Die Kraszesten – Alexander Marcus // Review

-

(Muther Manufaktur / HHV)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Erstmal ist da viel Verwirrung. Das Ding heißt »Alexander Marcus«, das Cover zeigt ein minimalistisches Gemetzel. Auf was für einem Film sind Pierre Sonality und Doz9 denn nun gelandet? Doch kaum startet die Platte, sind die Koordinaten wieder klar. Ein verrauchter Beat setzt ein, eine Stimme verkündet: »Aus der Nebelwolke steigt ein Dude empor«, und man muss kein Genie sein, um zu ahnen, dass es sich hier nicht um den romantischen Dunst handelt, der morgendlich über deutschen Wäldern aufzieht. Ausflüge in Richtung Elektroschlager oder Horrorcore bleiben dem Hörer trotz eingangs erwähnter Indizien erspart, stattdessen machen es sich die Kraszesten in ihrer Boombap-Komfortzone bequem, und wo Pierre tendenziell den zurückgelehnten Connaisseur gibt, da dreht Doz9 in Sachen Flow auch mal durch. An der wunderbar ausbalancierten Grundkonstellation hat sich seit ihrem letzten Release vor fünf Jahren wenig geändert, wenn überhaupt, dann sitzt jetzt alles noch ein bisschen besser. Das signalisieren bereits die Songtitel, die sich zwar noch immer aus nicht direkt mit den Texten verbundenen Zahlen zusammensetzen, dieses Mal jedoch ohne Nachkommastellen auskommen. Auch andere Produzenten haben die beiden weggekürzt und sich um die im genau richtigen Maß schrägen Beats (sehr perfekt: das leiernde »18«, in dem Pierre auch noch die frühen, stets für einen Diss zu habenden Tocotronic zitiert) selbst gekümmert. Diese Attitüde ist großartig und eigentlich will man genau das: dass die beiden Könner einen Fick auf den Zeitgeist oder ähnlichen Mumpitz geben. Auf Dauer bleibt zwischen all den perfekt austarierten Fressflashs, Todesfantasien und Prahlereien aber vor allem die eine Stelle hängen, an der sich die Funkverteidiger nicht ganz sicher sind: Im Song »ca. 2« stolpern sie und Galv of the 3 Moonz mit obskurem, leicht trappigem Flow über einen minimalistischen, verschrobenen Beat. Und genau weil man merkt, dass hier keiner ganz genau weiß, was er da tut, freut man sich darüber, dass es trotzdem irgendwie funktioniert. Gerne mehr davon, um das Spiel spannend zu halten.

Text: Sebastian Berlich

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein