»Manche können den Regen spüren. Andere werden nur nass«, soll Bob Marley einmal gesagt haben. Und ja, es ist genau diese empfindsame Sehnsucht nach dem Ende der Dürrezeit, die eindringliche Gottesbitte auf den kühlenden Wolkenbruch nach der drückenden Nachmittagshitze, die aus dem Moabiter Vorzeige-MC in über zehn Jahren einen Vollblutmusiker geformt hat. Megaloh ist der »Regenmacher«. Phoenix-gleich erhoben aus den Trümmern seiner Vergangenheit, erkennt der 35-Jährige auf seinem zweiten Major-Album, dass Pop kein Versprechen, sondern eine Verheißung ist. »Sie fragen, kann ich inzwischen von der Mucke leben?/Könn’ mir noch immer um vier Uhr morgens im Bus begegnen«. Megas Karriere ist der symbolische Balanceakt zwischen der illusorischen Traumfabrik des Showbiz und der kräftezehrenden Fließbandrealität des Arbeitsalltags. »Ich allein hab’ diesen Weg gewählt, Mucke machen/Der erste Sohn, das heißt Familiendruck, ich muss es schaffen/Reicht meine Luft noch für die Schlussetappen?«, heißt es dazu auf »Was ihr seht«. Die Wurzel steckt in der ritualisierten Suche, es geht um Wege, nicht um Ziele. Der Hörer wird zum Teil eines Tribe Called Quest, den Megaloh im schamanischen Gestus um Voodoo-Runen (sogenannte »Veves«) und Erlösungssehnsucht zur Kreuzung zu führen gewillt ist. Jener entwaffnend ehrliche Erzählkasus von »Endlich Unendlich« ist noch einmal verdichtet worden, Mega ist nicht mehr nur der Lieblingsrapper deiner Lieblingsrapper, sondern sieht sich, im positivsten Sinne, als Mann des Volkes. Selbst auf einer subtilen HipHop-Hommage wie »Wer hat die Hitze« knotet er seine schwindelerregenden Reimketten immer in einen greifbaren Bezugsrahmen: Herkunft, Hingabe, Hoffnung. »Streben nach Glück, ich jage, werd’ nur vom Warten müde/Morgens im Lager, tagsüber Studio und abends Bühne« – call it Malochermucke. Doch sinniert man hier weder auf esoterischen Zwischenwelt-Gemeinplätzen oder mittels Durchhalteparolen über eine mögliche Working-Class-Revolution, sondern stellt sich der geerdeten Verantwortung des Erwachsenenlebens. Die ethnografische Collage aus organischem Neo-Soul und klassizistischem Rap-Sound von »Endlich Unendlich« ist auf »Regenmacher« noch verspielter und selbstbewusster. Ghanaian Stallion, KAHEDI und Farhot kombinieren Funk, Jazz oder afrikanische Folklore mit zeitgeistigem Rapverständnis zu einem Pfad, der von »Sorrow, Tears & Blood« über »Illmatic« quasi direkt zu »To Pimp A Butterfly« führt. Ein Pfad, den Mega mit so unterschiedlichen Features wie Trettmann, MoTrip, Patrice, Tua, Jan Delay oder Joy Denalane wie selbstverständlich zu einem Power-Patchwork knüpft. In Voodooritualen ist eine der zentralen Figuren der Vermittlergeist Legba, ein Pfortenwächter zwischen Dies- und Jenseits, in etwa vergleichbar mit Petrus. Wenn »Endlich Unendlich« ein Befreiungsschlag war, dann ist »Regenmacher« der anschließende Brückenschlag. Durch den Schleier des Monsuns. Immer »Geradeaus«.
Text: Fionn Birr