Shlohmo – Dark Red // Review

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Shlohmo-Dark-Red-Album-01(True Panther Sounds)

Wertung: Vier Kronen

Schon zum Einstieg kreischen und sägen die Synth-Leads um die Wette, als wollten sie warnen: Hier herrscht ein rauer Umgangston. Und tatsächlich sollte man es sich nicht zu gemütlich machen. »Dark Red« ist mal gleißendes Neon- und mal Infrarot, oft beides gleichzeitig – und manchmal auch komplette Dunkelheit. Das zweite Album des experimentierfreudigen Shlohmo aus Los Angeles behandelt auf einer Stunde Spielzeit in langen Atemzügen die Produzenten-Avantgarde und das Hardcore Continuum aus ungewohnter Perspektive. Er will nämlich gar nicht den Eindruck erwecken, wahnsinnig innovativ und futuristisch neue Grenzbereiche zu erschließen, sondern collagiert klar identifizierbare Versatzstücke mit einer solchen Hingabe, dass man sich fühlt, als habe man ungehinderten Blick auf Shlohmos gesamte musikalische Sozialisation. Ungestüme Jungle-Breakbeats wechseln sich ab mit dahinkriechendem Dubstep, Illbient und HipHop, sie streifen durch das, was man in den Neunzigern einmal IDM nannte: Squarepusher, Autechre, auch Aphex Twins Ambient-Phase. Ganz beiläufig streift Shlohmo damit modernen, erkalteten R’n’B ebenso wie das brachiale Sounddesign eines El-P, ohne je seinen Maschinenpark aus den Achtzigern zu verlassen. Alles rauscht und flirrt, ist hier zerbrechlich dünn, dort komprimiert und übersteuert. Diese ungeschönte Ästhetik verstärkt noch den anfänglichen Eindruck, ein altes Tape eingelegt zu haben, das seit 15 Jahren im Handschuhfach lag. Und doch klingt Shlohmo nach einer Weile nicht nur zufällig wie ein untoter, böser Verwandter von Noah Shebib, Illangelo, Clams Casino oder Arca. Gerade dass der subtile Link zur Gegenwart nur selten so eindeutig wie in »Ditch« oder »Beams« hergestellt wird, macht »Dark Red« als Referenzsuchspiel und Retro-Fingerübung so interessant. Lässt man all die Theorie beiseite, bleibt ein schroffes Äußeres, dessen innere Ruhe und Schönheit erst entdeckt werden möchte. Ein Wohlfühlalbum ist »Dark Red« nicht, aber es lohnt sich, Freundschaft zu schließen. Am Schluss bleibt sowieso nur Rauschen.

PS: Das komplette Album gibt’s im Stream bei den Kollegen der New York Times

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