KMN Gang: »Guck dir die Deutschrap-Szene vor uns und nach uns an: Da wurde viel übernommen.« // Titelstory

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Foto: HEKS Sascha Haubold

Zuna, Nash und Miami Yacine im Interview


Ganz am Anfang hatte Nash seine Crew Ghetto Stars. Azet hat ihm dann was vorgerappt und wurde auch ein Teil davon. Wie ist daraus KMN entstanden?
Nash: Ghetto Stars, das waren hauptsächlich Azet und ich. Irgendwann haben wir uns aber gestritten, die Crew hat sich aufgelöst und wir haben uns ein halbes Jahr nicht gesehen. Plötzlich kam er mich aber mit einem gemeinsamen Freund aus Hamburg besuchen und wir saßen wieder im selben Raum. Damals war ich schon dabei, mit Insider [ehemaliges KMN-Mitglied; Anm. d. Verf.] KMN zu gründen. Seitdem waren wir zu dritt unterwegs, und 2010 kam das erste Mixtape. Wir haben da hundert CDs pressen lassen und uns gefühlt wie die Krassesten. (lacht) Auf der Releaseparty haben wir dann Zuna kennengelernt.
Zuna: Ich hatte damals noch meine eigene Gang. Hart am Limit hieß die. (lacht) Aber wir haben uns irgendwann auseinandergelebt. Danach habe ich zu Hause mit Headset ein paar Songs recordet und irgendwann Nashs großen Bruder kennenlernt. KMN hatten da schon Videos rausgebracht, und ich dachte, das sind voll die Stars. Dann bin ich irgendwann zu deren Releaseparty gekommen und habe Nash gezwungen, sich meinen Song anzuhören. Dort haben wir ein bisschen »geschmust« und ab da alles zusammen gemacht. (lacht)

Yacine, bei dir ging es in der Zeit auch los. 2010 hast du dein erstes Mixtape »Dortmunds letzte Chance« veröffentlicht.
Miami Yacine: Meine Jungs und ich haben früher immer aus Spaß gefreestylt, wenn wir auf Partys oder in der Stadt waren. Aus Spaß wurde dann irgendwann Ernst. Die Leute haben mitbekommen, dass wir rappen können, und wir haben begonnen aufzunehmen – am Anfang noch mit einem Singstar-Mikrofon. (lacht)

Und kurz darauf hast du mit Freunden dann deine damalige Crew Mile High Club gegründet. 2012 kam ein Sampler.
Genau. Ganz am Anfang habe ich aber bei einem Kollegen aufgenommen, der im Haus nebenan gewohnt hat. Der hatte ein AKG-Mikro. Dort und in einem Jugendzentrum bei uns sind die ersten richtigen Tracks entstanden.

Das sind ja zwei Welten. Wie bist du, ­Yacine, denn zu KMN gekommen?
Den ersten Kontakt hatte ich mit Zuna. Das ist eine verrückte Story: Mein kleiner Bruder hat dreieinhalb Jahre im Knast gesessen, und die Leute dort sind übertrieben informiert, was deutschen Rap angeht. Ein Kumpel hat ihm da einen Song von Zuna gezeigt, und als mein Bruder rausgekommen ist, meinte er zu mir, dass ich mal mit denen connecten soll.
Zuna: Der Song hieß »Grüße an die Cops« und kam 2015 zu »Planet Zuna«-Zeiten raus, weil das SEK wegen des Trailers zum »Fuck The Police«-Video, in dem Waffen zu sehen waren, meine Wohnung gestürmt hat.
Miami Yacine: Ich habe das krass gefeiert und kannte so was nicht von Deutschrap – dieses Melodische. Es war nicht so stumpf, abgehackt und auf 35.000 Reime fixiert wie die meisten Songs damals.

Selbst da war die Arbeit mit Autotune in Deutschland noch ziemlich verpönt. Yacine, du hast aber schon vor sieben Jahren mit dem Effekt gearbeitet. Wie kam das?
Miami Yacine: Bei uns in Marokko gibt es eine Musik, die nennt sich Raï. Da arbeiten alle mit Autotune – sogar, wenn sie live auftreten.
Zuna: Aber in Marokko findet das ja nicht nur in der Popmusik statt, sondern auch bei Folklore-Liedern.
Miami Yacine: Stimmt. Das ist bei uns schon immer Standard, und davon habe ich mich zu meinem ersten Autotune-Song inspirieren lassen.

Also hast du dir deine Inspiration nicht von anderen Rappern geholt?
Gar nicht. Die großen Rapper, die heute in Deutschland Autotune nutzen, waren damals noch nicht relevant. Viele Migranten wissen, dass die arabische Musik aus dem Maghreb schon sehr lange mit dem Effekt arbeitet.

Nash, dein Release »Aspirin« als Jesse Jamal, und Zuna, deine »Hinter der Rayban«-EP, haben um 2013 dann ja auch schon mit dem Effekt gespielt.
Miami Yacine: »Aspirin«? Das kenne ich ja gar nicht. (lacht)
Zuna: Das sind Sachen, die will man einfach nur vergessen.
Nash: Wir hatten einfach Bock darauf! Uns ist Deutschrap damals zu langweilig geworden.
Miami Yacine: Dann kam David Guetta und hat HipHop gefickt. Damals war echt eine Dürrephase.

Das müsst ihr erklären: Wie hat David Guetta denn HipHop gefickt?
Miami Yacine: Der hat die ganzen US-Rapper genommen, Snoop Dogg zum Beispiel, und mit ihnen Hits produziert. Deutschrap hatte in dieser Zeit aber keine Linie; nichts, wonach man sich gerichtet hat. Und David Guetta hat alles zerstört.
Nash: Wir hatten die ganze Zeit schon Lust auf Autotune, mussten aber die Umsetzung perfektionieren. Dann hat Zuna einen Riesenschritt gemacht. »Für die Familie« war eigentlich auf einen Trap-Beat gedacht, ist dann aber ganz anders geworden.
Zuna: Aber bevor das alles passiert ist, also vor »Hinter der Rayban«, haben wir uns alle erst mal abgefuckt, weil »Malboro« von Azet nicht rauskam. Der hatte einfach keine Lust mehr darauf. Trotzdem sind wir in den Kosovo geflogen, um Azets erstes Video zu »Koka« zu drehen. Direkt danach ist er in den Knast gekommen, und deswegen haben wir meine Projekte erst mal vorgezogen. Als »Planet Zuna« draußen war, kamen schon die ersten Anrufe von Leuten, die irgendwas wollten: treffen, über Musik reden. Das hat mich motiviert, und dann habe ich innerhalb von einer Woche die »Richtung Paradies«-EP geschrieben. Gleich danach ging’s schon los mit dem Album, ich habe angefangen, auf harte Trapbeats zu schreiben, dann aber auf die Melodie von »Für die Familie« gefreestylt und es direkt besser gefunden.

Yacine, wann bist du dann das erste Mal mit den anderen ins Studio gegangen?
Miami Yacine: Das war, bevor »Fast Life« veröffentlicht wurde. Im Juli 2016 bin ich zu KMN gestoßen.

Davor warst du in der Dortmunder Szene aktiv, hast dich aber schon früher öffentlich beschwert, dass es dort wenig Support gibt. Warum ist das so?
Dortmund und generell NRW ist ein Ballungszentrum, da gibt es viel Neid und Missgunst, weil da Großstadt an Großstadt liegt. Kaum ein Rapper gönnt dir was. Es war wirklich schwer, sich da durchzusetzen. Dich unterstützt keiner.

Gab es vor den ersten Erfolgen einen ­Moment, an dem ihr frustriert darüber wart, dass eure Musik keine Früchte trägt?
Nash: Nein, gar nicht. Wir waren immer davon überzeugt, dass es klappt. Es war nur die Frage, wann.
Zuna: Du musst einfach besser werden, dann hören die Leute irgendwann auch deine Musik. Wenn du als Künstler nicht selbst davon überzeugt bist, dass du der Beste bist, dann wird’s auch nichts.
Nash: Wir haben die ganze Zeit unseren Style gefahren. Frustration gab es da nicht. Wir sind in den Erfolg irgendwie reingerutscht. Das kam einfach.

Azet meinte auch, dass ihr wusstet: ­»Irgendwann werden wir Stars«. Jetzt ist das real geworden.
Miami Yacine: Meine Jungs und ich wussten schon immer, dass wir die Freshsten sind. Wir haben Sachen probiert und über den Tellerrand geschaut. Wir wollten nicht bloß auf einem Style festhängen und den dann ewig durchziehen. Ich hatte aber damals nie die Chance, mich zu beweisen, weil mich keiner unterstützt hat. Ich habe aber andere Rapvideos gesehen, die erfolgreich waren, und mir nur an den Kopf gefasst.

Mittlerweile werden alle eure Videos von FATI.tv aus der Schweiz produziert, und ihr seid in die Prozesse involviert. Warum funktioniert diese Zusammenarbeit so gut?
Miami Yacine: Bei uns passiert vieles spontan. Es ist immer ein Unterschied, ob du dir krass viel für ein Video überlegst oder einfach loslegst. Das merken die Zuschauer. Das wirkt locker und unverkrampft. Dazu gibt’s die schönen Melodien. Das ist …
Nash: …gechillt, Mann. Wir haben keinen Stock im Arsch! Das Video muss den Style des Songs einfangen. Bei »Für die Familie« ist das so krass. Das Video packt den Song in Bilder. Oder bei »Kokaina«. Die Szene am Pool hat das Video ja ausgemacht – die ist auch spontan entstanden.

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