KMN Gang: »Guck dir die Deutschrap-Szene vor uns und nach uns an: Da wurde viel übernommen.« // Titelstory

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»Kokaina« hat den Hype um euch erst so richtig auf die Spitze getrieben, oder?
Zuna: Da ist es explodiert.
Nash: Aber es gab vorher schon eine kritische Masse an KMN-Hörern.

Den Song hat wirklich jeder gehört – auch zehnjährige Kinder auf dem Schulhof. Wie steht ihr dazu, wenn so junge Menschen plötzlich eine Kokain-Hymne mitsingen?
Miami Yacine: Der Song wäre nicht so gut geworden, hätte ich mir über solche Sachen vorher einen Kopf gemacht. Ich bin nie davon ausgegangen, dass er so krass durch die ­Decke geht und ich damit kleine Kinder erreiche. Aber wenn man sich den Song anhört, geht es ja auch nicht nur um Kokain.
Zuna: Aber die Hook ist: »Zwei Kilo Kokaina, direkt aus Costa Rica.« (Gelächter)
Miami Yacine: Der Song sagt den Kindern aber nicht, dass sie Kokain dealen sollen.
Nash: Es ist Quatsch, dass Kinder wegen Musik damit beginnen, Drogen zu dealen. Kinder werden dadurch nicht versaut. Wenn Leute kommen und eine Vorbildfunktion fordern, dann denke ich mir nur: Kümmert euch erst mal um eure Kinder, investiert Zeit in die Erziehung. Aber geht uns nicht auf den Sack! Kinder werden nicht kriminell, weil sie unsere Mucke hören. Und auch nicht zu Amokläufern, weil sie »Counterstrike« spielen.

Vor »Kokaina« kam von dir, Yacine, lange keine Musik, obwohl 2014 schon ein Mixtape angekündigt wurde. Was hat dich aufgehalten?
Die Resonanz, die ich mir für die Musik gewünscht habe, gab es nicht. Da kamen gerade mal 5.000 Klicks zusammen – das war zu wenig. Das hat mich beschäftigt, und ich wollte meine Energie und Zeit nicht so krass da reinstecken, wenn es kaum einen interessiert – obwohl ich natürlich trotzdem immer weiter Musik gemacht habe mit meinen Jungs, die dann aber teilweise aufgehört haben. Eineinhalb Jahre habe ich alles komplett alleine durchgezogen. Es geht darum, hartnäckig zu bleiben. Ich wollte Erfolg nie erzwingen, aber ein hohes Niveau.

»Du musst als Ausländer einfach doppelt so gut sein wie ein Deutscher, um anerkannt zu werden.« – Miami Yacine

Wann hast du »Kokaina« geschrieben?
Das war Anfang 2016. Wir haben einen Proberaum in einem alten Bunker ohne Netz, da kann man fokussiert arbeiten. Zwei Tage habe ich dann für den Song gebraucht.

Bisher gibt es noch keinen Track zu viert. Arbeitet ihr als KMN Gang überhaupt mal alle zusammen im Studio?
Miami Yacine: Es kommt bald was!
Nash: Aber es ist okay, dass noch nichts gemeinsam veröffentlicht wurde. Die Leute sollen uns erst mal so wahrnehmen.
Miami Yacine: Trotzdem ist megaviel passiert. Die Jungs hatten schon ein gewisses Standing, und bei mir ging es nach »Kokaina« von null auf hundert.
Zuna: Dann waren wir auch noch auf Tour, Leute von uns sind in den Knast gekommen. Wir haben alle ja noch unsere privaten Probleme abseits der Musik. Aber wenn ich auf unseren Youtube-Kanal schaue, dann sind alle Songs so langlebig. Die bekommen jetzt noch jeden Tag extrem viele Klicks und pushen sich gegenseitig.

Themawechsel: Yacine, du hast 2012 den Song »Deutschland« veröffentlicht. In der Hook heißt es: »Deutschland hat uns im Stich gelassen.« Inwiefern?
Ich bin kein Typ, der gerne über Politik oder Religion redet. Das halte ich gerne im Privaten. Weil du mich aber darauf ansprichst, gebe ich dir eine kurze Antwort: Ich weiß nicht, wie es hier im Osten ist, kann also nur für NRW sprechen. Aber bei uns ist es so, dass du als Ausländer gefickt bist.

Wieso das?
Es gibt eine latente, unterschwellige Ausländerfeindlichkeit. Leute sagen dir das nicht straight ins Gesicht, aber behandeln dich indirekt schlechter. Das fängt schon an, wenn sie deinen Namen lesen. Du musst als Ausländer einfach doppelt so gut sein wie ein Deutscher, um anerkannt zu werden. Und selbst dann spürst du immer noch Ressentiments. Ein Kollege von mir studiert Medizin, und selbst der merkt das – genauso wie Polizisten mit Migrationshintergrund.

Zuna und Nash, ihr habt mal gesagt, dass ihr in der Schule Probleme hattet, weil Mitschüler da auch mal »Sieg Heil« gerufen haben. Nehmt ihr das jetzt ähnlich wahr wie Yacine?
Nash: In der Schule hat mich das vielleicht noch ­beschäftigt.
Zuna: Ich habe da schon immer drauf geschissen. Das sind solche Müllmenschen. Warum sollst du denen überhaupt deine Aufmerksamkeit schenken?
Nash: Wir wissen, wer wir sind. Ich brauche die scheiß Bestätigung von solchen Leuten nicht.

Wart ihr früher denn mit rechter Gewalt konfrontiert? In Dresden kann das ja schon vorkommen.
Zuna: Es gab viel Stress in der Disko.
Miami Yacine: Aber das hat an solchen Orten nichts mit dem Aussehen zu tun, oder?
Zuna: Doch, in Dresden schon. Diese aufgepumpten Menschen trinken ein bisschen Alkohol, und dann steigt der Hass in ihnen hoch.
Nash: Trotzdem juckt uns das Thema nicht. Wir haben unsere Jungs und chillen.

Seht ihr euch mittlerweile als Vorbild für die Leute, die, wie Yacine sagt, nur aufgrund ihres Nachnamens oder Aussehens in Deutschland benachteiligt werden?
Nash: Vor allem vermitteln wir, dass man es mit viel Arbeit schaffen kann. Uns hat es niemand einfach gemacht. Aber du musst einfach wissen, wer du bist, und darfst dir nicht von solchen Leuten einreden lassen, dass du weniger wert bist. In der Musik wollen wir das aber nicht konkret thematisieren, obwohl wir da natürlich über den Stress reden, den wir haben.

Ihr wolltet immer den Erfolg, jetzt ist er da. Fühlt sich dadurch irgendwas anders an?
Zuna: Ich versuche mich von dem ganzen Erfolg gar nicht groß beeinflussen zu lassen. Wir tun einfach so, als wären wir Untergrund, und arbeiten mit diesem Gedanken weiter.
Nash: Das interessiert uns nicht. Wir wollen einfach die Freshsten sein und das nächste Level erreichen.
Zuna: Oder den nächsten Style vorgeben.

Seht ihr euch als Trendsetter?
Miami Yacine: Auf jeden Fall!
Zuna: Guck dir mal die Deutschrap-Szene vor uns und nach uns an. Da wurde viel übernommen.
Nash: »Für die Familie« war ein Wendepunkt. Den Straßenrap mit durchgängigem Autotune-Effekt hat vorher keiner gemacht. Anfangs haben wir deswegen richtig viel Hate abbekommen – genau wie für »Meister Yoda«. Und jetzt ist jeder auf Autotune; selbst die, die es gehatet haben. Wir chillen, gucken uns das an und machen es wieder besser.
Zuna: Das wird die nächsten fünf Jahre so weitergehen. Deutschrap wird sich immer verändern.

Der einfachste Weg wäre erst mal das weitzerzuführen, was ihr geschaffen habt und was offensichtlich funktioniert.
Nash: Aber wir suchen immer das Neue.
Miami Yacine: Das Leben ist ein Prozess. Es geht immer weiter.
Nash: Außerdem hassen wir unsere Songs ganz schnell, wenn sie zu lange rumliegen.

Ihr könntet also nicht drei Jahre an einem Album arbeiten?
Nash: Auf keinen Fall. »Fast Life« ist zum Beispiel in zwei Wochen entstanden.

Zuna KMN
Foto: HEKS Sascha Haubold

Warum veröffentlicht ihr überhaupt noch Alben, wenn es eigentlich gar nicht das richtige Format ist?
Nash: Das liegt an der scheiß Musikindustrie, und das kotzt mich auch richtig an. Alben nerven und halten einen auf.
Zuna: Mit Alben triffst du nicht den Nerv der Zeit – das schaffst du nur mit Singles.
Nash: Wir sind davon überzeugt, dass Singles in Deutschland funktionieren können, aber hier sind die Leute nicht so weit. Und die Musikindustrie auch nicht. Die guckt auf irgendwelche Charteinstiege. Es gibt ein paar Konstanten, die man leider bedienen muss.
Zuna: Wir haben das mit »Mele 7« jetzt mal gemacht und hatten zwei Wochen lang fünf Prozent Marktanteil mit zehn Songs in den Single-Charts.

Wie würdet ihr es denn lieber handhaben?
Miami Yacine: Die Amis machen das killer. Gucci Mane droppt zum Beispiel so viel, das ist unglaublich.
Zuna: Aber die machen das halt sofort: von der Booth direkt raus in die Welt.
Miami Yacine: Dadurch ist alles viel aktueller. Hier wird immer ein Film so lange gefahren, bis er durchgefickt wurde.

Ihr seid trotzdem perfektionistisch und wollt nicht einfach einen halbherzig gemischten Song veröffentlichen, oder?
Miami Yacine: Doch, das mache ich schon. »Club Mile« habe ich zum Beispiel komplett gefreestylt.
Zuna: So entstehen auch die besten Sachen. Etwas direkt vom Studio rauszuballern ist cooler, als wenn du noch ewig daran rumbastelst.

Es hindert euch doch keiner daran, das immer so anzugehen.
Nash: Deswegen machen wir es auch manchmal so. (lacht)
Miami Yacine: Es muss natürlich trotzdem fresh klingen. Nicht jeder Versuch ist gleich ein Treffer.
Nash: Manchmal hast du abgespacete Phasen im Studio; denkst, du machst das krasseste Zeug, aber es ist nur irgendeine Scheiße. Zum Glück gibt unsere Musik uns keinen Rahmen.
Miami Yacine: Dieser Facettenreichtum gefällt mir auch am besten bei uns. Keiner klingt wie der andere. Jeder hat seinen Style. Ich würde behaupten, dass für jeden Raphörer was dabei ist.
Nash: Gestern habe ich mit Lucry gequatscht, und der meinte das auch. Was Flow angeht, ist Zuna heftig, aber technisch kann man Yacine nichts vormachen.
Zuna: Wortgewandtheit ist jedem von uns wichtig.
Nash: Aber Zuna nimmt den Beat wie kein anderer. Wir anderen haben schon Struktur in unseren Songs, aber er kommt in den Beat rein und wütet herum.
Zuna: Ich weiß ja selbst nicht, wie ich das mache. (lacht)
Miami Yacine: Und bei Azet kommt durch die Stimme immer so ein krasser Vibe. Egal, wer aus Deutschland mit denselben Texten auf dieselben Beats kommt – er wäre nicht so krass wie Azet. Niemals.

Weiter geht’s auf Seite 4: » Knast war für mich die gechillteste Zeit meines Lebens.«

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