Kritikfreie Zone und zufriedene Fans: Warum der Soundclash polarisert // Kommentar

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Rap fesselt alle Altersklassen

Rund 20 Minuten Musik sind beim Soundclash in Stuttgart gespielt, als es die drei Männer neben mir aus ihren Sitzen reißt. Loredana hat gerade die Bühne betreten, sie performt ihren Überhit »Jetzt rufst du an«. Wir sitzen im sogenannten Pressebereich in der Schleyer-Halle (dort arbeitet niemand, Insta-Story-Befüllung mal ausgenommen) und blicken aus der obersten Reihe des Oberranges runter auf die langgezogene Bühne.

Wir, das sind eine Handvoll Journalisten (Grüße an die Backspin-Crew!), viele Influencer, Freunde der Künstler, Fans und vor allem Menschen, die irgendwie mit dem Getränkehersteller verbandelt sind, der die ganze Show präsentiert. Die drei Männer neben mir, allesamt easy über 40 Jahre alt, sprechen gerade noch über die Weihnachtsfeier ihrer Agentur, die anscheinend Dinge für ebenjenen Getränkehersteller tut, bevor sie zusammen mit Loredana die Hook durch die Halle tragen und fleißig filmen. »Kann man mal machen auf ’nen Dienstag«, sagt einer. Auch die Hooks von Summer Cems »Tamam Tamam« (»Super Typ!«), Apache 207’s »Roller« (»Ist das geil«) oder »Keine Liebe« von Rin und Bausa werden textsicher wiedergegeben, die Kids haben vor der Bühne so oder so ihren Spaß und moshen immer mal wieder zu Tracks von Rin, Juju oder der KMN Gang.

Die Szenen verdeutlichen live und analog, was das Internet eh schon allen Beobachtern bewusst gemacht haben dürfte: Deutschrap, das ist zurzeit DAS Genre in Deutschland. Szenestars gibt es längst nicht mehr. Wer im Mainstream von Deutschrap angekommen ist, ist im Mainstream der deutschlandweiten Musiklandschaft angekommen – und wird von Kids, Erwachsenen, Kindern und Eltern, Auskennern und Playlisten-Streamern oder Gelegenheits-Radiohörern gefeiert.

Fragwürdige Umstände spielen keine Rolle

Der Soundclash, das wird schnell klar, erfüllt für die Fans der zahlreichen Künstler ihren Zweck. Sie bekommen solide bis ulkige (Bausa als EDM-DJ) und auch gute Performances zu sehen. Einem Battle gleicht die Show eh nicht, die Künstler kooperieren mehr miteinander, ein Sieger wird nicht gekürt. Der absolute Großteil des Publikums nimmt aus der ziemlich glatten, aber dramaturgisch nicht verkehrt aufgebauten Show einen Mehrwert mit, so scheint es.

Das sei diesen Menschen gegönnt – doch die Szenerie in der Halle darf nicht die Unannehmlichkeiten vergessen machen, die dieser Soundclash mit sich bringt. Der Chef des Getränkeherstellers, Dietrich Mateschitz, äußerte in jüngster Vergangenheit mehrfach rechtes Gedankengut. Mit Bausa droppte der Star des Abends zuletzt indiskutable, frauenverachtende Lines wie »Ich lasse keine Hurentocher ungefickt/ Alle wollen meinen Dick/ sogar Lesben werden umgedreht« oder »Sie wehrt sich dagegen, aber ich knack‘ sie«. Auf der Bühne fragt er an diesem Abend Summer Cem, ob der nicht die Bitches, die er in der ganzen Republik hätte, später in seinen Backstage vorbringen könnte – »auch die Hässlichen«. Puh, eklig.

Der Soundclash wird weiter polarisieren

Kritik daran gibt es nicht, die Masse feiert. Die über 14.000 Fans haben schlichtweg Spaß an der Musik, sie singen die Lieder aus voller Kehle zusammen mit ihren Lieblingskünstlern. Es geht um Party und eine gute Zeit, für den Rest ist in diesem von Kritik befreiten, extrem harmonischen Setting kein Platz. Das ist schade, aber auch das gute Recht der Fans. Es verhindert aber auch einen größeren Diskurs. Denn wenn selbst auf der Bühne offen zur Schau gestellter Sexismus ohne Folgen bleibt, wenn 15.000 Menschen in einer ausverkauften Halle die Songs feiern, für Einnahmen sorgen und sich die Omnipräsenz der Marke lohnt, dann wiegt die Kritik aus den Sozialen Medien für die Entscheider hinter den Kulissen nicht nur weniger, dann wiegt sie gar nichts mehr. Die Möglichkeit, die Künstler selbst vor Ort nach ihrer Verbindung zur Marke oder vereinzelten Inhalten zu befragen, gibt es nicht.

So hinterlässt der Soundclash 2019 einen aalglatten Eindruck, der musikalisch sicherlich einen Mehrwert für Fans der Künstler bietet, zeitgleich aber auch das Bild eines merkwürdigen Safe Spaces vermittelt, der dringlichst frei von negativer Energie bleiben muss. Für die einen erfüllt das den Zweck, bei den anderen verfestigt sich das negative Bild des Formats nur weiter. Der Soundclash wird wohl nie zu einer Veranstaltung werden, hinter der ganz Deutschrap stehen kann. Das muss er wohl aber auch gar nicht. Denn Rap ist längst viel zu groß dafür, als dass nur Rap-Fans Veranstaltungen wie diese tragen würden. Shoutout an die drei Atzen zu meiner Linken.

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