahme seines Hits ist er noch nie in ATL gewesen. Aufgewachsen ist Desiigner in Brooklyn, jetzt ist er seit Jay Zs »Empire State Of Mind« der erste New Yorker Rapper, der es geschafft hat, die Billboard Hot 100 zu brechen. Dass sich Desiigner nicht um Boombap-Traditionen schert und vielmehr mit Südstaatenästhetik kokettiert, wird dem Realkeeper als Verrat angelastet, ist aber wesentlich für den Status Quo im US-Rap. 18-jährige Newcomer wie Desiigner sind nicht mit dem lokalen Sound aufgewachsen, sondern mit dem, was sie selbst im Netz entdeckt haben. Mit dem A$AP Mob gab es die erste NY-Clique, die Grillz, Pink Soda, Chopped-And-Screwed-Musik und Fashion zu den neuen vier Elementen von Hiphop erklärt hat. Seitdem wird es als künstlerische Last statt notwendige Ehrerweisung verstanden, sich an die Traditionen seiner Hometown zu binden.
6. Repeat spirit
Ein einziger Vers, dazwischen viermal die Hook: »Panda« klingt wie eine Dauerschleife. Das könnte man als einfallslos bezeichnen, ist aber – um noch mal auf die Viralität zurückzukommen – praktisch, wenn der Song vor allem über 15-sekündige Videoschnipsel bei Vine, Facebook und Twitter verbreitet wird. In diesen Sekunden muss die Essenz des Songs stecken. Nach der gleichen Formel war schon »Trap Queen«, der Song des Jahres 2014, konstruiert. In der Ursprungsform war Fetty Waps Steadyseller nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Hook und Bridge, später wurde ein Vers addiert. Das zeigt: Hits müssen längst nicht mehr nach orthodoxem Zwei-Vers-Schema gebaut sein.
7. It’s art, not just rap
Der Aufbau von »Panda« sagt auch etwas über Desiigners musikalisches Selbstverständnis aus. »Als Kanye mir gesagt hat, dass wir uns bei GOOD Music nicht als Rapper, sondern als Künstler sehen, war das die beste Inspiration für mich«, sagte Desiigner dem XXL-Mag. Würde sich Desiigner in erster Linie als MC verstehen, wäre ein Song wie »Panda«, bei dem sich alles um die Hook dreht, nicht möglich gewesen. »Panda« ist hochmelodisch, verzichtet aber auf gesungene Passagen – und ist damit schon mal eine Rarität im Trap-Subgenre, in dem meist versucht wird, Catchiness über Autotune zu erreichen. Übrigens: Desiigners Einstellung zu seiner Musik dürfte sich auch aus seinem Background speisen. Er selbst sang früher schon im Schulchor, und sein Großvater war unter dem Künstlernamen Guitar Crusher ein gestandener Blues-Musiker.
8. Turn up on a new level
»Der Beat ist sehr energiegeladen, und genau das ist es, was heute in der Industrie fehlt: Es gibt zu wenig hochenergetische Musik«, sagt Producer Menace über »Panda«, der keinen besseren Kunden als Desiigner hätte finden können – denn der schöpft bei Live-Performances zusätzlich vierstellige Voltzahlen an Power aus dem Instrumental. On Stage scheint sich Desiigner teils so sehr zu verausgaben, dass auch mal sein Frühstück aus ihm rausschießt. Der Turn-Up ist nicht nur real, er ist auf einem neuen Level.
9. It’s all about the adlibs
Ay Ay, Rrrrrroarrr, Get Get Get. Rrrrroarrr. #WhatMoreCanISay. ◘
Text: Gordon Wüllner
Foto: Fabien Montique
Dieses Interview ist erschienen in JUICE #175 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
das ist selbst für euch ziemlich peinlich….