Errdeka – Liebe // Review

-

RCA Deutschland / Sony Music 

Wertung: Fünf KronenEndlich hat sich Errdeka selbst abgeschafft. Er hat sich in Einzelteile zerlegt. Er hat die pathetischen Züge auf der einen und die krampfige Härtedemonstration auf der anderen Seite abgestreift, die seine letzten Alben noch dominierten. »Liebe« ist nun nicht unbedingt eine Neuausrichtung, aber dafür die Neuzusammensetzung, Umlackierung und ästhetische Aufwertung des Alten. Errdeka kombiniert seine Stärken, denn den ganzen Restmüll hat er entsorgt. So einfach geht das manchmal. Endlich gibt es keinen Konflikt mehr zwischen dem druffen Pöbel-Errdeka und dem etwas labilen Weirdo mit Hang zur Grübelei. Auf »Liebe« existieren beide Personen nicht mehr nebeneinander, sie fließen ineinander. Dadurch entsteht eine Dramaturgie, eine zusammenhängende Innenschau mit Hochs und Tiefs. Oder mit Highs und Depressionen. Das bedeutet auch, dass Errdeka und alte Freunde seiner Eyeslow-Crew in der Stadt rumturnen, um irgendeine Wand zu besprühen, danach aber auch nicht schlafen gehen, weil: Clubs und Lines und Spaß. Doch dann folgt das: »Und du lächelst, wenn sie fragen, wie’s dir geht/ Denn keiner würde fragen, wüssten sie, wie’s um dich steht«. Pointierter lässt sich die oberflächliche »Alles Gut«-Gesellschaft lyrisch nicht entlarven. Auf »Liebe« schafft es Errdeka, auf den Punkt zu kommen. Egal, ob er gerade post oder leidet. Diese Verknappung funktioniert auch deswegen, weil die Basis des Sounds Reduktion ist. Zerstückelte, zischelnde LoFi-Klänge klingen auf Songs wie »Auf Kommando« im Hinter­grund noch an, doch hauptsächlich dominieren Bassline und aufs Wesentliche beschränkte Drums. Die Produktionen bedienen sich am Horrorcore-Soundcloud-Zeitgeist, statten Pi’erre-Bourne-artige Bubblegum-Beats mit etwas Roughness aus und manchmal klingt Clams Casino durch. Errdeka wiederum verstellt seine Stimme, rappt mal nasal und schnell, singt dann verrückt. Obwohl stilistisch und inhaltlich also furchtbar viel passiert, schafft Errdeka es auf »Lie­be« erstmals, seine Musik so rund zu gestal­ten, dass die »Cool, aber …«-Argumentation nicht mehr greift. Es gibt einfach kein »aber«.

Text: Johann Voigt

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein