»Bei ‚Ballonherz‘ habe ich noch geträumt« // Olson im Interview

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Er legte das »Rough« aus seinem Namen ab, unterschrieb bei Universal und wurde zum Dauergast auf den Szenepartys der Hauptstadt: Olson. Als er 2014 sein Debütalbum »Ballonherz« aufsteigen ließ, mutierte der einstige »Rudeboy« der »Neuen Reimgenera­tion« als »James fucking Dean« zum Prototyp dessen, was man damals abfällig »Hipster« nannte. Das Internet dankte mit Memes, die Fans mit einem Album auf Platz fünf. Vier Jahre später trägt Oliver Groos, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, zwar immer noch angesagte Sneaker und einen Undercut, übt sich aber mehr in Zurückhaltung. Sein zweites Album »Oh Wow« verhandelt nicht mehr die großen Träume, sondern die kleinen Freuden – Erwachsenwerden nennt man das wohl.

Dein letztes musikalisches Lebenszeichen, die Single »Lieblingssongs« mit Lary, kam vor einem Jahr raus. In welchem Stadium befand sich »Oh Wow« damals?
Ganz ehrlich: Ich hatte schon zwei Alben fertig produziert – und wieder verworfen. (lacht) Ein Jahr nach »Ballonherz« habe ich mich wieder mit verschiedenen Produzenten an Songs gemacht, so wie vorher. Das Problem war: Die Songs klangen dann auch so wie vorher. Das hat mich nicht glücklich gemacht, ich wollte mich musikalisch ­weiterentwickeln. Mit diesem Entschluss habe ich mir mein Leben aber erst mal zur Hölle gemacht, weil ich keinen Schimmer hatte, wie das aussehen sollte. (lacht) Auf der Suche nach neuem Input wusste ich dann irgendwann immer weniger, was genau passieren soll. Und dann ist erst mal ordentlich Zeit vergangen. »Lieblingssongs« war beim Release schon anderthalb Jahre alt und hatte verschiedene Versionen mit verschiedenen Sängerinnen durchlaufen. Am Anfang war das nur ein ganz ehrlich gemeinter Piano-Loop. Jetzt spricht der Track zwar ein breiteres Publikum an, hat mit der Ursprungsidee aber nichts mehr zu tun.

Ist diese Version etwa nicht ehrlich?
Doch klar, es ist ja derselbe Text und auch dieselbe Melodie. Aber das puristische Grundgerüst, was »Lieblingssongs« mal war, wollte halt gar nichts. Im Prinzip war es eher ein Störgeräusch. Jetzt, ähm, schmeichelt der Track den Ohren ja sehr.

»Ballonherz« hatte auch viele »schmeichelnde« Pop-Arrangements. »Oh Wow« fällt dagegen recht minimalistisch aus.
Ich habe irgendwann angefangen, selbst zu produzieren. Bei »Ballonherz« habe ich den Beatgees immer über die Schulter geguckt, nur aus Interesse und mit gar keiner Ambition, selbst zu produzieren. Klar, mit 16 habe ich auf Fruity Loops auch meine eigenen Beats gemacht, aber das ist schon viele Jahre her. Ich erinnere mich auch gar nicht mehr an den Auslöser, aber irgendwann in den letzten Jahren habe ich mir Logic gekauft und zuerst nur Scheiße produziert. Das wurde mit der Zeit aber besser – Beats machen ist ja kein Hexenwerk. Der Drumgroove ist eigentlich das Wichtigste in Kombi mit einer schönen Akkordfolge, da passiert bei mir auch viel im Affekt. Mein Gedanke währenddessen war auch immer: »Okay, ich baue hier jetzt diese Skizze und dann kommt nochmal jemand ran, der es geil macht.« Es war aber jedes Mal so, wenn jemand meine Beat-Skizze »geil« machen sollte, dass der Track seinen Charme verloren hat. Am Ende habe ich beschlossen, es so minimalistisch zu lassen.

»Existenzängste sind ein permanenter Begleiter«

Bist du Kompromisse eingegangen, die du heute bereust?
Nein, ich fand »Ballonherz« zum Entstehungszeitpunkt richtig geil! Das ist jetzt aber vier Jahre her. Mein persönlicher Geschmack geht nun eher auf Understatement-Songs, die nicht immer mit so einem riesigen Schlag im Refrain aufgehen. Generell wird gerade alles etwas reduzierter, das hat sich mit »Work« und »One Dance« so eingebürgert. Dass mein Album so aufgeräumt ist, hat sich einfach ergeben. Ich habe nicht zwischen Reagenzgläsern eine Formel herausanalysiert.

Wie hast du die Reaktionen aus HipHop-Kreisen auf »Ballonherz« wahrgenommen? Man hat sich ja ein bisschen über dich lustig gemacht.
Es ist nichts Falsches, wenn man gleichermaßen gut und scheiße gefunden wird. Ich finde es jedenfalls nicht schlimm, scheiße gefunden zu werden. (lacht) Wir haben damals aber auch vieles bewusst überzeichnet: Im Video zu »Mein kleines Hollywood« wird die Wüste zum Beispiel gefegt und alles ist in Bonbonfarben. Anscheinend war das für viele zu abstrakt. Die Leute dachten wohl, dass ich mich wirklich für James Dean halte, obwohl ich in dem Song sage, dass ich eigentlich voll das Loser-Leben führe à la »Hauptsache die Haare liegen«. Schau, im Endeffekt wollen wir alle Anerkennung und Lob, aber wenn ich mich für einen bestimmten Weg entscheide, tue ich das bewusst und nehme solche Reaktionen in Kauf. Das ist eben mein Geschmack. Wenn ich auf Nummer sicher gehen wollte, hätte ich einfach vier Afrotrap-Songs auf mein Album gepackt.

Wenn du heute darauf zurückblickst: Wie viel »Ballonherz«-Olson steckt noch im »Oh Wow«-Olson?
Der Kern ist derselbe, aber ich will heute nicht mehr so viel. Bei »Ballonherz« habe ich noch ein bisschen mehr geträumt und fand alles mega aufregend: die Musikindustrie, auf irgendwelchen Partys rumstehen etc. Heute habe ich da gar keinen Bock mehr drauf. Das war ein schleichender Prozess. In den letzten anderthalb Jahren habe ich nicht mehr so häufig nach Gründen zum Feiern gesucht, sondern wollte lieber dieses Album fertigmachen. Es ist ja auch immer dasselbe: Dieselben Leute, mit denen du dich über nichts unterhältst und die dich jedes Mal fragen, was mit deinem Album ist. Daraus hat sich bei mir so eine Anti-Party-Stimmung entwickelt – und das fühlt sich sehr gut an.

»Ballonherz« hat sich viel mit Sehnsuchtsorten beschäftigt. »Oh Wow« verhandelt nun eher Rückzugsorte.
Weißt du, ich komme aus einem 7.000-Seelen-Dorf, wo man mir vorgelebt hat, ich müsse Abitur machen, studieren gehen und einen vernünftigen Beruf ergreifen. Dem bin ich immer gefolgt, einerseits, um meine Eltern nicht zu enttäuschen, und andererseits dachte ich wirklich, das machen zu müssen. Deswegen bin ich auch erst mit 25 aus diesem Dorf rausgekommen und hatte in den ersten Berlin-Jahren viel Nachholbedarf, bin meinen Träumen hinterhergerannt: meine Idole treffen, bei Universal gesignt sein, auf dem splash! spielen. Irgendwann kam aber nichts Neues mehr. Da habe ich gemerkt, dass die Dinge, die mir gut tun, nicht immer die Dinge waren, die ich mir erträumt habe. Ich sitze lieber mit drei Freunden in der WG-Küche, anstatt mit hundert Fremden zu raven.

Du sagst auf dem Album, dass du eine Therapie gemacht hast.
Ich war irgendwann an einem Punkt, wo ich von Angstzuständen geplagt war, mit In-Ohnmacht-fallen und Alles-in-Frage-stellen. Die Therapie war nur eine Sitzung, die allerdings einiges bewirkt hat, weil der Therapeut direkt wunde Punkte getroffen hat – dafür wollte ich ihm fast ins Gesicht hauen, ich bin da sehr aufgeladen rausgegangen und wollte danach auch nie wieder hin. Im Nachhinein habe ich aber festgestellt, dass er total recht hatte. Darauf konnte ich dann aufbauen, die Angstzustände sind weggegangen. Früher war ich sehr egoistisch, jetzt mache ich mir auch mal ein paar Gedanken um meine Mitmenschen. Ich dachte erst, der Therapeut sei ein Arschloch, aber heute weiß ich: Das war ein unglaubliches Genie, dieser Typ! (lacht)

Der Song »Drama« sticht etwas ­heraus, darauf geht es um kurzweilige Liebschaften und unberechenbare Lebensstile. Ab welchem Zeitpunkt ist man des Künstlerlebens eigentlich überdrüssig?
Der Gedanke, mich aufs Dorf zurückzuziehen und ein einfaches Leben zu führen, ist auf jeden Fall da. Aber die Ausführung würde mich sehr unglücklich machen. Wenn du selbstständiger Musiker bist, stehst du permanent unter Leistungsdruck, weil du dich um alles selbst kümmern musst. Manchmal verkalkulierst du dich, dann kommt die Steuer und die Hälfte ist weg. Existenzängste sind dein permanenter Begleiter. Das ist anders, als wenn du in einem Angestelltenbeschäftigungsverhältnis stehst.

Du könntest auch Influencer werden, aber bisher passiert auf deinen Social-Media-Kanälen auffällig wenig.
Das ist ein bisschen Absicht. Ich drehe ungern Videos. Schließlich habe ich mich nicht dazu entschieden, Schauspieler oder Model zu werden, sondern Musiker. Wenn ich aber nichts zu erzählen habe oder keine neue Musik da ist, kommt mir das vor, als würde ich mich nur um der medialen Präsenz willen anbiedern. Klar, ich könnte ein Foto von ner Süßkartoffel-Bowl posten, aber was hat das mit mir und meiner Musik zu tun? Letztens bekam ich eine Anfrage von einem Erfrischungsgetränkehersteller, der mir gutes Geld für ein Product Placement zahlen wollte. Wenig später stellte sich heraus, dass die mein Gesicht auf die Etiketten drucken und mich zum offiziellen Markenbotschafter machen wollten. Da bin ich raus, auch weil ich das Getränk niemals trinken würde. Da reicht auch das Argument Geld nicht. Wenn ich ein gutes Foto habe, teile ich das auch, aber ich tue mich superschwer damit, mir das Handy selbst ins Gesicht zu halten.

Du bist jetzt über dreißig. Gibt es ein Alter, in dem man zu alt ist zu rappen?
Nein, davon habe ich mich mittlerweile völlig frei gemacht. Das hat ein bisschen gebraucht, was aber wohl auch damit zusammenhängt, dass wir in einer Zeit leben, wo gefühlt jede Woche ein 19-jähriger Rapper rauskommt, der richtig krass ist, und man sich so denkt: »Oh, jetzt muss ich mich ranhalten!« Letztlich kommt es darauf an, worüber du rappst. Wenn ich mit vierzig noch ausschließlich über Rap rappe, wird es möglicherweise etwas schwierig. Aber solange du das, was dich bewegt, in einer authentischen Art und Weise kommunizierst, wirst du auch mit fünfzig rappen können. Wenn’s gut ist …

Foto: CMS Source

Dieses Interview erschien in JUICE #188. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Shop bestellen.

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