Gestern hat Mac Millers Familie auf seinem Instagram-Kanal angekündigt, dass am 17. Januar sein neues Album »Circles« erscheinen wird. Die musikalische Verantwortung für das Album trägt Jon Brion, der zusammen mit Mac Miller an seinem letzen Album »Swimming« gearbeitet und in dieser Zeit bereits erste Aufnahmen für »Circles« angefertigt hat. Beide Alben sollten einander ergänzen und mit unterschiedlichen Stilen nach dem Konzept »Swimming in Circles« funktionieren. Viele Fans äußern sich in den sozialen Netzwerken positiv über die Ankündigung und sind gespannt auf die Fortführung von Mac Millers Diskographie, allerdings finden sich unter den Kommentatoren auch einige, die Mac Millers Familie vorwerfen, mit dem neuen Album eine Möglichkeit für mehr Profit gefunden zu haben. Solche Vorwürfe sind nicht unbegründet, denn posthume Veröffentlichungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass solche Releases komplizierte moralische Fragen aufwerfen.
Mehr Profit oder eine Fortführung der Legacy?
In den letzten Jahren gab es leider gleich mehrere Beispiele von Rappern, die bereits in ihren Zwanzigern gestorben sind und sich noch mitten in ihrer Karriere befanden. Lil Peep starb mit 21 Jahren, XXXTentacion mit 20 und auch Juice Wrld war erst 21 Jahre alt, als er im Dezember letzten Jahres verstarb. Während diese Todesfälle schlichtweg tragisch sind, sind die Rapper aufgrund hoher Fanzahlen für die Musikindustrie weiterhin wertvoll. Von XXXTentacion und Lil Peep sind jeweils zwei posthume Alben erschienen, die exemplarisch zeigen, wie unterschiedlich mit dem Tod von Rapstars umgegangen werden kann und welche Probleme posthume Releases mit sich bringen können.
Im Fall von XXXTentacion wurden die beiden posthumen Studioalben »Skins« (2018) und »Bad Vibes Forever« (2019) veröffentlicht und sorgten für große Diskussionen. Viele Songs wirkten so unfertig und skizzenhaft, dass es fraglich wurde, ob es im Sinne des Rappers war, sie zu releasen. Gerade »Bad Vibes Forever«, das 25 Titel lang ist und mit Features von Rick Ross, über Lil Wayne, bis zur Rockband Blink-182 gespickt ist, wirkt eher wie eine Verwertung aller möglichen Ansätze der Musik, die XXXTentacion hinterlassen hat, als eine Würdigung und Weiterführung seines Schaffens.
Lil Peeps erstes posthumes Album »Come Over When You’re Sober, Pt. 2« wirkt dagegen nicht wie ein Fremdkörper, der im Nachhinein unter seinem Namen releast wurde, sondern wie die legitime Fortführung seiner Kunst. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Lil Peep bereits zu Lebzeiten mit düsteren Gedanken spielte und den eigenen Tod offen in seiner Musik thematisierte. Auf dem zweiten posthumen Album »Everybody’s Everything« fanden sich unter anderem unveröffentlichte Songs und frühere Soundcloud-Uploads, die ebenfalls eine lebhafte Erinnerung an den Emorapper erzeugen konnten.
Über den posthumen Releases beider Künstlern schwebt die Frage, ob es richtig und in ihrem Sinne ist, neue Musik zu veröffentlichen. Bereits im Voraus ist klar, dass diese Veröffentlichungen noch einmal für Gesprächsstoff und gute Einnahmen sorgen werden, nur sollte das nicht die einzige Grundlage sein, aufgrund der man die Entscheidung über posthume Veröffentlichungen trifft.
Das Lebenswerk vollenden
Dieselbe Frage stellt sich auch bei Mac Millers »Circles«. Die Art und Weise, wie posthume Alben entstehen, wer die Veröffentlichung kommuniziert und gutheißt, von wem die Musik federführend fertiggestellt wird und aus welchem Kontext heraus sie entsteht, ist entscheidend. Mac Millers Familie scheint das zu verstehen und trägt diesem Umstand in ihrem Statement Rechnung: »This is a complicated process that has no right answer. No clear path. We simply know that it was important to Malcolm for the world to hear it.« Auch Mac Miller spricht auf »Swimming« persönliche Probleme an, thematisiert schädlichen Drogenkonsum und zeigt sich im Video zu »Self Care« in einem Sarg, in den er den Schriftzug »Memento Mori« ritzt. Umstände, die den Tod kurz nach der Veröffentlichung des Albums umso bitterer erscheinen lassen, ähnlich wie bei Lil Peep und Juice Wrld.
Jon Brion arbeitete in dieser Phase bereits an beiden Alben von Mac Miller mit und ist zusammen mit Malcolms Familie eine der Personen, denen es am meisten zuzutrauen ist, seine Intentionen verstanden zu haben. Zudem war er direkt in den musikalischen Prozess eingebunden und ist daher in der besten Position, diesen ohne Mac Miller fortzuführen. Insbesondere da »Swimming« und »Circles« als sich ergänzende Alben funktionieren sollten, ist es nicht nur legitim, sondern gutzuheißen, dass dieser Prozess nun posthum vollendet wird. »Circles« ist nicht als Release gedacht, das Geld in die Kasse spülen soll, es soll Mac Millers Lebenswerk vollenden.
Die ersten Eindrücke des Albums
Unser Autor Juri Andresen war bereits bei einer Listening-Session zu »Circles« in London zu Gast, bei der auch Jon Brion anwesend war und darüber gesprochen hat, wie er Mac Miller erlebt hat. Dort wurde deutlich, dass Mac Miller im nun posthum erscheinenden Release noch mehr mit verschiedenen Genres experimentierte und seiner Stimme mit Gesangsparts mehr Raum gab. Juri beschreibt »Circles« als ein Album, das von der Liebe und Leidenschaft zur Musik durchzogen ist und zusammen mit »Swimming« als Ganzes verstanden werden muss. Damit ist »Circles« eine Vollendung, die Mac Miller auf »So It Goes«, dem letzten Song von »Swimming«, bereits andeutet: »Just like a circle, I go back to where I’m from.«
Foto: Brick Stowell