Farhot Vs. The Beats: »Das Geniale an ‚Chabos wissen …‘ habe ich nicht direkt gecheckt« // Feature

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Foto: Eric Anders

Besucht man Farhot in seiner musikalischen Brutstätte in Hamburg-St. Pauli, fällt eines auf: Hier sind Studiowände noch Schallschutz. Farhad Samadzada könnte es anderen Platinproduzenten gleichtun und seine Wall of Fame mit zwei Handvoll Trophäen ­zieren. Mit der Sängerin Nneka stampfte er Sampling-Soul in Deutschland aus dem Boden, seine Produktion für »Chabos wissen wer der Babo ist« hievte hiesigen Straßenrap in die Mitte der Gesellschaft und mit seinem Kollegen Bazzazian formt Farhot momentan Deutschraps gefragtestes Produzentenduo: Die Achse. Für den gebürtigen Afghanen aber kein Grund, aus den Loorbeeren Pop-Euros zu machen. Stattdessen ­gründete ­Farhot mit Kabul Fire seine eigene kleine Plattform, auf der jüngst das Debüt des ­ominösen Characters Fuchy erschien.


Wendy Rene
After Laughter Comes Tears (1964)

Ah, klar, das habe ich auch schon gesamplet. In »Redesign Me« von Fuchy ist ein Fitzelchen davon zu hören. Der Gesang ist unfassbar, Wendy Rene ist an ihr Äußerstes gegangen. Mit dieser Intensität können heute nur wenige mithalten. Unglaublich tolle und zeitlose Musik, die man in tausend Jahren noch hören und gut finden wird.

Das Sample kennt man vor allem aus dem Wu-Tang-Track »Tearz«. Stimmt es, dass du wegen RZA angefangen hast, Musik zu produzieren?
Jedenfalls wollte ich früher so Musik ­machen wie er. Eigentlich hatte der ja eine einfache DJ-Herangehensweise: einen Drumloop über ein Sample legen. Aber er fand halt die geilsten Passagen in Tracks. Da habe ich mich irgendwie verstanden gefühlt – wobei ich das Genie nicht mit dem ersten Wu-Tang-Album verstanden habe, sondern erst mit GZAs »Liquid Swords«. Ich konnte jede Sekunde auswendig. Noch ein bisschen später fand ich dann heraus, dass RZA bei den Gravediggaz war. Die mochte ich schon immer, weil die so rumgebrüllt haben.

Wie hast du dann selbst angefangen zu produzieren?
Mein Bruder hatte einen alten ­Computer, auf dem Cubase lief. Als er mir das Programm zum ersten Mal gezeigt hat, empfand ich das noch als wack. Ich dachte, Plattenspieler würden mir reichen. Bis ich mich darauf einließ und erkennen musste, dass mir das Programm ganz einfach ermöglicht, was ich machen will: Samples und Drumloops auf immer mehr Spuren übereinander legen.


Nneka
Love (2004)

Das ist RZAs Sohn. (lacht) Das Sample in diesem Song habe ich ganz woanders hingepitcht. Es ist bestimmt doppelt so schnell wie im Original, dadurch ändert sich auch im Groove einiges. Dazu habe ich mit der MPC 2000 nur noch ganz dezente Drumsounds programmiert. Und Nnekas Vocals sind weit vorne, sehr popmäßig. Super Nummer, irgendwie niedlich. (lacht) Vielleicht veröffentliche ich das Stück noch mal auf Kabul Fire. Bei anderen Labels haben wir das nie unterbekommen, da waren so viele Samples drin, die man hätte klären müssen – und der Manager mochte das damals auch nicht. Ich fand diese Mischung aus Samples und Soul-Vocals immer super. Es gab zum Beispiel einen Premo-Remix von Janet Jackson, den ich früher aufgelegt habe. Ich habe damit sogar Backspins gemacht, aber das gab nur Ärger. In diesen Pissläden gab es dafür keine Liebe.


Mobb Deep
Hell On Earth (1996)

Durch den Song kamen Nneka und ich musikalisch zusammen. Sie hatte damals mit anderen Jungs auf dem Beat was aufgenommen – einen Freestyle. Und den brachte sie mit, als wir zum ersten Mal im Studio waren. Das überraschte mich total. Sängerinnen haben mir selten so was vorgespielt. Nneka und ich mochten aber genau die gleiche Musik.

Vor einigen Jahren hast du in der JUICE gesagt, Nneka hätte vorher noch mit »Pennern« zusammengearbeitet, die aus ihr eine »Popschlampe« machen wollten.
(lacht) So hätte sie es gesagt. Nneka ist damals nicht richtig verstanden worden. Ich musste sie aber von nichts überzeugen – und sie mich auch nicht. Ich war einfach total weggepustet von ihrem Gesang; das war die beste Künstlerin, die ich bis dahin getroffen hatte. Gerade sitzen wir an einem neuen Album und haben schon ziemlich viel beisammen.


Nas feat. Erykah Badu
This Bitter Land (2016)

Nett. Ich habe den Text jetzt so schnell nicht verstanden, aber musikalisch hat mich das nicht so krass berührt. Wirkt ein bisschen lasch, oder? So nach dem Motto: »Okay, wir haben jetzt zwei Stunden, dann mache ich meinen Part in ner halben und komme hier noch früher raus.« Nicht der leidenschaftlichste Vortrag.

Es gab einen Remix von Nnekas »Heartbeat« mit Nas-Feature. Wie leidenschaftlich waren die Vocals, die ihr von ihm bekommen habt?
Die Leidenschaft war auf unserer Seite jedenfalls groß, als wir gemerkt haben, dass Nas auf Nnekas Text einging. Er hat sich mit ihrer Musik wirklich beschäftigt und ihre Sachen gefeiert. Wir haben dann auch mal zu dritt mit Nas telefoniert, aber der hat echt sehr langsam gesprochen. Ich habe das Gefühl, mit der Leidenschaft und Nas ist das schon so eine Weile her. Ich habe den mal im Hamburger Stadtpark getroffen, aber das war eigentlich nur ein Händeschütteln. Ich wüsste auch nicht, was ich dem sagen soll, wenn ich nicht gerade mit ihm im Studio ­arbeite. Und wenn ich vorher schon viel ­Musik von jemandem kenne, bin ich da vielleicht auch ein bisschen zu voreingenommen.

Eine generelle Erfahrung in deiner ­Arbeit mit Rappern?
Na ja, was amerikanische Rapper angeht, habe ich gar nicht so viele getroffen. Bei den paar, die ich traf, habe ich aber gemerkt, dass die ziemlich professionell sind – und oft sehr faul. Talib Kweli war mal hier und brachte Raekwon mit. Der hat die ganze Zeit nur gekifft und getrunken. Und für den Part, den er aufnahm, hat er fünf Stunden gebraucht, mit echt vielen Takes. Aus dem Track ist dann auch nichts weiter geworden.

https://youtu.be/Zz8zQtsCEAQ

Haftbefehl
Chabos wissen wer der Babo ist (2013)

Der Beat ist aus einer Zeit, als ich vermehrt mit französischen Künstlern gearbeitet habe. Der war dann auch bei vielen Leuten, aber keiner hat’s richtig gecheckt. Es sollte wohl so sein, dass der Kurdi aus Offenbach damit durchstartet. Ich erinnere mich noch, wie sie mir den Roughmix von dem Song geschickt haben und ich dachte: Wollen die mich verarschen?! Das Lied ist doch nicht fertig! Der Track ging einfach mit dem Chorus los, es gab keine zweite Strophe. Das lief alles sehr chaotisch ab: Der Mix wurde nicht von mir abgenommen, aber die hatten bereits ein Video gedreht. Ich hätte nie gedacht, dass der Song so bekannt wird. Ich war mega Haftbefehl-Fan, aber das Geniale an dem Song habe ich damals nicht direkt gecheckt. Ich habe auch erst nicht verstanden, warum er aus allem, was ich geschickt hatte, genau den Beat nahm. Aber er hat’s klar gemacht. Kein anderer hätte das so gut umgesetzt. Im Nachhinein finde ich auch super, wie pur der Song ist. Wenn ich mit jemandem wie Selah Sue [Singer-Songwriterin; Anm. d. Verf.] gearbeitet habe, sollte hier ein bisschen HipHop rein, dort ein bisschen Synthpop. Haftbefehl war das alles egal. Da steht die Intensität an vorderster Stelle. Der gibt immer Gas, voll auf Anschlag. Und der überlegt sich auch mal verrückte Flows. Eigentlich könnte der tausendmal erfolgreicher sein, aber er will dir nicht das geben, was du erwartest. Dem werden Sachen schnell zu doof. Auf dem Coup-Album hört man das in »Gib ma her«: Da rappt der anfangs ganz locker, und irgendwann merkst du, dass es ihm zu dumm wird, also macht er was ganz anderes. Ich weiß nicht, ob er das selbst so sieht, aber für mich ist das ein richtiger Musiker – und der interessanteste Rapper dieses Landes.

Schoolboy Q feat. E-40
Dope Dealer (2016)

Ja, super. Schoolboy Q finde ich sehr cool, auch wenn der mich immer ein bisschen anstrengt. Ich habe ja mit Isaiah Rashad aufgenommen – und die Geschichten, die der über Schoolboy erzählt hat, passen total zu dem Gefühl, das ich beim Hören habe. Der pickt sich angeblich immer eine Person im Studio raus, die er hänselt. Ein richtiger Penner soll das sein. (grinst) Aber das Album ist wirklich gut. Vor TDE habe ich überhaupt großen Respekt. Genau so sollte man Musik machen – wenn man liebt, was man tut.

Wie kam denn dein Kontakt zu TDE zustande?
Ich habe einen Geschäftspartner in den Staaten, der Kontakt zu Isaiah Rashad hatte und ihm Beats von mir gab. Und als ich in Los Angeles war, meinte Isaiah, er käme im Studio vorbei. Beim ersten Mal kam er dann nicht, beim zweiten Mal entstand eine Hook. Wir waren damals in einem superschönen großen Studio in Los Angeles, und Isaiah war völlig druff. Ich habe dem Sachen vorgespielt, und er ist beinahe vom Stuhl gerutscht. Nach einer Weile kam er dann wieder klar, und das Aufnehmen war total unkompliziert. Daraufhin haben wir uns noch zweimal getroffen und zwei ganze Songs aufgenommen. Der ist ein richtiges Rapkind, der hört diese Musik wahrscheinlich seit seiner Geburt. Und er kann unglaublich viel, aber weiß, was er mag und was nicht. Der hat sich seinen eigenen Film überlegt. Das ist alles sehr Organized-Noize-mäßig und nicht sonderlich radiofreundlich.


Westberlin Maskulin
Der Punkt (2000)

Savas habe ich vor kurzem getroffen. Krass, was der mal für Musik gemacht hat, oder? Das ist ja bald zwanzig Jahre her.

Ein Sample davon ist in dem Karate-Andi-Song »Über HipHop«, den du produziert hast.
Boah, ich wusste nicht, dass du so tief diggst. Aber ja, als wir den Track aufnahmen, saßen wir in meinem Studio und Andi meinte, ich solle ein paar Scratches machen, schließlich sei ich auch DJ. Und er schlug »Der Punkt« vor. Ärgerlicher­weise hatte ich noch eine viel bessere Hook aufgenommen – mit Mirko Machine, der Über-Scratch-DJ. Aber Andi hat es einfach nicht geblickt. Benny war es dann egal, und so haben wir einfach die Lumpenscratches verwendet.

»Turbo« ist das erste Album, das du mit Bazzazian zusammen als Die Achse produziert hast, oder?
Genau – Karate Andi war quasi unser Experiment und der erste Versuch, ein ganzes Album gemeinsam zu produzieren. Ich war zwar mit Andi in seiner Pennerbar und das ist ein cooler Typ, wir haben oft ähnlich pessimistische Ansichten. Aber ein ganzes Album wär mir zu hart. Am Ende hat das nur zusammen mit Benny [Bazzazian; Anm. d. Verf.] so gut funktioniert.

Wie kann man sich denn eure ­Zusammenarbeit vorstellen?
Ich schicke ihm ne Skizze, und er pimpt das einfach. Der macht Sachen, die total geil sind und auf die ich nie käme. Ich wüsste nicht, mit wem ich sonst so gut arbeiten könnte. Der hat so eine breite Range an musikalischen Einflüssen und bringt da ­einiges mit rein, auch wenn’s am Ende immer HipHop wird.

Kalim feat. Ssio
Nein, leider niemals (2014)

Weswegen machst du diesen Track an?

Weil Kalim dein Cousin ist.
Ja. Aber was du vielleicht nicht weißt: Die Scratches am Ende des Songs sind von mir. (hört zu) Ach, das sind einfach so coole Jungs. Wie Ssio im Video in dem Einkaufswagen sitzt – der Typ ist ein Phänomen! Ich war gerade Shisha rauchen mit dem. Und Kalim wird die Leute mit seinem neuen Zeug überraschen. Ich glaube, er war 15, als er mir erzählt hat, dass er rappt. Ich fand das lustig, weil ich ihn eine Weile nicht gesehen hatte und er für mich noch der kleine Cousin war, den ich in den Arm nahm. Ich war total überrascht, was der plötzlich für eine Stimme hatte. Er hat dann auch mal auf Sachen von mir gerappt, aber gerade kann ich mit dem keine Musik machen. Der ist viel zu penibel mit Geschichten, ein richtiger Kontrollfreak. Der findet Sachen richtig geil, wenn sie fertig sind, aber gibst du dem erstmal ne Skizze, ist der raus. Wir machen irgendwann noch mal zusammen Musik, aber gerade ist mir das zu nervig, da hänge ich lieber einfach mit dem ab. Außerdem hat der einen guten Produzenten, David Crates, mit dem es genau so läuft, wie es sein sollte: Die hocken zusammen rum und denken sich einen richtigen Film aus. Kalim ist die Musik sehr viel wert.

Max Herre feat. Cro
Fühlt sich wie fliegen an (2012)

Ich habe Max genau einen Beat per Mail geschickt, und der war es direkt. Den fertigen Song wollten die mir dann nicht mehr schicken, bevor das Album rauskam. Aber weil die [Kahedi, Produktionstrio um Max Herre; Anm. d. Verf.] selbst krasse Produzenten sind, habe ich auch darauf vertraut, dass sie was Geiles draus machen. Die meinten, dass sie unter den Chorus noch ein Schlagzeug gelegt haben – kann sein, aber das höre ich überhaupt nicht. Ein ­Gitarrensolo haben sie noch rausgenommen. Ich habe den Song auf einem Rhodes Piano geschrieben, Bass und Gitarre haben dann andere Musiker dazu gespielt; eigentlich ein simples Ding. Seitdem sagt Max immer, wenn ich wieder so einen habe, dann soll ich ihn schicken. Und ich habe da schon was auf Lager.

Vor vier Jahren sagtest du in der ­JUICE: »Meine Musik ist sehr weit vom Mainstream entfernt. Die Musik, die ich mag, läuft nicht im Radio.« Das scheint sich, wenn man sich dein Schaffen ­seither ansieht, ein wenig geändert zu ­haben, oder?
Na ja, so gern mag ich den Max-Herre-Song auch gar nicht. Es ist zumindest nicht mein Lieblingslied von ihm. Das Ding ist cool, aber längst nicht das beste auf der Platte. »So lang« mit Tua ist richtig krass oder »Berlin-Tel Aviv« mit Sophie Hunger – dieses Piano! Aber ja, was das Radio angeht: Wenn Weeknd im Radio läuft, finde ich das super. Auch Rihanna macht teilweise richtig coole Musik. Und man muss ja nicht Sarah Connor produzieren, das ist haram. Ich habe akzeptiert, dass ich lieber ein paar weniger Kohlen auf dem Konto habe, aber dafür Sachen mache, hinter denen ich stehe. Alles andere kommt auch wieder zurück. Selbst wenn einige Produzenten eher aufs Radio angewiesen sind als andere: Keiner muss wirklich beschissene Musik machen. Liefere Qualität, und dann geht das schon.

Fuchy
Don’t You Hold Me (2016)

Das ist eigentlich mein Favorit von der ­ersten Fuchy-EP; schon insofern ­besonders, als dass es das einzige Stück mit Gesang und Rap ist, der Rest von der Platte ist ja eher instrumental. Und dass Südstaatenrap und Gesang von einer Indie-Pop-Künstlerin so gut zusammen ­funktionieren – ich liebe diese instrumentalen Zutaten von »Do You Hold Me«: Juno [Roland-Synthesizer; Anm. d. Verf.], Rhodes, E-Bass und Flöten. Die Wärme fühlt sich für mich irgendwie tröstend an. Erinnert mich angenehm an eines meiner Lieblingslieder von Outkast: »SpottieOttieDopaliscious«. Das ist alte und neue Musik zugleich.

Dieses Feature erschien in JUICE #177 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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