Nazar – Irreversibel // Review

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Nazar

(Chapter ONE / Universal Music)

Wertung: Vier Kronen

Im zehnten Wiener Bezirk, einer Gegend, in der Araber Asia-Buffets servieren, hat dieses Album seinen Nährboden. Dort bist du Produkt deiner Umwelt – und zwar »irreversibel«, unumkehrbar. Du kannst zwar raus aus dieser Gegend, aber die Gegend bekanntermaßen nicht aus dir. Auch bei Nazar hat sich Druck aufgebaut, den er nun mit düsterem Dampf in die Straßen Österreichs entlädt. Was das Woodkid-eske Intro bereits ankündigt, erstreckt sich (von der einen oder anderen gefühlsbetonten Ausnahme mal abgesehen) bis zum Ende der Platte auf bedrohlichen Beats. Strapazierte Trap-Trends samt Autotune lässt Nazar dabei weitestgehend links liegen. »Irreversibel« trägt die Klangfarbe schwarz, bumst sich durchs Rotlichtmilieu und flext in gesetzlichen Grauzonen. Dieser Lifestyle kostet natürlich Kraft und Nerven. Doch Nazar ist kein Wiener Würstchen, er fletscht die Zähne. Das Auffressen seiner Wider­sacher hat ihn noch lange nicht saturiert. Und so trifft sich der Mann mit der abgrenzenden »Aura eines Gartenzauns« auch mal mit dem Teufel auf ein Happy Meal. Metaphern wie diese gewähren Einblick in die Psyche des Verstoßenen, der heute als Erwachsener auch selbst auszugrenzen weiß. So resümiert er nur kurz über die Verflossene, die Suche nach wahrer Liebe und die schwer vermisste Heimat, bevor er auf dem treibenden Beat von »Hokus Pokus« wieder den Kopf deiner Mutter aus dem Hut zaubert, um Stärke zu demonstrieren. Auch dann, wenn es gar nicht nötig wäre. Der friedlich kiffende Rastafari gerät dabei ebenso zum entbehrlichen Feindbild wie Menschen in weißen Nikes. Doch der »Generation Darth Vader« ist’s eben kalt in der Brust. Nazars ewiger Struggle hat ihm zu einer gewissen Fitness verholfen, der Wiener flowt heute präzise und zeichnet starke Bilder – stets auf, und oft auch über Augenhöhe seiner Feature-Gäste Kurdo, Sido, Milonair und Mosh36. »Irreversibel« ist ein stabiles Straßenprodukt, das das Genre nicht neu erfindet, aber verschiedene Kostbarkeiten zu bieten hat.

Text: Jan Burger

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