»Könnt ihr uns hören?«: Nix mit Hollywood – Frankfurt, Brudi! // Feature

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Foto: Katja Kuhl

Götz Gottschalk: Auch wenn sie Beef hatten und ihre Musik sicher als komplett unterschiedliche Stile definieren würden: Was 3p und die Fantas geeint hat, war der unbedingte Wille zu großem Entertainment.
Moses Pelham: 3p hat von Anfang an eine gesunde Portion Wahnsinn ausgezeichnet: »Ich brauch nen Hubschrauber!» – »Echt?« – »Ja, brauche ich.« – »Einen richtigen?« – »Ja.« – »Warum?« – »Na, hast du das schon mal in einem Video gesehen?« – »Nee.« – »Siehste!« Im nächsten Video musste es dann neben dem Hubschrauber auch noch ein Flugzeug sein … »Höha, schnella, weita« eben.

Eko Fresh: 3p kamen major rüber. Die Musik, aber auch die Videos waren high end produziert, alles hat sich total Ami-mäßig angehört. Das fand ich sehr beeindruckend.
Moses Pelham: Wir hatten einfach große Lust, immer noch einen draufzusetzen. Das war, als ob man den Schlüssel zu einem Süßigkeitenladen bekommt und einfach durchdreht. Dabei ist natürlich ganz klar, dass so etwas irgendwann an seine Grenzen stoßen muss. Heute finde ich das genaue Gegenteil, also eine Reduzierung, manchmal viel spannender.
MC Rene: Moses hatte damals schon einen guten Geschäftssinn. Durch einen fast werblichen Slogan wie »Wenn es nicht hart ist, ist es nicht das Projekt« hat er dem Ganzen – trotz der Härte in den Texten – einen Zugang gegeben und es somit auf ein neues kommerzielles Level gehoben. Moses ist das Ding nicht wie ein Rapper, sondern wie ein Produzent angegangen. Da hat auch optisch alles zusammengepasst.

»Jay-Z stand bei meiner Show immer im Graben und hat mich mit ‚Go, Bri!‘ angefeuert. Wyclef hat mir bis vor ein paar Jahren immer Weihnachtskarten geschickt.« – Sabrina Setlur

Audio88: 3p war eigentlich die Blaupause für das, was im Nachhinein Aggro Berlin angerechnet wird. Dass ein Label einen Look und einen krassen Qualitätsstandard hat, stammt von Moses Pelham. Diese Schwarz-Weiß-Ästhetik der Videos war überkrass – und ist es im Grunde bis heute.
Ralf Theil: Die hatten Bodyguards auf der Bühne stehen, alles war breitschultrig und übertrieben. Dieser Springerstiefel-Look und Samples von den Böhsen Onkelz waren natürlich recht platte Provokation, aber irgendwie war es voll geil und sehr wegweisend für Dinge, die erst viel später passiert sind. Moses und 3p haben viele Sachen zum ersten Mal gemacht und damit Standards geschaffen. Neue Artists auf Songs introducen zum Beispiel.
Moses Pelham: Thomas, ein paar Freunde und ich sind über Silvester zum Skifahren nach Obertilliach gefahren, mit einem Bus der Bäckerei Huck aus Rödelheim, mit Sommerreifen. Wir haben uns für die Fahrt ein Tape gemacht, das wir immer und immer wieder gehört haben. Timo war ein Freund von uns, der mit Rap gar nichts am Hut hatte. Aber er hat auf der Fahrt so oft unseren Song »Reime« gehört, dass er irgendwann angefangen hat, den Song auf Sächsisch mitzurappen. Dabei kam mir die Idee, ihn auf einem Track zu featuren. Weil Sabrina beim Thomas auf der Schule war und rappen konnte, haben wir die auch noch mit auf den Song genommen. So ist »Wenn es nicht hart ist« entstanden.
Sabrina Setlur: Zu der Zeit war »Nuthin’ But A ‚G‘ Thang« von Dr. Dre der Shit. Das war meine Hymne! Der Song lief im Auto, als wir irgendwo hingefahren sind, und ich habe ihn beiläufig mitgerappt. Ich habe mir nichts dabei gedacht, aber Thomas hat das gehört und anscheinend gecheckt, dass ich das nicht einfach nur mitspreche, sondern auch rhythmisch kann und im Takt bleibe. Ich dachte erst, die beiden wollen mich verarschen – daher rührt auch dieser Spruch von dem Song »Ja, klar!«. Aber die haben mich richtig bearbeitet, und ehe ich mich versah, stand ich im Studio.

»Wie Schwester S. das auf Deutsch gemacht hat, war für mich perfekt. Die Sprache war hart asozial, aber sie lief trotzdem auf VIVA.« – Xatar

Moses Pelham: Ich habe für jeden der beiden acht Zeilen geschrieben. Die haben das eingerappt, und aus den drei Strophen – die als Songformat damals üblich waren – wurden vier. Daran merkt man schon, dass die Features von den beiden eher ein Appendix waren. (lacht) Die waren keine Rapper, wir wollten auch keine Artists aufbauen. Wir hatten einfach diesen Flash und wollten mal zeigen, was wir sonst noch so haben.
Sabrina Setlur: Ich habe diese Zeilen gekickt, aber das war es dann auch. Ich habe die Schule fertig und mein Abi gemacht. Aber es gab eine große Aufmerksamkeit für den Song. Moses und Thomas wurden während der Promo-Termine immer wieder auf mich angesprochen. So entstand die Idee, dass Schwester S. ein Projekt wird, und eins führte zum anderen.
Xatar: In den USA gab es schon genug Rapperinnen wie MC Lyte, Foxy Brown oder Lil Kim, die sich hart etabliert hatten. Wie Schwester S. das auf Deutsch gemacht hat, war für mich perfekt. Die Sprache war hart asozial, aber sie lief trotzdem auf VIVA. Ich meine, das war einfach eine Kanakin mit Bomberjacke, die geflowt hat.
Sabrina Setlur: Mein Name war Schwester S., weil ich eben die einzige Frau in der Gruppe war und im Grunde auch wie eine Schwester für die anderen. Was soll ich machen? Ich bin nun mal eine Frau … Aber in dieser Konstellation gab es eigentlich kein Geschlecht. Wir waren eins. Ich musste auch nie eine Frauenrolle spielen. Ich war halt Sabs. Wenn Leute gesagt haben »Du rappst? Als Frau?«, dachte ich nur: Ja, als was denn sonst?!
Nura: Das Krasse an Sabrina Setlur war, dass sie auch über total persönliche Sachen gerappt und sich dadurch verletzlich gemacht hat. Das kann man als Frau heute nicht mehr einfach so machen. Da gäbe es im Internet direkt voll die krassen Beleidigungen. Es ist eben so: Je mehr du von dir selbst zeigst, desto mehr glauben die Leute, dass sie dich fertigmachen und diese Sachen gegen dich verwenden können.
Katmando: Ich war viel in Frankfurt unterwegs und fand Schwester S. witzig. Irgendwann kam dann der Song »Ja klar«. Da wurde mir schlagartig klar, dass das noch mal eine ganz andere Dimension annimmt.

Moses Pelham: »Hier kommt die Schwester« war einfach noch unser normaler Film. Aber »Ja klar« hatte ein Potenzial, das die anderen Stücke nicht hatten. Das war ein ganz klares Pop-Ding, das auch irgendwelche Kinder erreicht hat. Während Rödelheim Hartreim Projekt manchen Leuten sicher nicht geheuer war, war Schwester S. love­able. Ich weiß noch, wie Sabrina Vorgruppe auf unserer zweiten Tour war. Nach dem Ende der Show sind die Leute regelmäßig ausgeflippt und haben »Rödelheim, Rödelheim« gerufen. Plötzlich mischte sich auch ein »Schwester S., Schwester S.« dazwischen. Da dachte man schon kurz: Moment mal, wer ist denn jetzt hier wer?! (lacht)
Sabrina Setlur: Für mich ist das alles nach wie vor wie ein Film. Das zog alles an mir vorbei. Selbst als der Anruf kam, dass ich auf die Eins gegangen bin, habe ich nicht gecheckt, was da eigentlich gerade passiert. Ich war Vorgruppe von den Fugees und Jay-Z, das war krass. Jay-Z stand bei meiner Show immer im Graben und hat mich mit »Go, Bri!« angefeuert. Wyclef hat mir bis vor ein paar Jahren immer Weihnachtskarten geschickt. Ich habe auch Vorgruppe für Michael Jackson gemacht, vor 75.000 Leuten.
Katmando: Das war unfassbar zu der Zeit. Die haben in jenen Jahren über eine Million Platten verkauft. Das kann man sich ja gar nicht mehr vorstellen.
Sabrina Setlur: Zum »S-Klasse«-Album 1997 haben wir die Journalisten für die Listening-Session in S-Klassen abgeholt und durch Frankfurt gefahren. Beim Echo haben wir sechsmal gewonnen. Wir sind immer wieder mit einem 3p-Koffer auf die Bühne gegangen und haben die Awards da reingepackt. Dafür haben uns viele Leute gehasst und ausgebuht, aber für uns war das einfach ein geiles Statement: ein bisschen amerikanisch, aber eben auch mit Augenzwinkern. Wir wollten damit niemanden vor den Kopf stoßen, sondern einfach feiern. Das war ja im Grunde ein riesen Ding für HipHop.
Koljah: Zu dem Zeitpunkt gab es keinen besseren Battlerap in Deutschland. Diese Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit waren sehr beeindruckend, und ich fand vor allem auch die Aggressivität verdammt cool. Ich habe direkt angefangen, so asoziale Raptexte zu schreiben, natürlich in hessischem Dialekt. (lacht)

Sabrina Setlur: Wir wurden damals stark für unsere Texte kritisiert. Klar war die Sprache derbe, und natürlich forciert man das Derbe oder auch das Hessische beim Rappen. Aber so haben wir damals eben gesprochen. Das war unser Slang. Was mich an den Medien immer geärgert hat: Sie haben bei uns jeden Text auseinandergenommen und auf die Goldwaage gelegt – die sexistischen, nicht politisch korrekten US-Texte haben aber keinen interessiert. Dadurch, dass wir auf Deutsch gerappt haben, wurde bei uns viel genauer hingeschaut.
Moses Pelham: Ich erinnere mich, dass die Bravo in bester Bildzeitungsmanier mal erklären wollte, dass 3p eine Sekte sei. Das war nun nicht unbedingt die Idee, die wir selbst von unserer Sache hatten. Aus dem Grund haben wir 1994 übrigens, lange vor dem Internet, eine Hotline eingerichtet, um direkt mit den Fans kommunizieren zu können, ohne den Umweg der Medien. Da stand einfach bei mir zu Hause ein Anrufbeantworter in der Wohnung, auf den wir gesprochen haben, woran wir gerade so arbeiten und wann die nächste Veröffentlichung kommt. Die Fans konnten da anrufen und sich das anhören. Später haben wir daraus einen Verein gemacht, den 3p Supporter Club.
Yassin: Trotz der Skandale war Moses, kitschig gesagt, immer ein Vorbild für mich – in dem Sinne, dass man das alles schaffen kann, wenn man nur will. Im Grunde hat ja alles gegen ihn gesprochen. Wenn Bushido heute die Steuerfahndung zu Besuch hat, ist das positive Presse für den, aber Moses Pelham war für den Mainstream damals einfach ein Arschloch. Ich fand es krass, dass der Typ immer weitergemacht und mit Xavier einen der größten deutschen Popstars geschaffen und produziert hat. Dass ich oder wir so weit gekommen sind, hängt sicherlich damit zusammen, dass ich als Kind von ihm beeinflusst worden bin.
Samy Deluxe: Ich hatte Moses & Co. schon auf dem Schirm. Als ab 1999 der Echo in Hamburg stattfand, haben wir vor der Show mit Xavier & Co. gekifft. Aber mit der Musik konnte ich nicht viel anfangen. Ich habe verstanden, warum das funktioniert, und fand auch Moses als Charakter cool. Aber das war ein anderer Anspruch an Rap als der, den ich hatte. Ich dachte halt: Die machen das für die Prolls und ich für die HipHop-Kids.
Koljah: Ich habe wegen Moses Pelham angefangen zu rappen. »Geteiltes Leid 1« ist vermutlich mein Alltime-Lieblingsalbum. Ich kann bis heute jedes Lied auswendig.
Xatar: Die HipHop-Szene hat 3p meiner Meinung nach nie den verdienten Respekt entgegengebracht. Aber ich habe das viel mehr gefühlt als alles, was zu der Zeit rauskam.

Text: Davide Bortot & Jan Wehn

»Könnt ihr uns hören? Eine Oral History des deutschen Rap« von Jan Wehn und Davide Bortot erscheint am 22.02.2019 bei Ullstein fünf und kann ab jetzt vorbestellt werden.

1 Kommentar

  1. Habe das alles aus erster Hand mitbekommen. Wir haben tatsächlich auch und gerade mit dem Spring Jam 1992 und 1994 Frankfurts Hip Hop inkl. Rap-Szene auch öffentlich geprägt, bevor es überhaupt eine wahrnehmbare gab. Zum ersten Mal gab es dadurch eine große internationale Vernetzung, auch im Stylewriting/Graffiti Art gerade auch für und in Deutschland, die unfassbarerweise bis heute nachwirkt.

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