Kings Of HipHop: Drake // Feature

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Dass Drake auf Kriegsfuß mit Journalisten stand, maß seiner Social-Media-Präsenz eine völlig neue Bedeutung bei. Wenn man etwas von ihm erfahren wollte, dann ausschließlich über Twitter oder Instagram – und daraus machte er sich einen großen Spaß. Bei der Ankündigung seines ersten 2015er-Releases gab sich Drake richtig Mühe, es so aussehen zu lassen, als hätte er sich wenig Mühe gegeben. Er twitterte das per Paint hingekritzelte Cover mitsamt des Bestell-Links kommentarlos und ohne Vorankündigung. Der Titel »If You’re Reading This It’s Too Late« brachte es auf den Punkt. Aber was war das eigentlich? Ein Album? Ein Mixtape? Es war ein Mixtape, das wie ein Album vertrieben wurde – womit Drake seinen Cash-Money-Vertrag über vier Alben erfüllte. Clever, wenn man bedenkt, dass es beim Label gerade kriselte. Lil’ ­Wayne verklagte seinen Ziehvater Birdman auf 51 Millionen Dollar – unter anderem, weil er angeblich nie Gewinne aus Drakes Verkäufen gesehen haben soll. Auch Drizzy äußerte auf dem Tape Missmut über Cash Money: »Walk up in my label like, where the check though?« Die Abneigung galt aber nur Birdman, mit Weezy war alles in Butter.

Musikalisch wirkte »If You’re Reading This«, als hätte Drake nach »Worst Behaviour« kein Gegenmittel für seine Tollwut bekommen. Der Sound: Trap-inspiriert, skizzenhaft, aggressiv – und vornehmlich gezimmert von Boi-1da, der schon seit »Comeback Season« mit Drake zusammenarbeitete, aber zuvor nie so eine einnehmende Rolle bei seinen Releases spielte wie 40. Das Tape wirkte völlig unbefangen, war mit seiner Vielzahl an Beatchanges und von Donkey Kong bis Ginuwine reichenden Samples aber akribisch konstruiert. Nicht minder auffällig: Drake fing plötzlich an, ständig von »The 6« zu reden, ein Spitzname für seine Heimatstadt, abgeleitet von Torontos Ortsvorwahlen 416 und 647. Drake nannte sich jetzt den »6 God« und stellte seinen Patriotismus stärker in den Mittelpunkt, gar gab er Toronto mit »Know Yourself« eine eigene Rap-Hymne. Der Mixtape-begleitende Kurzfilm »Jungle« bot zwar hauptsächlich eine sehr interpretationsfähige Visualisierung von Drakes seelischer Verfassung, gleichzeitig spiegelte er dort aber auch in südwestkanadischer Mundart den Alltag in Toronto.

2015 kann als das Jahr bezeichnet werden, in dem Drake die Mechanismen des Internets ausklügelte. Nicht allein, weil er mit »If You’re Reading This …« genau die richtige Veröffentlichungsstrategie für die kurze Aufnahmespanne der Nutzer fand, sondern auch, weil er sich durch einen 19-Millionen-Dollar-Deal mit Apple Music ins Streaming-Geschäft einmischte und lernte, den Humor des Internets zu begreifen, gar zu seinem Vorteil zu nutzen. Es sei gesagt: Drake-Memes haben Tradition. »Drake the type of guy to …«-Sprüche sind die HipHop-interne Antithese zu Chuck-Norris-Jokes geworden, und seine Schlenderpose aus dem »No New Friends«-Video wurde in jede noch so bekloppte Collage gephotoshoppt. Mit den unbeholfenen Tanzschritten in seinem »Hotline Bling«-Clip machte sich Drake, sicher ganz wissentlich, selbst zum menschgewordenen Meme. Und der Impact von Running Gags im Web ist letztendlich auch das, womit Meek Mill der Gnadenstoß verpasst wurde.

Meek Mill behauptete damals per Twitter, dass Drake seine Texte nicht selbst schreibe. Drake reagierte mit zwei Disstracks, »Charged Up« und »Back 2 Back«. Bis Nicki Minajs Gatte mit »Wanna Know« antwortete, vergingen ganze fünf Tage. Am Ende waren sich so ziemlich alle einig, dass Drake gewonnen hatte. Das lag zum einen an den besseren Sprüchen (»Trigger fingers turn to twitter fingers/You gettin’ bodied by a singin’ nigga?«), aber auch daran, dass Drake alle Meek-Mill-verhöhnenden Memes von den Kommentarspalten auf eine riesige Leinwand vor dem OVO-Fest-Publikum projizierte. Drake ließ seine Anhänger wissen: »Ich kriege genau mit, was ihr da im Internet macht. Postet weiter eure Bilder, und wir machen Meek gemeinsam den Garaus!« Und wenn Millionen Leute teilen und tippen, dass Meek Mills Karriere vorbei ist, dann glaubt das am Ende eben auch fast jeder. Aber was war jetzt eigentlich mit den Ghostwriting-Vorwürfen? In seinem ersten Interview nach über 18 Monaten mit dem Fader Magazin sagte Drake dazu: »Manchmal ist Musik eben ein kollaborativer Prozess.« Quentin Miller, der angebliche Ghostwriter, war da konkreter und behauptete, nie verdeckt für Drake geschrieben zu haben.

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