Galv & S. Fidelity: »Um 15 Uhr ins Studio, um sieben Uhr morgens wieder raus« // Feature

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Wie wollen Rapper »next level shit« liefern, wenn sie sich nicht mal aus der eigenen Box trauen? Kein Thema für Galv: Während er behauptet, genau das abgeliefert zu haben, liegt auf der anderen Leitung mit S. Fidelity ein Produzent, für den HipHop eher stilistische Fußnote als künstlerische Maxime ist.

In London rappeln Baristas mit irgendwelchen Apparaturen, in Ecuador grüßen Menschen freundlich im Vorbeigehen. Mit Galv und S. Fidelity per Videochat zu sprechen und damit die Situation auch optisch erfassen zu können, hält die Internetverbindung nicht aus, ohne sämtliche Wortbeiträge in unverständliches Gestammel zu verwandeln. Ungünstige Bedingungen – auch für die beiden Freunde, die sich aufgrund der transatlantischen Distanz derzeit nur sehr unregelmäßig sehen und sich über jedes Wiederhören freuen. »Im November hatten wir unsere erste Session seit dem ‚Shigeo‘-Outro, und es war direkt wieder next level shit«, fasst Galv nicht nur ihre aktuelle Kollaborationsfrequenz, sondern auch ihr gemeinsames Selbstverständnis zusammen.

Die beiden lernten sich kennen, wie das eben so in einer auf Vernetzung setzenden Musikszene läuft: Ein zufälliges Treffen endet im Studio. Man vibet und trifft sich ab 2015 regelmäßig. »Um 15 Uhr ins Studio, um sieben Uhr morgens wieder raus«, das ist der grobe Turnus, in dem die beiden fortan ohne Vorgaben an Musik schrauben. Hört sich nach Jazz-Improvisation an, etwa wenn Galv seinen Platz auf dem Album eher als »Solistenrolle« beschreibt. »Der Anspruch war, dass die Texte die Musik nicht in den Hintergrund rücken«, betont er.

Thematisch limitiert war er bei dem Space-Funk-Rap-Projekt »Of The 3 Moonz«, das im Interview nicht schlechtgeredet wird, zu dem Galv aber bisweilen ein Korrektiv brauchte. So ging es mehrmals von Hamburg nach Berlin, wo er sich von allen Zwängen lösen und einfach die innere Blackbox leeren konnte. Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen spielt dabei eine ebenso große Rolle wie eine gewisse Naivität, was zunächst widersprüchlich scheint. Verhindert Erfahrung nicht ein naives Herangehen an Musik? Beide verneinen – gerade die Erfahrungen, die Fidelity durch jahrelanges Aufbauen einer »library« an Sounds und Galv durch »fünf Jahrzehnte Rap« – wie sein Partner schätzt – gewonnen haben, ermöglichen es, unvoreingenommen, ohne konkrete Ideen ins Studio zu gehen und dort erst eine Vorstellung des jeweiligen Tracks zu entwickeln.

Der szeneinterne Status quo war dabei kein Maßstab (Galv: »Ich habe zu der Zeit keinen Deutschrap außerhalb meines Umfelds gehört.«), als einziger Sessiongast tritt Der Nussigmilde aus Stuttgart in Erscheinung. Hinzu kommen etliche Spuren, die Fidelitys internationale Kontakte nachträglich beisteuerten. Dass ihr freier Prozess vorerst abgeschlossen war, zeigte ihnen der Titeltrack und Closer der Platte, der auf mehrere Arten eine Hommage an den japanischen Komponisten Shigeo ist. Wer mehr als die Verbalisierung eines Vibes in dem Titel sucht, wird nicht fündig werden: Einem Konzept verweigern sich Produzent und Rapper bis zum vorläufigen Ende ihrer intensiven Zusammenarbeit. Denn auch wenn es im vergangenen November direkt wieder gefunkt hat – erst mal arbeiten beide an anderen Projekten. »Shigeo« bleibt ein Unikat.

Text: Sebastian Berlich

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