»Viele hier wissen nicht mal, was in anderen Teilen von Belgien passiert« // Woodie Smalls im Interview

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Auf dem Album sind auch ältere Singles wie »Pending«. Du strahlst oft einen lockeren, positiven Vibe aus. Im Video zu »Pending« sprichst du am Anfang aber sehr ernst über Depressionen und Einsamkeit. Warum wolltest du gezielt das ansprechen?
Das ist einfach das, was Leute erleben. Wenn ich nicht darüber sprechen würde, würden Leute gar nicht wissen, dass ich auch durch so Phasen gehe. Jeder hat mal eine depressive Stimmung, jeder hat mal schlechte Tage, jeder hat mit Einsamkeit zu tun. Ich wollte darüber sprechen. Als ich aufgewachsen bin, gab es niemanden in der Schule, der aussah wie ich, ich war der einzige N***a in der Schule. Ich war der Einzige, der Musik gemacht hat. Dazu kommt: Belgien ist verdammt grau, verdammt regnerisch, das zerstört deine Stimmung.

Das stimmt. Ich bin jetzt seit fast zwei Wochen hier und es regnet echt jeden Tag durch, das ist so schlimm.
Ja, man. Wenn es hier regnet, dann wirklich den ganzen Tag! Das Cover von »Pending« zeigt das auch. Ich gehe durch die Stadt und es ist rainy as fuck! Ich habe das Gefühl, Leute in Belgien wachen auf, gehen zur Arbeit oder zur Schule, und sind dann schon oft ziemlich bedrückt. Der Song soll sie ansprechen.

»Belgien ist verdammt grau, verdammt regnerisch, das zerstört deine Stimmung.«

Lass uns gleich nochmal auf Belgien zurückkommen. Ich habe gesehen, dass du im Dezember, als er starb, ein gemeinsames Foto von dir und JUICE WLRD hochgeladen hast. Wie hast du ihn wahrgenommen?
Wir haben uns in Berlin kennengelernt, als er mit Nicki Minaj performt hat [in der Mercedes-Benz Arena in Berlin im Februar 2019, Anm. d. Verf.] Er war sehr cool, sehr demütig. Er wusste nicht, wer wir sind. Aber er hat einfach trotzdem alle reingelassen. Wir sind mit allen Freunden zur Afterparty, waren mit ihm Backstage, und er hat über alles mögliche gesprochen. Auch persönliche Sachen. Dinge, über die wir eigentlich nichts wissen sollten. Er hat sich aber wohl dabei gefühlt, das zu erzählen. Das habe ich an ihm geschätzt, JUICE WRLD war einfach echt.

Er hat auch oft über Depression und Einsamkeit in seinen Songs gesprochen. Wie Lil Peep. Du sprichst auch oft über Drogen in deinen Songs – Hast du etwas mitgenommen für dich aus den Vorfällen?
Ich habe das Gefühl, sobald es um Pillen geht, muss man echt aufpassen. Wir hatten auch einen Freund in Deutschland der an Drogenkonsum gestorben ist. Ich nehme nur psychedelische Drogen, nur natürliche Drogen. Ich rauche Gras, ich trinke Alkohol. Aber pass‘ auf vor Pillen, das ist was anderes!

Zurück zu Belgien: Ich war schockiert, als ich mitbekommen habe, wie zerstritten Belgien wirklich ist. Das kriegt man hier ja so richtig mit. Das Land scheint komplett gespalten zu sein in Flandern, Wallonien und Brüssel. Welche Rolle spielt das in deinem Leben?
Natürlich eine große. Wir leben im niederländischsprachigen Teil von Belgien. Und in Brüssel schätzen sie uns deswegen schon nicht so sehr. Weil hier [wie auch in Wallonien, Anm. d. Verf.] französisch gesprochen wird. Der französische Part interessiert sich nicht für das, was im niederländischsprachigen Part passiert. Und umgekehrt genauso. It’s fucked up. Ich würde so gerne nach Brüssel kommen und dieselbe Liebe kriegen, die ich im niederländischen Teil bekomme, aber die Sachen in diesem Land sind so kaputt, dass das nicht geht. Also fragt man sich: »Von was bin ich eigentlich ein Teil?« Schau, wenn du in Deutschland bist, kannst du einfach überall hingehen, alle sind cool miteinander, man spricht dieselbe Sprache….

…wir haben ein kleines Problem zwischen Ost und West, aber großteils das stimmt das.
Okay, aber hier ist es echt extrem. Die Leute wissen nicht mal, was im anderen Teil des Landes passiert! Es gibt keine Verbindung! Ich finde das echt traurig. Ich spreche sogar beide Sprachen, aber viele eben nicht. Und wir sind irgendwie mittendrin. Leute können meine Musik mögen, aber dann sagen sie: »Der Typ ist aus dem niederländischen Teil. Den hören wir uns nicht an. Der ist nicht wie wir.« Ich wünschte mir, es wäre nicht so ein Problem. Ich kenne kein Land, was auch so ist.

Wie sehr lässt du das noch an dich ran?
Ich bin so aufgewachsen. Jetzt haben wir 2020, ich denke, es wird sich eh nichts mehr ändern. Also ärgert es mich nicht mehr so sehr wie früher.

Du wohnst immer noch in St. Niklaas, in Flandern in der Nähe von Antwerpen. Der Stadt hast du mit »Antwerp« auch einen Song gewidmet. Was bedeutet dir die Stadt?
Antwerpen war für uns einfach ein Fluchtort früher. Wir haben da jetzt auch viele Songs aufgenommen. Die Stadt hatte einfach mehr zu bieten als unsere Heimat, da ging mehr ab. Aber mein Lieblingsort in Belgien ist Brüssel.

Willst du für immer hier bleiben?
Ich will so schnell wie möglich weg! ASAP! Wenn ich morgen wegziehen könnte, ich würde es machen. Berlin oder London klingen attraktiv, auch Los Angeles. Da dürfte ich, glaube ich, gar nicht so lange bleiben, wegen der Visaregeln. Aber das wären coole Städte. Ich habe gar nichts gegen St. Niklaas. Aber es ist einfach Zeit.

Text: Niklas Potthoff
Foto: Yaqine Hamzaoui

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