Isaiah Rashad: »Ich hatte finanzielle Probleme, wollte aber deswegen nicht mit Musik aufhören« // Interview

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Isaiah-Rashad
 
Als die Top Dawg-Clique im vergangenen Oktober die BET-Cypher einnimmt, ist es kaum mehr eine Überraschung, dass Kendrick Lamar den Standard fürs MCing mal wieder gen Himmel jagt. Sky is the limit? ­Traditionelle Versstrukturen konnte man jedenfalls seit seinem »Control«-Part getrost ­abschreiben. Und so offenbarte sich die eigentliche Entdeckung an der Seite von Compton’s Most Wanted, nämlich in Form eines eigenartig gestikulierenden, silbenverschluckenden Jungen, der etwas über seine zweite Heimat Kalifornien ins Mic spuckte. »Who dat?«, fragten sich alle. Bis auf die Blog-Nerds, die Isaiah Rashad schon seit den ersten Soundcloud-Uploads in 2011 auf dem Schirm haben. Knapp drei Jahre später steht mit »Cilvia Demo« nun das erste Full-Length-­Release des 22-Jährigen auf TDE an. Zeit für ein Gespräch mit dem Tennessee-MC, der gerade noch mit seiner Schrottkarre durch die Hood rumpelte und plötzlich in den polierten Studios von ­L.A. abhängt.
 
Dein erstes Tape heißt »Cilvia Demo«. Was hat es mit dem Titel auf sich?
»Cilvia« hieß meine erste Karre, in der ich wirklich eine Menge erlebt habe. Sogar mein Sohn wurde darin gezeugt.
 
Das Mixtape ist also ziemlich persönlich geworden?
Ja, sehr sogar. Schließlich ist das mein erstes Projekt und ich habe versucht, so kreativ wie möglich zu sein. Vom Sound her könnte man das Tape als alternativ beschreiben, mit vielen Melodien, aber auch Boombap-Elementen. In jedem Fall unterscheidet es sich sehr von meinen alten Sachen und klingt wie nichts, was derzeit draußen ist.
 
Viele deiner älteren Tracks sind von einem Typen namens The Antydote produziert. Hat er auch an »Cilvia Demo« mitgearbeitet?
Ja, vieles auf dem Tape ist mit ihm ­entstanden und das war wirklich eine gute Entscheidung. Wir haben einen sehr natürlichen, positiven Vibe. Ich kenne The Antydote schon seit ich 16 bin, aber wir haben noch nie unter einem Dach zusammen Musik gemacht. Er kommt aus Indiana und ich aus Chattanooga, Tennessee, deswegen standen wir immer nur über Twitter in Kontakt. Jetzt wohnen wir in einer WG und können täglich zusammen ins Studio gehen. Ich habe zwar auch Beats von den TDE-Hausproduzenten bekommen, aber noch nichts darauf geschrieben. Ich wollte erst mal mein eigenes Ding mit The Antydote durchziehen, denn seine Beats sind wie maßgeschneidert für mich.
 

 
Du hast bereits im März letzten Jahres bei TDE unterschrieben, das Signing wurde aber erst im September öffentlich gemacht. Wie hat sich dein Leben seitdem verändert?
Ich fühle mich überwältigt von so viel Freiheit. Ich kann jetzt tun, was ich schon immer wirklich tun wollte. Mein erstes großes Ziel ist erreicht, ich besitze alle Freiheit, mich musikalisch auszuleben. Ansonsten hat sich mein Leben noch nicht allzu sehr verändert. Das liegt vielleicht daran, dass ich mich im Kopf schon lange auf diesen Schritt vorbereitet und mir oft vorgestellt habe, wie es wohl als Berufsmusiker sein wird. Aber natürlich wird sich da noch einiges ändern. Dieses große Movement steht hinter mir, das wird mich noch auf ein ganz anderes Level bringen. Bis dahin genieße ich erst mal das Gefühl, dass meine Familie größer geworden ist.
 
Familie? Du pflegst also ein sehr gutes Verhältnis zu den anderen TDE-Jungs?
Ja, wobei es am Anfang schon etwas komisch war. Stell dir vor, du triffst zum ersten Mal ein paar deiner absoluten Lieblingsrapper und plötzlich bist du Teil desselben Labels wie sie. Verrückter Scheiß! Du musst erst mal lernen, sie als normale Menschen wahrzunehmen. Denn ohne ein gutes Verhältnis auf persönlicher Ebene, wird es meiner Meinung nach auch mit der Musik schwer. Das ist auch ein Grund, warum wir noch nicht allzu viel zusammengearbeitet haben. Abgesehen davon, dass ich wirklich niemandem auf den Schlips treten will. Die sind alle beschäftigt genug mit ihren eigenen Projekten, und ich bin schon wunschlos glücklich darüber, dass ich mich überhaupt zum ersten Mal richtig im Studio ausleben kann.
 

 
Wie kam es überhaupt zu dem Signing?
Ich hatte gerade ein paar finanzielle Probleme, wollte aber deswegen nicht mit der Musik aufhören. Also habe ich einen Homie aus L.A. besucht, der mir ein bisschen aushelfen wollte. Er meinte, dass ich da ­unbedingt jemanden kennenlernen sollte. Erst nachdem er den Kontakt hergestellt hatte, habe ich erfahren, dass es um Dave Free geht, den TDE-Präsidenten. Wir haben uns getroffen, locker ausgetauscht, und er hat meine Musik direkt gefeiert. Wenige Tage später wollte er, dass ich bei ihm unterschreibe, und ich habe sofort zugesagt. Die ganze Situation war wirklich sehr angenehm, weil ich niemanden krass von mir überzeugen musste.
 
Vor deinem TDE-Signing hast du an einem Projekt namens »Pieces of a Kid« gearbeitet. Du hast mal gesagt, dass du das Tape verworfen hast, weil du zur Entstehungszeit nicht du selbst gewesen wärst. Was genau meinst du damit?
Ich wollte auf Biegen und Brechen ein Album herausbringen, wofür ich auch schon die Songs »Part II« und »Part III« ­aufgenommen und veröffentlicht habe. Eigentlich sollten es acht solche »Part«-Songs werden, die aus der Perspektive verschiedener Leute von meinem Leben erzählen. »Part II« ist zum Beispiel aus der Sicht meiner Ex-Freundin geschrieben. Zwei Jahre lang habe ich nur solche Konzepte im Kopf gehabt und dadurch meine Kreativität total blockiert. Jetzt möchte ich nur noch gute Songs machen, und in der richtigen Reihenfolge werden die auch ein schlüssiges Gesamtprojekt ergeben.
 

 
Du hast »Part II« angesprochen. Im Outro von dem Song sagst du, dass deine Geschichte keine klischeehafte HipHop-Erzählung sei.
Das Outro war meine Art zu sagen, dass ich ein ganz normaler Typ bin. Obwohl meine Mutter sehr gut für mich gesorgt hat, musste ich eine Menge durchmachen. Doch ich habe mich nie von Armut oder Gewalt unterkriegen lassen. Dass es mal so gut läuft wie jetzt, hätte ich mir zwar nie träumen lassen, aber ich habe immer gewusst, dass da noch etwas Großes auf mich wartet.
 
Ein Problem, das du häufig ansprichst, ist das schwierige Verhältnis zu deinem Vater.
Ja, ich habe mich von ihm alleingelassen gefühlt. Er hat sich selten blicken lassen und sich nie genug darum bemüht, die verstrichene Zeit wieder gutzumachen. Ich möchte vieles anders machen als er, ein ­aktiver Teil im Leben meines Sohnes sein und nichts vor ihm verheimlichen. Sobald er alt genug ist, nehme ich ihn überall mit hin.
 
Du hast deinen Heimatort Chattanooga mal als einen ruhigen, aber gleichzeitig sehr kriminellen Ort beschrieben. Dieser Kontrast von Aggressivität und Ruhe zeichnet auch deine Musik aus, oder?
Das sehe ich auch so, ohne dass ich meinen Sound damit kategorisieren will. Denn wenn du einmal in eine Schublade gerutscht bist, ist es schwer, da wieder herauszukommen. Ich finde viele Kategorien auch sehr bodenlos. Was soll es zum Beispiel bedeuten, ­lyrical zu sein? Wenn ich Musik beurteile, gibt es für mich nur zwei Kategorien: Ich mag sie oder ich mag sie nicht.
 

 
Du hast dich mal als großer Erykah-Badu-Fan geoutet. Was fasziniert dich an ihrer Musik?
Sie ist erschreckend ehrlich und gleichzeitig super gechillt. Damit hat sie das Fundament für meinen aggressiv-entspannten Sound gelegt. Niemand hat mich mehr geprägt.
 
Angeblich hat auch Master P deinen Sound wesentlich beeinflusst.
Ich bin vor allem mit Soul aufgewachsen, aber Master P hat mich zum Rap gebracht. Seinetwegen liebe ich diese Musik. Wobei man das meiner Musik ja nicht wirklich anhört, dass ich großer Master-P-Fan bin. Angefangen zu rappen habe ich auch eigentlich erst dank »Late Registration« und »Tha Carter II«. Lil Wayne, Kanye West und Lupe Fiasco haben meinen Rapstil wohl am stärksten beeinflusst. Aber mit Master P und Scarface zusammenzuarbeiten, wäre in jedem Fall das Allerkrasseste.
 
Wenn du erst vor knapp vier Jahren mit dem Rappen angefangen hast, wann hast du die Sache zum ersten Mal wirklich ernst genommen?
Genau an dem Tag, als ich angefangen habe.
 
Text: Gordon Wüllner
Foto: YouTube
 
Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
 

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