Kings Of HipHop: The Streets // Feature

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Mit den Alben »Original Pirate Material« (2002) und »A Grand Don’t Come For Free« (2004) drückte The Streets nicht nur britischer Popmusik seinen Stempel in Form eines Clipper-Feuerzeugs auf. Die Musik zwischen UK Garage und Rap, die Delivery zwischen Singen und Sprechen von Mike Skinner und seine Storys über das Leben von Geezers kamen internatio­nal an. Nach dem vorläufigen Ende von 2011 ist The Streets zurück – mit energiegeladenen Konzerten, neuen Tunes und voraussichtlich einem neuen Album 2019.

Mike Skinner steht auf der Bühne, sprüht Schampus ins Publikum und wirft sich selbst in die Menge. Es wirkt, als sei The Streets nie weg gewesen. Das Video, das der Produzent, MC und Kopf von The Streets auf seinem Instagram-Profil geteilt hat, zeigt Ausschnitte eines Konzerts im April 2018 in Berlin – dem ersten Auftritt seit sieben Jahren. Solche Bilder hat vor wenigen Jahren wohl niemand erwartet. 2011 erklärte Skinner das Ende von The Streets; ein Ende, dessen Finale fast ein wenig spät kam – das könnte man zumindest meinen, wenn man Skinners Aussagen dazu liest. In einem Artikel für die britische Tageszeitung The Guardian anlässlich des fünften und vermeintlich letzten Albums »Computers And Blues« zog er 2011 Bilanz, fand kritische Worte zu den Vorgängeralben und meinte, dass ihm die Ideen für The Streets ausgegangen wären. Ende 2017 kündigte der heute 40-Jährige dann überraschend eine Tour an. Wenig später erschien mit »Burn Bridges/Sometimes I Hate My Friends More Than My Enemies« die erste Single von The Streets seit über fünf Jahren – und damit auch neues Material. Und das war’s wohl noch lange nicht. Das Clipper-Feuerzeug, das alle Cover von The Streets-Platten ziert, ist zurück – vergoldet.

The Streets hat Popmusik in Großbritannien nachhaltig beeinflusst. Das 2002 erschienene Debütalbum »Original Pirate Material« des Projekts um Mike Skinner klingt auch heute, 16 Jahre nach seiner Veröffentlichung, wie nichts was davor oder danach kam, und prägte mindestens eine Generation über die Inselgrenzen Großbritanniens hinaus. Dabei wollte Skinner eigentlich nur Musik für seine Peers aus Birmingham machen. Die Stadt in der Mitte Englands wird unter anderem wegen ihrer Einwohnerzahl als »second city of the United Kingdom« bezeichnet. In seiner Reportage über Rap in Birmingham für Noisey namens »The Unstoppable Rise Of Birmingham Rap« sagt Skinner, dass es sich musikalisch eher wie die vierte oder fünfte angefühlt habe, als er dort aufgewachsen ist.

The Streets hat Popmusik in Großbritannien nachhaltig beeinflusst. Das 2002 erschienene Debütalbum »Original Pirate Material« des Projekts um Mike Skinner klingt auch heuteE Wie nichts was davor oder danach kam.

Von Anfang an ist The Streets am ehesten mit der Person Mike Skinner identifizierbar. Auf »Original Pirate Material« taucht allein sein Name in den Credits auf, obwohl unter anderem auch die Stimmen der Sängerin Jackie Rawe (»It’s Too Late«) und des Künstlers Kevin Mark Trail (bei »Let’s Push Things Forward«) zu hören sind. Trail und Johnny »Drum Machine« Jenkins werden immer wieder als Mitglieder von The Streets genannt, wirken aber eher wie Kollaborateure. The Streets ist abgesehen von Live-Konzerten eine One-Man-Show. Gesicht und Stimme war immer Mike Skinner.

Ende der Neunziger-, Anfang der Nullerjahre stand Musik in Großbritannien an einer Kreuzung. Aus dem musikalischen Melting Pot war in den Jahren zuvor aus Rave-Musik und jamaikanischer Soundsystemkultur ein Break-Gewitter aufgestiegen, das sich in Jungle entlud. Als Gegenstück zum düsterer werdenden Genre entstand UK Garage – Clubmusik, die auf einer Spielart von House aus New York und New Jersey aufbaut. Aus einem ehemaligen Parkhaus in New York City war 1977 »Paradise Garage« geworden, einer der angesagtesten Clubs der Stadt. Die Musik, die der DJ Larry Levan dort auflegte, eine Mischung aus Soul, Funk, Disco, Post-Punk und früher elektronischer Musik, war maß- und namengebend für das später entstandene Genre Garage House.

Die Musik landete mit DJs aus den USA in Großbritannien, wo sie in den Neunzigerjahren mit UK Rave und Soundsystemkultur zu einer neuen Form verschmolz. Bei UK Garage standen andere Sachen im Mittelpunkt als bei Jungle oder später Grime. Champagnerflaschen wurden geleert, Joints geraucht, die Crowd stylte sich auf, beliebte Modelabels waren Moschino und Versace. Es ging um Hedonismus, auch in den Texten der Sänger und MCs. »Grime-Journalisten aus der Mittelklasse haben darüber geschrieben, wie albern und unrealistisch Champagner-Lifestyle-Texte waren, aber das war genau das, weshalb die Crowds bei den Partys waren«, schreibt Mike Skinner in einem Artikel über UK Garage für The Guardian von 2013. »Wer will am Wochenende zum Struggle tanzen? Die ersten Leute, die Garage gefeiert haben, waren dort, weil sie den Diskussionen über Geld und wer wen falsch angeschaut hat entfliehen wollten.«

Anfang der Nullerjahre kommt eine jüngere Generation in die Clubs. Statt Designerklamotten tragen sie Themen der Straßen in die Clubs, wollen mit Sneakern, Trainern und Caps ans Mic und sich in MC-Clashes beweisen. UK Garage wird von Produzenten zertrümmert und auf stählern klirrende Beats auf 140 BPM reduziert, die eher klaustrophobisch und aggressiv klingen als locker und happy. Wo UK Garage mit Popstars wie Craig David und Ms. Dynamite die Charts-Abzweigung einschlägt, nehmen Grime-Crews wie Roll Deep, N.A.S.T.Y. Crew oder Pay As U Go die entgegengesetzte Richtung.

»You’re listening to The Streets/ Lock down your aerial«

Skinner findet in dieser Umbruchphase Anfang der Zweitausender seinen eigenen Weg. Der Sound von The Streets ist ein Amalgam – nicht nur Garage, nicht nur Grime, nicht nur Rap. »Ich wusste, dass das, was Pay As You Go (sic!), More Fire, Roll Deep, Wiley, Dizzee und Kano zu der Zeit gemacht haben, einfach eine andere Art dessen war, was ich gemacht habe. Beides ist aus Garage heraus als eine Art UK-HipHop 2.0 entstanden, der seinen Minderwertigkeitskomplex gegenüber den USA verloren hatte«, schreibt Skinner in dem Buch »The Story Of The Streets«.

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