DJ Stylewarz Vs. The Beats: »Das ist das Beste, was je aus Bremen kam!«

-

M-Beat feat. General Levy
Incredible (1993)

Immer noch eine Hymne in London.

Den Song habe ich exemplarisch rausgesucht für Jungle und Drum’n’Bass. In Deutschland sind die HipHop-DJs nie so extrem in diese Richtung gegangen. Du bist einer der Wenigen gewesen. Warum?
Für mich stellt sich diese Frage nicht, das ist für mich eine artverwandte Musikform, die von HipHop-Dudes gemacht wurde. Es sind dieselben Sounds und Drums, sie sind nur anders gesetzt. Und ich kann einem Typen wie Goldie nicht sagen, er sei kein HipHop-Dude. [Goldie gehört zur ersten Generation des UK-HipHop und hat die Szene maßgeblich als Graffitikünstler in den Achtzigern beeinflusst; Anm. d. Verf.]. Der ist viele mehr HipHop als andere, die sich 24 Stunden HipHop auf die Stirn schreiben. Das hat dieselbe Energie wie HipHop am Anfang. Mit dem Unterschied, dass es bis heute weitgehend independent ist – im Gegensatz zu Rap.

Das Intro der ersten deutschen HipHop TV Show: Freestyle (1994)

(lacht) Ey…!

Wer hat das Intro damals produziert?
Boah, da fragst du was. Das weiß ich nicht. Aber ich bin extrem froh und glücklich, dabei gewesen sein zu dürfen. Man hat mich damals angerufen und mich zum Casting eingeladen – das erste und einzige Mal in meinem Leben, dass ich auf einem Casting war. Pretty wack. (lacht) Es war damals in dem Studio von N-Factor [eine Crossover-Band aus Bielefeld; Anm. d. Verf.], da waren Torch, Storm, Scope und DJ Suicide und so ein Haufen von Jungs, die sich alle kannten. Zwei, drei Leute waren auch da, die keiner kannte, und bei ersten Probe hat sich sehr schnell herausgestellt, wer miteinander kann und wer nicht. Und es war die ehrlichste und authentischste HipHop-Sendung die ich in allen deutschen Medien kenne – mit allem, was dazugehört, mit allen Fehlern. Man hatte ja damals keine Ahnung, was man da machte.

Schlockmaster
Echte Künstler (1998)

Das ist ein Track von einem Künstler, der sich an Rap ausprobierte. Eins Zwo haben das Vocal-Sample »Echte, echte Künstler« im selben Jahr für »Schön, dass es euch gibt« benutzt. Darin rappt Dendemann über die Zukunft der Rapszene, wenn alle alt und grau sind.

Daher die Frage an dich: Kann man in der HipHop-Szene in Würde altern?
Du darfst dich neuen Sachen nicht verschließen. Ich merke, dass viele HipHop zu einem Generationsding machen. Für mich ist das so: Ich brauche immer eine gewisse Energie in der Musik, und die suche ich mir – ob die dann alt oder neu ist, spielt kein Rolle. Leider empfinde ich meine Generation als die schlimmste HipHop-Generation, die Deutschland je hatte. Die Leute stellen sich oft als Hüter des heiligen Grals dar, aber eigentlich sind sie HipHops Tod – weil sie keine Zirkulation erlauben. Aber nur, wenn es Bewegung gibt, bleibt das ganze Ding am Leben. Ich muss neue Sachen nicht per se alle cool finden, aber ich suche mir doch dann die neuen Sachen raus, die cool sind. Ich finde das so furchtbar. Und ich höre denen manchmal zu und denke dann: Du bist doch eigentlich nur noch hier, weil du nicht weißt, was du mit deiner Zeit sonst anfangen sollst. Bleib doch frisch und sei offen! Mach doch einfach frische Sachen, einfach geiles Zeug, egal ob Boombap oder Trap oder was auch immer!

No Remorze
Dark Malice ’95 (1998)

Der Track ist skurrilerweise Teil des Soundtracks des Til Schweiger-Films »Eisbär«. Wie kam der Kontakt zustande?
(lacht) Da muss ich überlegen. (denkt nach) Irgendwer ist auf diesen Song aufmerksam geworden, und Til Schweiger hat das damals derbe gefeiert. Wir haben den Song noch mal neu gemischt und sind dann zu dieser Filmpremiere gegangen, die ganz schlimm und peinlich war – mal abgesehen davon, dass Til Schweiger extrem peinlich ist. Ich habe das Sample [»Whole Lotta Love« von Led Zeppelin; Anm. d. Verf.] ja noch mal benutzt für den Song »Bitte … wer?« von meinem ersten Album, und da haben wir es clearen lassen. Das war voll entspannt, weil Robert Plant und die Jungs von Led Zeppelin voll locker waren.

F.A.B. feat. DJ Stylewarz
ERiCH (1998)

Ohne jemanden ans Bein pissen zu wollen, aber: Das ist das Beste, was je aus Bremen kam! Es hat von Anfang an gepasst mit den beiden. Immo is the Brain, und nachdem deren DJ nicht mehr da war, hat er mich gefragt, ob ich Cuts machen will. Und mit Ferris bin ich später dann ja jahrelang unterwegs gewesen.

Dexter
Simpsons Flip (2012)

Zum einen repräsentiert dieser Beat deine Offenheit, dich mit modernen Entwicklungen wie Future-Beats auseinanderzusetzen, andererseits sagt Homer Simpson im Intro des Liedes sein berühmtes »Laaangweilig«. Ich habe dich mal in einem Club gesehen, wo du einen Superhit gespielt und gleichzeitig immer wieder dieses Homer-Simpson-Vocal-Sample aufgecuttet hast. Warum hast du das gemacht?
Manchmal sind die Leute im Club wie dressierte Schafe. Du musst denen einfach nur einen bekannten Song vor die Füße werfen und sie funktionieren. Und das war so ein Abend, wo das Publikum nur auf diese Standard-Superhits reagierte – das musste ich an dem Abend mit dem Vocal-Cut kommentieren. Ich erinnere mich, dass mir dann sogar noch ein Mädchen geschrieben hat: »Das mit deinem ‚Laaangweilig‘ hat total genervt!« Ja, danke… sollte es auch. (lacht)

DJ Stylewarz
Introducing (2014)

Du hast zwischen deinem Album »The Cut« von 2002 und »The EP« von 2014 zwölf Jahre verstreichen lassen. Warum?
Kein Bock auf Industrie. Nach dem »The Cut«-Album hatte ich derbe Bock, was zu machen, aber ich bin regelrecht angeekelt von der Industrie mit all den Sachen, die da mitkommen. Ich finde auch diese Art Mensch eklig, die man dort trifft – und ich kann da nicht aus meiner Haut raus und muss dann auch eklig zu denen sein.

Trettmann feat. Ufo361, Samy Deluxe & DJ Stylewarz
Skyline (Remix) (2016)

Geiler Tune… immer noch. Tretti war so krass letztens beim Videodreh, der hat Sachen auf dem Zettel … der hat mehr Knowledge über HipHop als die Dudes, die den kleinen Bart unter der Nase haben. Er gehört ja zu meiner Generation, und wir sind so Brüder im Geiste, was die Offenheit betrifft und die Lust an neuen Entwicklungen. Die Herausforderung besteht auch gar nicht mehr darin, geile Beats zu machen oder geile Cuts. Die Herausforderung besteht darin, sich in dem ganzen Scheißhaufen, in dem man unterwegs ist, trotzdem den Spaß zu erhalten. Das ist für mich die Herausforderung.

Text: Falk Schacht
Foto: JSEVA – Jonas Samuel Eger Visual Arts

Dieses Feature erschien in JUICE 191. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Onlineshop bestellen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein