Taz Taylor: »Jemand sollte diesen Kids eine Chance geben, also übernehme ich das.« // Interview

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Rap-Kollektive gibt es zu Hauf und haben dem ein oder anderen Star den Weg zu seinem Erfolg geebnet. Produzentenkollektive sind dagegen eher die Seltenheit, vor allem wird ganz generell viel weniger über die Produzenten gesprochen, die meist im Hintergrund bleiben. Bei Internet Money ist das anders. Das Kollektiv hat es sich zu Aufgabe gemacht, die neuen cool Kids des US-Rap hervorzubringen und arbeitet mittlerweile sowohl mit aufstrebenden Newcomern, als auch mit etablierten Größen wie Future, Gunna oder Wiz Khalifa zusammen. Auf ihrem ersten Produzentenalbum »B4The Storm« werden diese beiden Welten vereint und haben direkt zu einem Überhit geführt. Der Song »Lemonade« mit Gunna, Don Toliver und NAV ist seit etlichen Wochen in den Top10 Single Charts auf der ganzen Welt zu finden und hat bereits Platinstatus erreicht. Wir haben mit Taz Taylor über seine Anfänge als Type Beat-Produzent, die Entstehung des Albums in seinem Haus während des Lockdowns, den Tod von Juice Wrld, der ebenfalls auf dem Album vertreten ist, und die Mission von Internet Money gesprochen.

Du hast mit Type Beats in der HipHop-Szene angefangen. Hattest du davor schon musikalische Erfahrung?
Ich bin mit Musik in Berührung gekommen seit ich drei Jahre alt war. Mein Vater war in Bands und ich war bei Proben dabei und habe mir irgendwann selbst beigebracht, Gitarre zu spielen. Später kamen noch Bass und Schlagzeug dazu. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich dauernd Musik gemacht und neue Gitarren oder Verstärker gekauft. Danach habe ich die Musik allerdings erst einmal sein lassen und bin erst wieder zu ihr zurück als ich 18 war. Und jetzt sind wir hier.

Ich gehe mal davon aus, dass du bei dieser Musiksozialisation früher auch andere Musik als HipHop gehört hast, oder?
Ja, ich habe Mötley Crüe, Kiss und Van Halen angehört.

Die Klassiker. Als du mit den Type Beats gestartet hast, wie bist du an die Sache herangegangen?
Wie sagen immer, dass wir Type Beats fast erfunden haben. Zumindest haben wir sie bekannt gemacht und waren mit die ersten, die das richtig durchgezogen haben. Ich habe damit angefangen, als ich mit meiner Mutter zusammengelebt habe. Die Beats habe ich online verkauft, um auszuhelfen. Meine Mutter hatte zu dieser Zeit Krebs und konnte nicht arbeiten, also musste ich etwas tun, um Geld zu machen. Es war etwas, um sich zu beschäftigen und später auch ein Trend, Beats auf YouTube hochzuladen. Wir haben nicht einmal großartig versucht, irgendjemanden nachzuahmen, sondern einfach gesagt: »Das klingt als ob Future darauf rappen würde. Das ist ein Future Type-Beat.«

Gab es bestimmte Rapper, an denen du dich orientiert hast?
Oft war es Future, außerdem Lil Uzi Vert, all die großen Artists. Du musst eben die heraussuchen, die sich verkaufen, um selber Geld zu machen. Und als ich die Beats auf YouTube gemacht habe, war es mir egal, wer sich den Beat genommen hat und darauf gerappt hat.

Wie lange hat es gedauert, bis es mit den Beats durch die Decke ging?
Es war schwer, zu den besten Internet-Produzenten zu werden, da gab es schon einige. Mein Weg war dann, dass ich mit der Zeit dazugelernt habe, welche Dinge ein guter Internet-Produzent draufhaben muss. In der Zwischenzeit habe ich mich mit anderen Dingen beschäftigt und zum Beispiel Drum Kits und Grafiken verkauft oder Konsultationen angeboten. Damit bin ich erstmal sehr gut gefahren, weil ich diese Hustler-Mentalität hatte. Ich habe einfach verschiedene Wege gefunden, um Geld zu machen. Und als dann Geld von der Musik reinkam, hatte ich dazu noch andere Einnahmequellen.

Hat es deinen Lebensstil verändert, als du realisiert hast, dass du damit richtig Geld machen kannst oder bist du erstmal auf dem Boden geblieben?
Ich habe auf jeden Fall realisiert, dass es mein Leben verändert hat und jetzt immer noch verändert. Trotzdem bin ich down to earth und dieselbe Person geblieben. Ich bin nur froh, dass ich jetzt nicht irgendwo bei McDonald’s arbeiten muss. Ich hab die Schule nach der 7. Klasse verlassen, da ist man verdammt jung. Andere haben sich irgendwelche Gelegenheitsjobs gesucht und ich habe zum Glück die Musik, mit der ich Geld machen kann. Das ist die einzige Sache, in der ich gut bin. Daher bin ich froh, heute hier zu sein.

Hast du alleine angefangen oder gab es da bereits ein Kollektiv?
Ich habe alleine angefangen und bin mit der Zeit mit immer mehr Produzenten und Rappern in Verbindung gekommen. Dann habe ich angefangen, die Produzenten zu signen, ihre Entwicklung zu begleiten und so nach und nach ein Team aufzubauen.

Wie hat sich deine Arbeitsweise verändert, jetzt wo du nicht mehr im Haus deiner Mutter produzierst, sondern in einer professionellen Umgebung?
Wenn es um Beats geht, haben wir bei Internet Money einen etwas anderen Ansatz. Wir haben auch mal vier oder fünf Produzenten an einem Song sitzen, Hauptsache die Arbeit wird erledigt. Davor habe ich alles alleine gemacht und musste mich um alles selbst kümmern. Wenn ich heute einen Beat oder Song will, ist es nicht schwer. Wir sind eigentlich die ganze Zeit auf der Suche nach neuen Songs. Die Beats machen wir quasi im Schlaf, jetzt geht es darum, schon ganze Songs zu entwickeln, die funktionieren.

Euer Debütalbum habt ihr in deinem Haus aufgenommen. Ich habe gelesen, dass es nicht länger als zwei Wochen gedauert hat. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?
Insgesamt hat es ungefähr vier Wochen gedauert. Es war einfach jeden Tag konstante Arbeit, bei der wir Sessions abgehalten haben, Songs entwickelt haben, Skizzen überarbeitet haben, uns ans Mixing gesetzt haben. Als wir ungefähr 20 Songs fertig hatten, haben wir nochmal genau daran gearbeitet, dass die finalen Versionen gut klingen. Es war ein seltsame Zeit. Wenn du im Lockdown in deinem Zuhause bist und dir fest vorgenommen hast, etwas fertigzustellen, dann machst du dir keine großen Gedanken darüber, wie du es fertig machst. Sobald du aber fertig bist und es erfolgreich wird, fragst du dich: »Wie zum Teufel habe ich das hinbekommen?« Es ist ein verrückter Prozess. Wir haben diese Phasen der Kreativität, wo wir Ideen bekommen und auf der gleichen Wellenlänge sind und sie dann gemeinsam umsetzen. Das Album war so ein Phase, wo das funktioniert hat.

Das Cover von »B4The Storm« sieht für mich wie eine spaßige Klassenfahrt aus.
Ich wollte auf jeden Fall so viele Leute wie möglich auf dem Cover haben, ohne dass es nach einer Seite von »Wo ist Waldo?« aussieht. Eigentlich war dieses Jahr auch ein Internet Money Festival geplant, das wir wegen Corona absagen musste. Ich wollte, dass das Cover wie die Cartoon-Version davon aussieht, wie ich mir das Event vorgestellt habe.

Wie wichtig war es dir, dass Internet Money der Interpret des Albums ist, im Hinblick darauf, den eigenen Namen und die eigene Marke zu stärken?
Die Leute gucken auf Internet Money und denken daran, dass wir Produzenten aus dem Internet sind, die eben mit Leuten wie Juice Wrld, iann dior oder Lil Tecca zusammenarbeiten. Aber in Wirklichkeit gibt es nichts, was wir nicht tun können. Wir haben ein Label, wir haben eine Produktionsfirma und eine Management-Firma. Wir sind auch Produzenten, aber wir haben gerade mit »Lemonade« bewiesen, dass wir einen der aktuell größten Songs auf der Welt gemacht haben. Das sagt eigentlich alles darüber aus, in welchen Dimensionen wir denken.

Auch in Deutschland hält sich der Song schon wochenlang in den Top10 der Single Charts.
Es ist verrückt, überall auf der Welt geht der Song durch die Decke. In der UK sind wir sogar die Nummer 1, in Portugal auch, worüber sich Nick Mira besonders freut, weil er dort herkommt. Überall auf der Welt ahnen die Leute diesen Song, den wir in unserem Haus gemacht haben. Er ist in so einem kleinen Raum entstanden und läuft jetzt weltweit, wenn Leute in ihren Autos sitzen, wenn sie auf Social Media unterwegs sind, eigentlich überall. Das hat mir nochmal richtig klar gemacht, wie groß dieser Song wirklich ist.

Siehst du dich selbst als der Papa bei Internet Money, der ein bisschen auf die anderen aufpasst?
Meine Rolle ist dafür zu sorgen, dass vierzig oder mehr Leute jeden Tag an etwas arbeiten, dass größer als sie selbst ist. Wir versuchen unsere Egos hintenanzustellen und etwas Großes aufzubauen. Wir bleiben fokussiert und arbeiten konstant daran. Das ist auch mein Job, die Kreativität aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, dass die Dinge erledigt werden. Manche konzentrieren sich den ganzen Tag darauf, neue Musik zu machen. Ich sorge dafür, dass alles zusammenkommt.

Wie kommt ihr in Kontakt zu den Rappern, die auf euerem Album sind. Ladet ihr sie ins Haus ein, schickt ihr eure Beats herum?
Oft ist es so, dass wir davor schon mit den Rappern zusammengearbeitet haben und dabei Songs entstanden sind. Manchmal bekommen wir auch die A capella-Version und wir machen einen neuen Beat dazu, wie zum Beispiel mit Juice Wrld oder Trippie Redd. Oder wir gehen zusammen mit den Rappern ins Studio und arbeiten an einem Hit, das haben wir mit Swae Lee und Future für »Thrusting« gemacht. »Lemonade« gibt es tatsächlich schon seit 2017 und lag seitdem auf meinem Computer rum, alle hatten den Song schon vergessen. Als ich dann das Label kontaktiert habe und meinte, dass wir an einem Album arbeiten, haben sie gefragt, was denn mit »Lemonade« ist und ich meinte nur, dass ich das Lied voll vergessen hatte. Dann haben sie mir das A capella von Don Toliver noch zugesendet, wir haben es eingearbeitet und so ist der Song doch noch zustande gekommen. Gerade während der Corona-Zeit ist es schwierig, sich nur an eine Methode zu halten, wie man Songs kreiert. Daher machen wir eigentlich alles, was möglich ist, um den Job zu erledigen. Was auch immer der beste Weg für alle Seiten ist, nutzen wir, um neue Musik und eben auch das Album zu erstellen.

Wie sieht es in deinem Haus aus? Habt ihr da eigene Räume, um kreativ zu werden?
Ja, wir haben zwei Studios im Haus und außerdem verschiedene Set-Ups in Schlafzimmern. Im Wohnzimmer, das gleich hier nebenan ist, haben wir einen Haufen Vintage-Keyboards bereitstehen. Wir haben eine Menge kleiner Workstations hier und falls wir doch mal ein größeres Studio brauchen, können wir in der Gegend ohne Probleme eins bekommen.

Auf eurem YouTube-Kanal gibt es ein paar Videos, die einen Einblick ins Haus geben. Das sieht nach sehr viel Spaß aus, den man dort mit den Instrumenten haben kann.
Ja, musikalisch passiert hier viel. Du kannst definitiv auch schnell genervt davon sein, besonders wenn du gerade ein wenig abschalten wolltest, weil du hier nie so richtig weg von der Musik kommst. Aber gerade wenn du Musik machen willst und kreativ werden willst, gibt es hier einiges, was dich inspirieren kann.

Auf dem Album ist auch der späte Juice WRLD zu hören. Was bedeutet es euch, seine Zeilen auf dem Album haben zu können?
Ich weiß, dass DT und Nick Juice WRLD entdeckt haben, bevor ihn jemand auf dem Schirm hatte. Ich weiß, dass es besonders ihnen sehr viel bedeutet. Wir haben ein paar Tage bevor Juice WRLD verstorben ist angefangen an »Blastoff« zu arbeiten. Wir waren mittendrin an diesem Song zu arbeiten als wir die Nachricht von seinem Tod bekommen haben. Ich wurde von einem Anruf von der New York Times geweckt, die mich über den Tod von Juice ausgefragt hat. Daher war es ein krasser Prozess, diesen Song fertig zu machen und ihn jetzt auf dem Album zu haben. Ich weiß nicht, ob es der letzte Song von Juice WRLD ist, den wir haben, aber ich bin sehr froh, dass dieser auf dem Album ist. Ich bin der ganzen Familie von Juice WRLD und seinem Umfeld dankbar, dass sie cool damit waren und es geklappt hat. Wir vermissen Juice.

Siehst du dich in der Verantwortung, als etwas älterer und erfahrenerer Künstler, ein Auge auf die jungen Rapper in deinem Umfeld, wie jetzt zum Beispiel 24kGoldn zu haben?
Ja, das kann man so sagen. Ich fühle mich vor allem dafür verantwortlich, sie zu den Künstlern zu machen, von denen ich selbst Fan bin. Darum kümmern sich zu wenige Leute, jemand sollte diesen Kids eine Chance geben, also übernehme ich das. Ich gebe ihnen Möglichkeiten und wir konzentrieren uns darauf, den nächsten Drake, den nächsten Future hervorzubringen. Ich jage den großen Namen gar nicht nach, auch wenn mit ihnen zu arbeiten toll ist. Aber uns geht es hier eher um Künstlerentwicklung.

Euer Album heißt ja auch »B4 The Storm« daher gehe ich davon aus, dass noch viel folgen wird. Was sind die nächsten Schritte für Internet Money?
Im Moment sind wir schon dabei, das nächste Album zu machen. Hoffentlich ist es Anfang 2021 schon fertig. Du weißt, wir arbeiten schnell. Aktuell bin ich eher im Inspirations-Prozess, wo ich mir verschiedene Songs und Artists anhöre und mich inspirieren lasse. Ich will auf jeden Fall die Richtung für das nächste Projekt finden, ehe wir die Sache beschleunigen, uns einschließen und wieder alles in einem Monat fertigstellen.

Gönnst du dir jemals eine Auszeit?
Nicht wirklich. Das ist komisch zu sagen, aber für mich fühlt sich das nicht nach Arbeit an. Ich liebe es, die Musik zu machen, sie zu hören, den Vibe zu spüren. Für mich fühlt es sich nicht wie ein Job an. Für mich hört es sich ziemlich trostlos an, auf einer Insel zu sitzen und nur zu relaxen. Ich würde die ganze Zeit versuchen, Leute zu erreichen, um zu schauen, wie es mit der Musik vorangeht, und sie würden vielleicht nicht antworten, weil sie wissen, dass ich ja im Urlaub bin. Ich würde das hassen.

Immerhin bringt dir die Musik auch Geld. Trotzdem gut, dass es für dich keine Arbeit im klassischen Sinn ist.
Ich nehme Musik ernst und weiß auch, wie wichtig sie ist. Ich weiß, dass sie ein wichtiger Teil im Leben vieler Leute ist, alleine schon bei Hochzeits- oder Beerdigungssongs. Ich freue mich, wenn Musik große Bedeutung hat. Deshalb mache ich Musik lieber als irgendetwas anderes.

Zum Abschluss: Welchen Rapper, der noch unter dem Radar fliegt, sollte man im Auge behalten?
TyFontaine. Er ist auch ein paar Mal auf dem Album drauf. Er ist mehr als ein Rapper, es ist ein Pop-Künstler. Mit ihm versuchen wir jetzt diese Art von Musik zu machen, die sich Leute in zwei Jahren anhören wollen.

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