Bad Gyal: »Wenn ich dir meinen Arsch gebe, dann weil ich ihn dir geben will.« // Feature

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Im Frühling 2016 räkelt sich ein blondes Mädchen im Paris Saint-Germain-Trikot mit übergroßen Kreolen in einer Badewanne. Der Beat zu RiRis Dauerschleifen-Hit »Work» setzt ein, automatisch möchte man mitsingen, doch statt dem hypnotischen »Work, work, work, work, work«-Ohrwurm ertönt ein Autotune-verzerrtes »Pai, pai, pai, pai, pai«. Wer denkt, der Spanisch-Sprachkurs hätte irgendetwas gebracht, wird schlagartig enttäuscht – denn Bad Gyal singt und rappt auf Katalanisch. Was zunächst nach klischeehaftem, viralem One-Click-Wonder klingt, markiert die Geburtsstunde der »Reina del Trap Catalán« – der Königin des katalanischen Trap.

Katalonien, die autonome Gemeinschaft im Nord­osten Spaniens, ist nicht gerade für seine Rap­szene bekannt. Als kreatives Sammelbecken gilt die Hauptstadt Barcelona und die Musik, die überhaupt den Weg über die Ländergrenze hinweg findet, ist weitestgehend auf der zweiten Amtssprache Spanisch. Las VVitch und die P.A.W.N. Gang – damit hätte man das katalanische Trap­ertoire abgefrühstückt. Wenn man allerdings Gesamtspanien betrachtet, ploppen überall neue Gesichter auf der Mappa auf. Besonders spannend sind die jungen Rapperrinen mit (meist) feministischem Anspruch. Darunter Künstlerinnen wie Ms Nina, La Zowi, Blondie oder Tania Chanel. Eine davon ist: Bad Gyal. Doch das Catalán bleibt nicht (lange) ihr einziges Alleinstellungsmerkmal.

Alba Farelo, wie Bad Gyal bürgerlich heißt, ist in Vilassar de Mar aufgewachsen, einer Kleinstadt an der balearischen Meeresküste, die, wie sie erklärt, keinerlei Musikszene hat: »Jeder hält sich hier immer an den gleichen Orten auf und alle hören dieselbe Musik, aber immerhin konnte ich dadurch besser abgrenzen, was mir wirklich gefällt.« Alles, was sie hört, kennt sie aus dem Internet: »In Vilassar habe ich immer auf den Bartresen im Dancehall-Style getanzt und alle fragten sich nur: ›Was will dieses Mädchen an diesem kleinen Ort?‹« Auch das kreative Treiben im nur 25 km entfernten Barcelona, das aus Touristensicht clubmäßig nicht schlecht aufgestellt zu sein scheint und immerhin die Heimat innovativer Festivals wie dem Sónar oder dem Primavera Sound ist, beschreibt sie als langweilig. »Was HipHop und Trap angeht, ist es hier zwar viel besser, aber vor allem die Dancehall-Szene ist sehr klein. Hier gibt es keine richtige Clubkultur. Wenige Leute interessieren sich hier für die neuesten Sounds, wie es in anderen Metropolen der Fall ist.«

Den Spagat zwischen fantasievollen, speziellen Soundcloud-Tunes und katalanischer Kultur schafft die 20-Jährige durch astreine Autotune-Balladen in ihrer Muttersprache. Doch nicht nur das: Indem sie auch jamaikanische Dancehall-Einflüsse in ihre Musik integriert, gelingt es der 1997 geborenen Spanierin, sich von anderen Künstlern abzuheben – irgendwo zwischen Aneignung und Anerkennung. »Meine größten musikalischen Inspirationen kommen aus der goldenen Ära des Dancehall: Black Ryno, Shawn Storm, Vybz Kartel, Sheba, Gaza Slim – das ganze Portmore Empire. Als Kind habe ich außerdem viel Reggeaton gehört, Sachen wie Wisin y Yandel, Zion y Lennox, Daddy Yankee, Ñengo Flow, Gaona und so weiter.« Auch aus den Soundcloud-Sphären haben es ihr Künstler wie NAAFI, DJ Florentino oder Murlo angetan. Ihre Single »Jacaranda« wurde von Dubble Dutch produziert, der für einige Hits von Dancehall-Darling Popcaan verantwortlich ist.

All diese Einflüsse verarbeitete sie in ihrer Ende 2016 erschienenen Debüt-EP »Slow Wine«. Das Producer-Team Fakeguido und Plata aus der Nähe von Alicante und Palma de Mallorca liefern mit Trap-Beats in energetischen Dembow-Rhythmen die optimale Basis für Bad Gyals romantische Autotune-Hymnen. Den ersten Hype erfuhr sie durch katalanische Tracks wie »Indapanden« und »Pai«. Auffällig: Catalán hat sie auf der EP weitläufig abgelegt. Nun rappt sie in einer Mischung aus Spanisch und Englisch und wirft ab und an katalanischen Slang ein: »So papi come closer to me tonight, que yo tengo culo pa‘ rebotar« – einen bestimmten, gar marketingtechnischen Grund habe das Sprachen-Switching allerdings nicht. Mittlerweile wohnt Alba in Barcelona, wo gleichermaßen Spanisch und Catalán gesprochen wird. Daher entstehe ganz natürlich dieses Kauderwelsch. Das Englische komme von der Musik, die sie aktuell höre. Hauptsache, die Worte klingen melodisch. Wenn man so will: Kulturpluralismus ohnegleichen.

In ihrem allerersten Interview sagte Bad Gyal, sie mache Musik, um Frauen zu empowern. Wenn man sie heute nach ihrer feministischen Motivation fragt, sieht es komplizierter aus: »Ja, ich will immer noch Frauen stärken. Ich möchte meine Musik nur nicht als feministisch labeln, weil Leute verschiedene Definitionen von Feminismus haben. Wenn ich zum Beispiel einen Song mit expliziten Texten schreibe, der nicht unter deren Definition von Feminismus fällt, behandeln sie dich so, als würdest du dich verstellen oder lügen. Daher verzichte ich mittlerweile darauf. Aber ich brauche das auch nicht, damit die Leute es verstehen und die Musik genießen können.« Ihre Hauptthemen sind Geld, Party, Tanzen, Klamotten und Sex, manchmal auch ein bisschen Liebe. Auf »Dinero« singt sie »Si yo te doy mi culo es porque te lo quiero dar« – »Wenn ich dir meinen Arsch gebe, dann weil ich ihn dir geben will.« Nur ein Beispiel aus ihren durchweg Sex-positiven Lyrics. »Ich brauche Sexualität, um mich sexy zu fühlen und mich selbst zu lieben. Das äußert sich auch in meinem Tanz- oder Kleidungsstil.« Nicht umsonst nennt sie sich »Pussy k mana« – die Pussy, die die Regeln angibt.

Optisch sieht Alba wie eine Neunziger-R’n’B-Prinzessin aus. Mit diamantenbesetztem Choker, Trainingsjacke und kurzem Felltop erinnert sie in ihren durchstilisierten Musikvideos an die Ästhetik von Aaliyah und Destiny’s Child. Zwischen diversen Kleidungs- und Musikstilen, verschiedenen Sprachen, irgendwo zwischen Trap und Tapas: Bad Gyal ist die klassische Internet Native. Sie pickt sich aus allem, was sie sieht, das heraus, was ihr gefällt und kreiert dadurch etwas Neues. Adiós Genregrenzen, hola Bad Gyal. ◘

Text: Miriam Davoudvandi
Foto: Héctor Pozuelo, Javier Ruiz

Dieses Feature erschien zu erst in JUICE #181.

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