Chefket – Alles Liebe (Nach dem Ende des Kampfes) // Review

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(Vertigo Berlin / Universal Music)

Wertung: Viereinhalb KronenDass Chefket kein aus seiner Feder stammendes Projekt, dem nicht ein durch und durch gefestigtes, inhaltlich ausgereiftes und künstlerisch hochkomplexes Fundament zugrunde liegt, voreilig in die Mühlen der Öffentlichkeit befördern würde, ist bereits aus der Vergangenheit hinlänglich bekannt. Selbiges trifft auf den Umstand zu, dass seine verkopfte Schreibweise, seine unentwirr­baren bilingualen Skills und seine bezwingende Musikalität ihn nicht selten zu handfesten Überraschungsmomenten befähigen. Sein nunmehr drittes Album ist ein weiterer überzeugender Beweis für den hohen Anspruch, den sich der Wahlberliner eigens aufzuerlegen scheint, bevor er sich selbst mit dem tosenden Applaus seines Publikums beschenkt. Abermals glänzt er mit der ihm gegebenen stilistischen Bandbreite, spart weder an Gesunge­nem, noch am Einsatz technischer Effekte zur Anpassung des Soundbilds an die durch seine Texte gezeichneten Bilder. Seine Gedankengänge sind dabei beinahe zu komplex, um sie in eine gebräuchliche Albumstruktur zu zwängen – ein Umstand, den besonders Auftakt und Finale, das unorthodoxe »Gel Keyfim Gel« und das mitreißende »Scheinwerferlicht«, eindrucksvoll demonstrieren. Immer noch ist Chefket kritischer Philosoph und erbaulicher Lebensberater zugleich, kann selbst jenen, die ihm im realen Leben noch kein einziges Mal über den Weg gelaufen sind, das Gefühl geben, ein guter Freund zu sein. Er analysiert zwischenmenschliche Beziehungen und schildert Geisteszustände, schlüpft verblüffend originär in unterschiedliche Ich-Perspektiven und gleitet nebenbei, oftmals ohne jegliche Vorwarnung, gar ins Politische ab. Auf jeder einzelnen der insgesamt 13 Anspielstationen kann man den selbsternannten »Live-MC« beim akribischen Experiment über die Schulter gucken, stets neue Lebensweisheiten aus klugen Reflexionsprozessen und eigens erlangten Einsichten schlusszufolgern. Diese fallen dann, wie im Song »Aufstehen«, an dessen Ende er feststellt, dass »niemand […] frei« sei, im Verhältnis zur meist wohlig warmen musikalischen Grundlage erstaunlich hart aus. Dass er sich, wie nicht anders gewohnt, weitaus mehr Zeit für die Arbeiten am Album genommen hat als die meisten seiner Kollegen, erscheint in Anbetracht der künstlerischen Hochleistung dieses Gesamtwerkes durchaus logisch.

Text: Alexander Barbian

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