Freddie Gibbs im Interview: »Es wird Zeit, das Rap-Ding zurück auf die Straße zu bringen« // Feature

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Foto: Nick Walker

Die Karriere des Freddie Gibbs gleicht seit jeher einer Achterbahnfahrt. Doch mit knapp 37 Jahren, einem Majordeal in der Tasche und seinem zweiten Kollaboalbum mit Pro­ducer-Legende Madlib im Anschlag steuert er auf einen neuen Zenit zu.

Kurzbio Gangsta Gibbs: Interscope-­Signing mit 23, XXL-Freshman mit 28, mehrere Monate U-Haft in Österreich mit 34. Zwischen diesen Stationen liegen unter anderem ein Dutzend doper Mixtapes und EPs, ein öffentlichkeitswirksamer Streit mit dem Kurzzeitverbündeten Young Jeezy sowie ein moderner Klassiker (»Piñata«, 2014). Dass Gibbs’ Rechtsstreitigkeiten mittlerweile der Vergangenheit angehören, die Tinte auf Freddies Kontrakt bei der Sony-Tochter RCA gerade trocknet und Madlib wieder Samples flippt, dürfte dafür sorgen, dass Rapfans rund um den Globus frohlocken. Aber der Reihe nach.

Kannst du dich an das erste Mal ­erinnern, als du bewusst einen Madlib-Beat gehört hast?
Nicht wirklich. Alles was mit Madlib zu tun hatte, lief von Anfang an über meinen Manager Lambo. Ich wusste zwar ungefähr, wer Madlib ist, mehr aber nicht. Lambo hat mir diese Welt eröffnet.

Hat dir Madlib mal erzählt, wann du auf seinem Radar aufgetaucht bist? Und kannst du mir erklären, wie sich eure Beziehung entwickelt hat?
Das ist verrückt, aber darüber haben wir tatsächlich noch nie gesprochen. Jedenfalls war das so: Lambo und ich besuchten regelmäßig diese Partyreihe hier in L.A. namens »The Do-Over«. Dort traten Leute wie Mos Def auf, und Madlib legte auf. Ich ließ mich auf diese Welt ein und lernte ihn kennen. Er schickte mir dann einen Haufen Beats – wobei: Das waren eher irgendwie zerhäckselte Samples. Ich saß mit meinem leider inzwischen verstorbenen Homeboy und Engineer Josh the Goon zusammen und fragte mich, was zum Teufel ich damit machen sollte. (lacht) Aber Lambo bestand darauf, dass ich darauf rappe. Josh hatte dann die Idee für »Thuggin«. Die Kunst war ja, aus Madlibs Magie etwas zu kreieren, das zu meinem Style passt. Da hat sich Josh den Arsch aufgerissen. Als »Thuggin« stand, wussten wir, dass wir das auch auf Albumlänge hinkriegen – und dann haben wir einen Klassiker gemacht.

»Ich bin der unterschätzteste MC aller Zeiten!«

Wie lange hat es nach »Piñata« gedauert, bis ihr wusstet, dass ihr einen zweiten Teil machen wollt?
Sicher ein oder zwei Jahre, aber das Kritikerlob hat viel dazu beigetragen. Seit dem Release sind fünf Jahre vergangen, und ich glaube, viele Leute haben immer noch nicht verstanden, wie großartig dieses Album ist. Aber es ist eben, genau wie meine anderen Alben, nicht bei einem Major erschienen. Ich hatte also noch nie ein millionenschweres Marketingbudget, was sicher auch dazu geführt hat, dass mir einige meiner Kollegen immer noch einen Schritt voraus sind – allerdings nur in ­Sachen Aufmerksamkeit, nicht ­musikalisch. Aber jetzt haben wir einen Majordeal unterschrieben, und das Timing ist perfekt. Es ist viel passiert seit »Piñata«, und es hat sich einiges bei mir angestaut, das ich loswerden musste. Und was könnte dafür besser geeignet sein als ein Haufen Madlib-Beats?

Waren »You Only Live 2wice« und ­»Freddie« notwendige Zwischenschritte?
»You Only Live 2wice« war wirklich wichtig, um nach den Anschuldigungen gegen mich wieder auf die Beine zu kommen und aus meiner Sicht erzählen zu können, was passiert war. So gesehen haben alle Releases, die zwischen den beiden Alben erschienen sind, einen Zweck erfüllt. Letzten Endes wusste ich aber nur, dass die Fans einen zweiten Teil wollten. Ich wusste ja nicht mal, ob Madlib Lust hat. Und mir war dieses Mal wichtig, dass wir andere wirtschaftliche Mittel zur Hand haben, um ganz oben mitzuspielen. Denn mit den Coles und Kendricks konnte ich bisher nicht mithalten. Du brauchst nun mal ein Nascar-Auto, um beim Indy 500 mitzufahren. Ich fahre dieses Scheißrennen jetzt seit Jahren mit einem Toyota Prius und einem Haufen Koks im Kofferraum. Irgendwie bin ich immer noch nicht ausgeschieden, aber glaub mir: Ich hab meine Hausaufgaben gemacht. Sobald ich einen ordentlichen Motor unter der Haube habe, fahre ich dem Rest davon. Kein Diss an irgendwen, aber lyrisch kommt niemand an mich ran. Keiner dieser Motherfucker hat meine Street Credibility oder meine musikalischen Fähigkeiten. Ich bin definitiv der vielseitigste MC da draußen.

»HipHop ist heute in vielerlei Hinsicht Fast Food«

Ich würde dich auch als einen der unterschätztesten MCs aller Zeiten bezeichnen.
Nein, da muss ich dir widersprechen: Ich bin der unterschätzteste MC aller Zeiten! Wenn du jetzt eine Liste unterschätzter Rapper anlegen würdest, müsstest du mich ganz oben nennen. Dieses Jahr hole ich mir den Respekt. Auf Social Media erzählen viele Rapper den ganzen Tag lang nur Scheiße, nach dem Motto: Ich bin der beste Rapper aller Zeiten. Aber es wird Zeit, das Rap-Ding zurück auf die Straße zu bringen, es den goofy motherfuckers wegzunehmen.

Nervt dich das, wenn junge Rapper in der Gegend herumhampeln und sich wie Trottel verhalten?
Nein, das ist mir egal. Das Klima in der Industrie ist mittlerweile sehr künstlerfreundlich, und es gibt einen Haufen Möglichkeiten, wie man Geld verdienen kann. Solange niemand denselben Weg wie ich gehen und Crack verkaufen muss, ist das doch positiv. Jetzt klinge ich alt, aber tatsächlich war das Internet vor zehn Jahren, als meine Karriere so langsam Fahrt aufnahm, noch lange nicht so fortgeschritten wie jetzt – da musste man sich noch mit dem Modem einwählen. Heute kannst du sogar aus deinen Youtube-Klicks Geld machen und die Vertriebswege sind einfacher geworden: Du kannst ohne die Hilfe einer Plattenfirma reich werden. Aber die heutige Quantität an Releases sorgt unweigerlich dafür, dass die Qualität schlechter wird. Ich will nicht wie KRS-One klingen und alles schlechtreden – ich liebe HipHop. Aber McDonald’s schmeckte wahrscheinlich auch noch besser, als es nur fünf Filialen gab. HipHop ist heute in vielerlei Hinsicht Fast Food. Ich bin einer der wenigen MCs, die noch wirklich gutes Essen kochen.

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