(Atlantic)
Rappen ist wohl die einzige legale Profession, in der man durch einen längeren Knastaufenthalt gleichzeitig sein Ansehen und seine Karriere ankurbeln kann. Man kann in Ruhe die Hantelbank drücken, vom Lean runterkommen und vielleicht endlich Sartre lesen, um seine Straßenweisheit mit schlauen Zitaten zu untermauern. Währenddessen warten die Fans sehnsüchtig darauf, dass man als bis ins Detail optimierter Rapterminator in Freiheit gelangt und den Musikmarkt wiedererobert. Für Atlanta-Legende Gucci Mane scheint diese Formel derzeit in Erfüllung zu gehen. Nach zwei Jahren hinter Gittern zimmerte Guwop in den ersten sechs Tagen seiner frisch gewonnenen Freiheit direkt sein neuntes Studioalbum »Everybody Looking«. Nun gucken alle zu, und das nicht nur wegen seines überraschenden Auftritts auf G.O.O.D. Musics »Champions«. Der Hundertmixtapesassa ist nicht mehr wiederzuerkennen. Mit Waschbrettbauch und klarem Kopf erklärt er den alten drogenabhängigen Gucci für tot: »Facing Prison, drug addiction/It’s like I’m battling with myself/I done shook up all my demons/Now I’m back to myself«, rappt er auf dem mit Drake-Feature versehenen »Back On Road«. Doch wer nun auf Albumlänge ein verwässertes, apologetisches Guwop-Abbild befürchtet, liegt falsch. Auch mit all der trappenden Konkurrenz macht ihm niemand vor, wer in Atlanta die ignoranteren Tracks schreiben kann. Auch auf »Everybody Looking« wird nach acht Alben und gefühlt zehn mal so vielen Mixtapes wieder geprahlt und geflucht – in höchster Konzentration, auf zähem Kickdrumgerumpel der Langzeitgefährten Zaytoven und Mike Will Made It. Und wenn der Drogenmissbrauch wegfällt, bleiben ja noch Autos, Geraubtes und Reichtümer, die den Wortschatz von Gucci Mane seit jeher beflügeln. Und während Guwops Dringlichkeit in den letzten Jahren zunehmend drohte, im purpurnen Getränk zu ersaufen, macht sich nun endlich wieder eine Intensität in seiner Stimme bemerkbar. »Everybody Looking« ist Guccis musikalische Rehabilitation und er wirkt nicht rückfällig. Willkommen zurück, Guwop!
Text: Lukas Klemp