Kings Of HipHop: Future // Feature

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Futures Musik war radikal modern. Das alleine rechtfertigt sein Platz in dieser Kategorie, macht ihn zu einem King Of HipHop. Future ging es nie um ausgefeilte Technik, krasse Reimmuster, Streber-Shit. Er trug nie ein Notizbuch mit Texten in seinem Rucksack durch die Gegend. Wenn er einen Rucksack dabeihatte, hätten sich darin Drogen befunden, sagte er einmal.

Von HipHop-Nostalgikern wird aber gerne vergessen, dass Future und seine Nachkömmlinge durchaus einer historischen Linie im Rap folgen. Schon Das EFX und Bone Thugs-N-Harmony konzentrierten sich mehr auf Harmonien und Melodien als auf alles andere. Und auch schon bei Bone Thugs konnte man nicht alles verstehen. Oder bei ODB. Wer jedes Wort vom Ol’ Dirty Bastard verstanden hat, der schütte die Rocks aus seinem Backpack und werfe den ersten Stein.

Und inhaltlich? Ohnmacht den Umständen und den daraus resultierenden Gefühlen gegenüber sowie die Flucht in vermeintlich schutzbringende Ismen (Hedonismus, Nihilismus) und die direkt darauf folgende Ernüchterung einschließlich Depression, Selbsthass und erneuter Ohnmacht. »Damn, I hate the real me/Tryna find a true love, you can’t compare/I’m tryna get high as I can«, heißt es auf Futures gerade erschienenem »Beat Mode 2«. Kurz flackert sie nochmal auf, die Suche nach der Liebe. Doch direkt im nächsten Satz findet sie nur einen einzigen Ort, an dem sie überhaupt noch existiert: im High.

In ein ähnliches Horn blies Future schon auf dem »Monster«-Track »Hardly«: »Wash the molly down with cham­pagne/Wash the xanny down with syrup, yeah/Hope it take away all this damn pain.« Und am prominentesten klingt die Sucht nach dem Rausch im Refrain von Futures bislang größtem Hit »Mask Off«, wo alles aufs Maximum reduziert zusammenfließt in einem simplen »Percocets, Molly, Percocets«.

High am Boden

Der Track »Mask Off« streicht 2017 vierfach Platin ein, hält sich acht Wochen in den Charts. In diesen acht Wochen sterben laut Statistik jeden Tag 91 US-Amerikaner an den Folgen einer Überdosis an Opiaten und artverwandten Wirkstoffen. Die USA stecken mitten in einer Drogenepidemie. Vorne mit dabei: der Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten wie eben Xanax oder Percocets, dessen Basis die Kombination des Schmerzmittels Paracetamol und des Opioids Oxycodon ist. Lil Peep stirbt ziemlich genau ein halbes Jahr nach dem Release von »Mask Off« an einer Überdosis verschiedener Beruhigungsmittel.

An dieser Stelle ist nicht genug Platz, um über die Ursachen zu sprechen. Hier soll es um Rap gehen. Und um Future im Speziellen. Aber die Symptome kann man durchaus mal thematisieren, denn keine andere Kunstform stellt sie so offen für ein Massenpublikum zur Schau wie Rap. Und Future im Speziellen.

Vom alten HipHop-Credo »Check yourself before you wreck yourself« sind nur noch die beiden letzten Wörter geblieben. An der Spitze der sogenannten Urban Charts stehen immer häufiger Protagonisten, die in ihren Texten die Selbstzerstörung mal kultivieren (Lil Pump), manchmal auch kritisch thematisieren (Lil Uzi Vert), immer aber neben dem unbedingten Willen zum Gelderwerb in den Mittelpunkt stellen (auch hier wieder: Der Zusammenhang zwischen besessenem Kohlemachen und wie verrückt Drogen ballern muss an anderer Stelle besprochen werden).

Ein weiterer Slogan, dem sich Rapper wegen ihrer unweigerlichen Zuneigung zu Tony Montana eigentlich immer verschrieben hatten, lautet: »Never get high on your own supply.« Charlamagne Tha God, Co-Host der Hot-97-Radiosendung »The Breakfast Club«, fragt Future sogar mal: »Was ist eigentlich daraus geworden, nicht die eigenen Waren zu konsumieren?« Future antwortet darauf schelmisch, er habe nie Codein verkauft.

Der die Charts dominierende Rap denkt nicht an die Zukunft. Future & Co. träumen nicht mehr, sie halluzinieren. Sie erschaffen keine Utopien, sie erschlaffen in von der Droge bereitgestellten Fluchtmöglichkeiten, verlieren sich in den lila Wolken des Eskapismus. Und man darf nicht vergessen: Dieser Rap hat ja nicht nur ausschließlich der Musik wegen einen so großen Erfolg, sondern, weil die Hörer die in den Texten dargebotenen Empfindungen nachfühlen können. Weil sie selbst nicht an die Zukunft denken können. Weil es weht tut, an die Zukunft zu denken. Wie soll sie schon aussehen? Am leichtesten kann man sich den Weltuntergang vorstellen.

Die Flucht zieht sich durch Futures Œuvre wie ein lila Faden: Am Anfang flüchtete er sich auf einen anderen Planeten, dann in die Liebe. Doch »Pluto« ist lange her, das Astronautenthema ist durch und von der Liebe ist nur noch Bitterkeit übrig. Seitdem gibt es in seinen Lyrics nur noch eine Richtung: Nach oben via Drogen oder, wie er es selbst formuliert: »Tryna get as high as I can.« Wo es früher im R’n’B oft hieß: Mir geht es hervorragend, ich bin genau der Richtige für dich, heißt es inzwischen vor allem: Mir geht es beschissen, und ich bin der Richtige für absolut niemanden (und damit für jeden).

Future ist das populärste Spiegelbild einer ganzen – mangels besserem Begriff – Generation; der sogenannten Generation Turn-up, weil der ganze andere Scheiß so hart abturnend ist. Doch das Perfide daran ist: Future fühlt sich die meiste Zeit gar nicht so beschissen, wie er oft suggeriert. Aus vielen Interviews geht hervor, dass er einfach nur rappt, was die Leute hören wollen. Er sagt, er wisse, dass sein Publikum von ihm »some off the wall shit« erwarte.

Vielleicht ist Future also doch der König, den wir wollen. Es ist diese Lust an der Verzweiflung oder die verzweifelte Lust in Futures Musik, die so anziehend ist. Und es spricht für ihn, dass man nicht einfach über ihn schreiben kann, denn ein großer Künstler erfasst die Welt intellektuell oder emotional und gibt ihr Wesen auf eine eigene Art und Weise wieder. Und die Welt ist nicht einfach, das ist sie nie gewesen. Wie widersprüchlich sie ist, das hat in seiner ganzen Dimension erst die Postmoderne offengelegt. Und Future und dessen Musik sind ganz und gar Kinder dieser Zeit. Future erfasst sie nicht mit dem, was man schlaue Worte nennen würde. Er macht sie fühlbar.

Text: Philipp Kunze
Foto: SONY Music

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #188. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Online-Shop bestellen.

1 Kommentar

  1. Überblick ist irgendwie etwas karg. Die prägenden letzten Jahre werden komplett ausgelassen. DS 2 nur am Rande erwähnt. Es wird auf seinen Einfluss nicht wirklich eingegangen, und nur seine angebliche Gefühlsebene und seine Zeilen über Drogen thematisiert (was nichts neues für Trap insgesamt ist). Am Ende wird das Ganze dann wieder in Frage gestellt, weil Future dann doch nur die Nachfrage bedient. Was ist denn nun richtig? Der zerrissene, leidende Eskapist, oder der kalkulierende Geschäftsmann?
    Wie sein Style eine Generation beeinflusst hat wird außen vor gelassen (von Medilamentenmissbrauch mal abgesehen).
    Das Ganze Feature liest sich wie eine Textskizze und wird dieser Kategorie nicht. Im Ansatz gerecht.

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