Bushido: »Es bedeutet mir was, wenn die Leute mir Respekt geben.« // Titelstory

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Deshalb kommt wohl auch kein Marteria-Feature in Frage, oder?
Jemanden wie Marteria würde ich nie auf ein »CCN«-Album packen, obwohl der für mich momentan die erste Adresse für ein Feature wäre, weil wir seit seinem Tour-Besuch bei uns viel Kontakt haben. Aber wenn ich mal ein Album mit Shindy ­mache, dann hätte ich gerne Marteria mit dabei. Und das Bushido/Shindy-Album wird auf jeden Fall kommen! Das werden wir 2015 in Angriff nehmen.

Eigentlich clever, dass du einen ­mögliche Kollabo-Partner nicht verrätst, weil ­dieses Ratespiel das Interesse an der Platte steigert und die Leute bereits darüber reden, ohne auch nur einen Song gehört zu haben.
Vollkommen richtig. Ich bin eben Geschäftsmann. Und: Die Leute finden das unterhaltsam. Im Filmgeschäft läuft das ja genauso: Wenn der erste Trailer für einen neuen ­»Hobbit«- oder »Avengers«-Film bereits ein Jahr vor Veröffentlichung gezeigt wird, dann steigert das bei mir ja auch die Vorfreude. ­Warum also nicht auch bei Musik über ­Monate hinweg Spannung aufbauen?

Du hättest das Ratespielchen auch noch mit zusätzlichen Videoblogs anheizen können.
Oh Gott, diese QVC-mäßigen Videoblogs von Rappern. Als ich letztens einen Videoblog von Animus gesehen habe, hat mich das total bestürzt, wie er darum gebettelt hat, dass die Leute seine Platte kaufen. Ich habe ernsthaft überlegt, dem Jungen Geld zu spenden nach dem Motto: »Ich gebe dir 24.000 Euro, aber bitte mache ein Jahr lang keine Rap-Musik und lass uns in Ruhe!«

Inwiefern unterscheiden sich eigentlich deine ­beiden Alter Egos Bushido und Sonny Black voneinander?
Für Bushido sind immer auch solche ­emotionalen Stücke wie »Nie ein Rapper«, »Wie ein Engel« und »Schmetterling« prägnant gewesen. Solche Songs wird es von Sonny Black nie geben – da gibt es nur Pöbelei. Sonny ist limitierter als Bushido, deshalb gibt es auf »CCN3« auch keine Themensongs, sondern nur auf die Fresse. Das ist wie bei Youporn, da gibt es ja auch verschiedene Sparten: Anal, Oral, Handjob, Blowjob, Deep Throat – aus denen kannst du wählen. Bei Sonny Black hast du aber keine Wahlmöglichkeit: Da gibt es nur lyrische Arschficks, keine Romantik. Und entweder du stehst darauf oder nicht.

Straßenpoesie darf man auf »CCN3« also nicht erwarten.
Nein, so bin ich gerade nicht drauf. Früher fand ich Straßenpoesie gut, aber heute kann ich mir das nicht mehr anhören, wenn Rapper mir erzählen: »Kopf hoch, Dicker. Hör auf mit den Drogen, blablabla« – auch wenn das inhaltlich natürlich richtige Statements sind. Aber in meiner Musik ist dafür kein Platz mehr.

Ist es für dich eigentlich ­befremdlich, wenn bei deinen Konzerten ­Schulmädchen in den ersten Reihen stehen und »Fotzen« mitrappen?
Ja, ist es. (grinst) Bei der letzten Tour haben wir bei jedem Konzert Mädels auf die Bühne geholt, damit sie »Sonnenbankflavour« mitrappen, in dem es die Zeile gibt: »Du kannst sie alle holen. Komm, ich ficke deine Freunde«. Und wenn ein Mädchen die rappt, dann bekommt diese Line noch mal einen ganz anderen Anstrich. Und wir haben damit natürlich kokettiert und die Mädchen auch mal gefragt, wie sie sich fühlen, wenn die Männer anfangen zu grölen, wenn sie so etwas sagen – und dann genieren sich die Mädchen natürlich. Aber das ist doch lustig. Deswegen ist weder diese Frau für mich eine Hure, noch sind die Kerle vor der Bühne Asis.

Kommen wir noch mal auf den Ursprung von »Carlo Cokxxx Nutten« zurück: Wie entstand 2002 die Idee dazu?
Die Namen Bushido und Fler gab es damals bereits. Ich habe dann aber mal den Film »Donnie Brasco« gesehen, in dem die Figur Sonny Black auftauchte, und fand den Namen so cool, dass ich unter diesem Pseudonym unbedingt etwas machen wollte. Bei Fler ­passierte das wiederum mit dem Namen Frank White aus dem Film »King Of New York«. Also haben wir uns als Sonny Black und Frank White zusammengetan und einfach Mucke gemacht, ohne groß darüber nachzudenken – und das ist eh am besten. Das ist wie beim Sex: Wenn du mit einer Ollen im Bett landest und sie fickst, dann ist es entweder geil oder nicht. Aber sobald du deinen Kopf anschaltest und darüber nachdenkst, wie du sie nun ficken sollst, hast du verkackt – dann fickst du die Tusse nicht mehr so, dass sie am Ende mit O-Beinen nach Hause geht. Aber das war immer mein Anspruch.

Heute bist du Vater und Ehemann …
… und deswegen sehe ich Frauen heute ganz anders. Diese Attitüde von damals habe ich heute nicht mehr. Wenn ich mir heute meine beiden Töchter ansehe, dann weiß ich ganz genau, dass ich früher oder später deren Freunden wegen derselben Attitüde in die Fresse hauen werde. Aber 2002 haben wir über so etwas nicht nachgedacht. Wir wollten einfach cool sein, haben uns ­geschlagen, sind sprühen gegangen, haben Party gemacht und Weiber geklärt. Heute bin ich ­hingegen ein vermögender Geschäftsmann mit Familie, einem großen Freundeskreis und fahre mit einem teuren Auto durch eine Stadt, in der mich jeder kennt. Wie soll ich heute also ins Studio gehen und Musik machen, die ­genauso klingt wie vor zwölf, dreizehn ­Jahren? Das schaffst du nur, wenn du es hinbekommst, komplett den Kopf abzuschalten.

Wie bekommst du das hin?
Das ist wahnsinnig schwer, weil ich mich ständig um tausend Dinge kümmern muss: Ich habe Stress mit Kleinmachnow, wo ich demnächst hinziehen werde, mit irgendwelchen Zeitungen, die wieder irgendeinen Scheiß über mich schreiben, mit meinem Auto, das gerade in der Werkstatt ist, mit dem Kinderarzt – sich da mal für fünf Minuten nur auf die Musik zu konzentrieren ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Manchmal schaffe ich es im Studio gerade mal so, einen Song aufzunehmen, bevor ich beispielsweise meine Kinder wieder irgendwo einsammeln muss. Es hat tatsächlich auch eine ganze Weile gedauert, bis ich mich an das Ausmaß meiner Verantwortung gewöhnt hatte. Aber irgendwie geht es immer, und so ist dann eben auch »Sonny Black« entstanden: Das war eine coole Momentaufnahme; ein perfektes Foto, bei dem einfach alles gestimmt hat. Dass alle Leute deshalb durchdrehen, damit haben wir aber selbst nicht gerechnet. Wie viel Kohle habe ich damit noch mal gemacht? 1,6 ­Millionen? Geil, Alter!

Wie muss man sich das ­vorstellen, wenn du aus deinen heutigen ­Lebensumständen heraus wieder in die inhaltliche Welt von »CCN« eintauchst?
Das Gute ist ja: Selbst wenn »CCN3« ein wirtschaftlicher Misserfolg werden sollte, ist mein Leben nicht zu Ende. Das war natürlich mal anders. Es gab auch Zeiten – zumal ich meine Platten selbst rausbringe –, da hätte mir so etwas das Genick brechen können. Aber das tut es mittlerweile nicht mehr, und das beschert mir, trotz all dem damit verbundenen Stress, eine ungemeine künstlerische Freiheit, die mich auch mal abschalten lässt. Früher hatte ich den unbedingten Willen, etwas reißen zu wollen, Geld zu verdienen, bekannt zu werden, Frauen zu klären, mir Klamotten zu kaufen. Heute habe ich all das, was ich immer haben wollte. Daher kann ich mich jetzt einfach der Musik widmen. Musik ist für mich wieder ein Hobby, ein Passion. Curse würde das vielleicht »Wahre Liebe« nennen. (grinst)

Dein Vermögen nimmt dir also den Druck, wirtschaftlich denken zu müssen?
Genau. Ich hätte 2002 doch nie gedacht, dass ich mal der bekannteste Rapper Deutschlands werden würde. Damals waren Rapper wie Samy Deluxe und die Absoluten Beginner in punkto Erfolg in einer Galaxie unterwegs, die für mich unerreichbar schien. Heute hingegen bin ich so weit oben, dass ich deren Planeten schon gar nicht mehr sehen kann. Dadurch kann ich nun einfach chillen – zumal mir Jungs wie Shindy auch eine gewisse Sicherheit geben. Shindy ist ja auch ein ganz anderer Typ als Kay. Kay meinte immer zu mir, ich solle ­aufpassen, wie ich mit bestimmten Leuten rede, und hat mich ständig gebremst. Shindy ­hingegen lässt mich wieder aufs Gas treten. Seit ­Shindy da ist, bekomme ich ja auch ­permanent Ärger.

Inwiefern?
Vor Shindy wurde ich ewig nicht mehr indiziert. Doch kaum ist Shindy da und sucht mit mir »Stress ohne Grund«: Index. Dann diese ganzen Beef-Geschichten, die es ohne Shindy wohl auch nicht gegeben hätte, weil er mich wieder dazu getrieben hat, Leute zu beleidigen.

Du kannst also gar nichts für den Aso-Faktor in deiner Musik: Shindy ist einfach ein schlechter Einfluss.
(grinst) Genau so ist es. Der will auch immer, dass ich so Vögel wie Animus ­beleidige, wenn die im Internet Mist bauen. (an Shindy gewandt, der neben uns sitzt) Und alles nur, damit du entertaint wirst! Aber im Ernst: Ich habe gerade sehr coole Leute um mich herum. Zwar muss ich denen im Studio auch ab und an mal in den Arsch treten, weil die durch die jüngsten Erfolge sehr verwöhnt sind, aber die sind dennoch das Salz in der Suppe – allen voran Shindy. Beim Interview zum »Sonny Black«-Album Anfang des Jahres hatte ich euch ja erzählt, dass ich den Song gegen Kay wegen eines langen Gesprächs mit Eko geschrieben habe, dem ich daraufhin im Comic zu »Sonny Black« Respekt gezollt habe, indem eine Figur so aussah wie er. Im Comic, das der »CCN3«-Box beiliegt, habe ich nun eine Figur einarbeiten lassen, die an Shindy erinnert.

Was meinst du denn mit »Ich muss den Jungs manchmal in den Arsch treten«? Musst du Handy-Verbote aussprechen, damit sie konzentriert arbeiten?
Bisher gab es das noch nicht, aber gerade ­heute habe ich das erste Mal darüber nachgedacht – vor allem wegen Vincent ­[Beatzarre; Anm. d. Verf.]. Der Kerl ist ein richtiger Handy-Junkie! Erst gestern wollte ich einen Beat machen, Sample und Melodie standen bereits. Ich saß an der MPC und wartete darauf, dass Vincent die Spuren aufmacht, aber er hat’s minutenlang einfach nicht gecheckt, weil er bloß auf sein Kack-Handy glotzt. Ständig. Selbst wenn wir im Steakhaus sitzen und uns ­unterhalten. Alle schauen sich ins Gesicht, nur Vincent schaut auf sein Handy unter dem Tisch.


 
Wo du gerade Eko erwähnt hast: Ein ­Feature von ihm wird es auf »CCN3« ­wohl auch nicht geben, oder?
Nein. Das geht nicht gegen ihn, aber das passt eben genausowenig wie Shindy oder Marteria. Wollt ihr eigentlich wissen, warum ich nicht auf Ekos Album drauf bin?

Klar.
Eko ist mein Freund. Der erkundigt sich regelmäßig nach meinen Kindern, und auch meine Kinder freuen sich immer, wenn Onkel Freezy vorbeikommt. Aber er hat für »Deutscher Traum« ja bei Spaiche unterschrieben, und deshalb kann ich nicht auf seinem Album sein – deswegen hat Eko »Gheddo Reloaded« ja auch nicht mit mir, sondern mit Sido gemacht. Siggi rappt dort ja auch »Danke, Spaiche«, aber ich kann dem nicht dafür danken, dass er mich abziehen wollte. Da geht es mir ähnlich wie mit den Universal-Künstlern, weil ich auch mit Universal nichts mehr zu tun haben will.

War das für dich okay, dass Sido nun auf »Gheddo Reloaded« dabei ist?
Klar. Mein Verhältnis zu Sido ist ein sehr ­erwachsenes. Er macht, was er will und ich mache eben, was ich will. Für ihn war es ja auch cool, dass ich mit Leuten wie Farid und Kollegah ­gearbeitet habe. Und für mich ist es okay, wenn er sich wieder mit Spaiche ­versteht. Auf »30-11-80« sind ja auch viele Spasten drauf, die ich nicht leiden kann – vor allem Nazar, mit dem ich nie im Leben einen Song machen würde, weil ich den Typen abgrundtief hasse. Trotzdem stand ich beim Konzert mit ihm und den ­anderen auf der Bühne – einfach, um Siggi meinen ­Respekt zu zollen. Sido darf cool sein, mit wem er will. ­Warum sollte ich anderen ­Menschen auch ­meine Sichtweise ­aufzwingen? Du kannst schwul sein, Buddhist oder Veganer – ist mir doch latte. Solange man fair miteinander umgeht, ist doch alles cool.

Auf dem ersten »CCN«-Album sprachst du von »HipHop am Fließband« …
Ja, das war damals ein Seitenhieb gegen die Beatfabrik. Nicht, dass ich je was gegen die gehabt hätte, aber Fler hat die gehasst – wie er eben so ist.

Dennoch ist diese Zeile ja mittlerweile Realität geworden. HipHop, ­insbesondere Gangsta-Rap, wird in Deutschland momentan produziert wie am Fließband. Wie stehst du zu der Entwicklung von Gangsta-Rap in den vergangenen zehn Jahren?
Ich habe diesen Genre-Begriff damals eigentlich nur für mich genutzt, weil sich die Leute in Deutschland immer so fürchterlich darüber aufgeregt haben, wenn jemand gesagt hat, er würde Gangsta-Rap machen. Aber eigentlich ist mir Gangsta-Rap vollkommen egal. Ich selbst mache momentan zwar Musik, die man als Gangsta-Rap bezeichnen könnte, bin privat aber ein ganz anderer Typ. ­Deswegen halte ich auch nichts von der ständigen Authentizitätsdebatte. Authentizität alleine macht dich nicht zu einem guten Gangsta-Rapper. Du kannst ein bulliges Anabolika-Opfer sein und 80% der anderen Rapper in einem Einzelkampf kaputthauen, aber wenn du nicht rappen kannst, hilft dir das auch nichts. Deshalb denke ich gar nicht in Sparten wie Gangsta-, Conscious-oder Emo-Rap, sondern nur in cool oder nicht cool. Ich kann einen Song von Cro mögen, obwohl ich seine Klamotten scheiße finde, genauso wie ich nicht automatisch jeden feiere, der einen Carlo-Colucci-Sweater trägt.

Stimmt der Eindruck, dass du dich in der HipHop-Szene nie sonderlich wohlgefühlt und auch nicht viel mit anderen Rappern zu tun hast?
Ja, auch wenn ich mit einigen Leuten schon in Kontakt stehe. Bei Farid ist das zwar sehr auf Rap beschränkt, aber mit Eko gehe ich auch mal spazieren und mit Shindy ­regelmäßig essen. Den Großteil meiner Freizeit verbringe ich aber mit meiner Frau und meinen Kindern. Und natürlich mit meinen Fischen, wenn ich nicht gerade auf Baustellen herumhänge. (grinst) Aber wenn Kollegah ein krasser Korallenfreak wäre, würde ich sicher auch mal privat mit ihm abhängen und ihm mein 10.000-Liter-Becken zeigen. Mit Marteria teile ich diese Leidenschaft für Fische ja. Wenn mein Eigenheim in Kleinmachnow endlich steht, lade ich ihn und seine Frau auf jeden Fall mal zum Essen ein, und dann ­planen wir einen gemeinsamen Angelurlaub.

Und wie ist das Verhältnis zu deinen alten Weggefährten aus der Berliner Rap-Szene?
Mit den meisten Berlinern bin ich cool. Orgi kam sogar zweimal auf der »Sonny Black«-Tour vorbei. Mit den Bassboxxx-Jungs ist alles easy. Und ich freue mich auch jedes Mal, wenn ich Frauenarzt und Manny Marc treffe, mit denen ich immer viel Spaß habe, und die sich auch für mich und meine Erfolge freuen.

Als ihr angefangen habt, war es euch allen wichtig, die Fahne für West-Berlin hochzuhalten. Spielt das immer noch eine Rolle für dich?
Ich sehe mich auf jeden Fall immer noch als West-Berliner. Ich bin als Säugling nach West-Berlin gekommen, dort aufgewachsen und habe auch die Mauer noch miterlebt – wenn ich früher mal mit meiner Mutter mit der Bahn von Süden nach Norden gefahren bin, habe ich beim Blick aus dem Fenster Stacheldraht und Männer mit Kalaschnikows gesehen. Ich trage aber generell einen großen ­Patriotismus in mir: Ich fühle mich als Deutscher, obwohl ich nicht so aussehe, aber darüber hinaus ­immer auch als Berliner. Natürlich gibt es auch anderswo in Deutschland schöne Ecken, aber ich komm nun mal aus Berlin – und trage den Namen der Stadt sogar als Tattoo auf meinem Arm.

Wenn du dich als patriotischen ­Menschen bezeichnest: Wie nimmst du die Zunahme an Islamfeindlichkeit und Angst vor Überfremdung in der ­deutschen Gesellschaft wahr, die zudem von einschlägigen Medien befeuert wird?
Das fuckt mich ab, aber ich checke natürlich, warum die Medien sich so verhalten: Das ­verkauft sich eben. Große Teile der Medien leben ja davon, Ängste bei ihren Lesern zu schüren, damit die wiederum das Gefühl bekommen, sich schützen zu müssen, indem sie sich informieren und diese Publikationen kaufen. Aber ganz ehrlich: Ich scheiß auf die alle, ob Bild, Stern oder Spiegel. Ich scheiße auf jeden Typen, der ein Problem mit mir hat, weil ich einen Bart trage oder einen Glauben habe, mit dem die nichts anfangen können. Ich glaube, was ich glauben will, und ich ­versuche so gut ich kann, nach den Grundsätzen meiner Religion zu leben. Ich schaffe das nie zu 100% und sündige jeden Tag, aber ich versuche es zumindest.

Der Islam ist dir also nach wie vor wichtig.
Meine Religion hat mir schon oft geholfen, insbesondere, über den Tod meiner Mutter hinwegzukommen. Natürlich finde ich es nicht schön, wenn jemand den Islam beleidigt, genauso wie es nicht okay ist, wenn jemand deine Familie beleidigt. Aber was willst du ­machen? Du kannst die Menschen nicht ändern – und gerade deshalb laufe ich so rum wie ich rumlaufe. Ich habe mich im ­Nachhinein richtig darüber geärgert, dass ich mir letztens meinen Bart abgeschnitten habe, und werde mir den jetzt richtig lang wachsen lassen und nie wieder ­abschneiden – auch wenn meiner Frau diese Idee gar nicht gefällt. (grinst) Aber ich will, dass die Leute, die sich von solchen Dingen wie meinem Bart ­beeinflussen lassen, so richtig Absturz kriegen, wenn sie mich sehen. Letztens war ich mit meiner Tochter morgens beim Bäcker, und da hat mich eine alte Oma aus dem Nichts heraus als scheiß Kanake beschimpft und mir gesagt, ich solle mich aus Deutschland verpissen. Was ist mit diesen Leuten bloß los? Ich habe darauf aber gar nicht reagiert, sondern mich einfach mit meiner Tochter unterhalten, die ich auf dem Arm hatte, und bin dann gegangen. Mich interessiert dieser Scheiß heute nicht mehr, und darüber kann die Oma froh sein: Früher hätte ich der sonstwas für Ausdrücke an den Kopf gehauen.

Gibt es denn noch Situationen, in denen du richtig wütend wirst?
Was mich wirklich sehr wütend und traurig gemacht hat, war die Beleidigung von Manuel Charr [der Profiboxer hatte Bushido sowie dessen Frau und Freunde in einer Videobotschaft im März 2014 aufs Übelste beleidigt; Anm. d. Verf.]. Danach war ich ein paar Tage lang richtig mies drauf. Der wird auf »CCN3« auch seine Antwort bekommen. Aber der Oma, die vermutlich nur noch ein paar Jahre zu leben hat, hätte ich lieber gesagt: »Nutz die restliche Zeit deines irdischen Lebens doch für etwas Sinnvolles; für Dinge, die dir etwas bedeuten, anstatt hier schlechte Laune zu verbreiten.« Und auf Kritik an meiner Musik habe ich eh schon immer ­geschissen. Die beste Reaktion auf Kritik ist, genau mit dem weiterzumachen, wofür dich die Leute kritisieren. Das habe ich eine Zeit lang leider nicht beherzigt, saß dann bei Markus Lanz und habe mich von dem in den Arsch ficken lassen. Aber das gibt es heute nicht mehr. Wenn hier jemand irgendwen in den Arsch fickt, dann bin ich das – aber nicht mehr in irgendwelchen Talkshows, sondern ausschließlich in meiner Musik. Und das hat sich auch positiv auf mein familiäres Leben ausgewirkt. Ich habe es geschafft, mir privat sehr viel Schönes aufzubauen. Ich habe ein großes Haus mit 17.000-Quadratmeter-Grundstück, ein riesiges Aquarium, gehe entspannt ins Studio, beleidige Leute und bringe Deutschland dazu, sich aufzuregen – und das freut mich, man.

Hast du trotzdem noch das Verlangen in dir, den Leuten zu erklären, warum du so bist wie du bist?
Eigentlich schon. Aber ich habe gemerkt, dass das die Gesellschaft nicht ­interessiert – da kann ich mir den Mund noch so fusselig reden. Ich war ja eine Zeit lang einer der ­wenigen Leute in der Rap-Szene, die es ­geschafft haben, sich in der Mainstream-Öffentlichkeit gut zu artikulieren. Trotzdem habe ich es nicht geschafft, dass auch nur einer von diesen Wichsern seine vorgefertigte ­Meinung über uns ändert. Und ganz ehrlich: Ich bin doch nicht Sisyphus und rolle den ganzen Tag lang einen Stein den Berg hoch, nur damit der mir am Ende doch wieder ­runterrollt. Wenn ich es nicht schaffe, den Leuten meine Musik so zu erklären, dass sie sie zumindest akzeptieren, dann eben nicht. Und ich mache ganz sicher nicht plötzlich politisch korrekte Musik, damit das ­Feuilleton nicht mehr schlecht über mich schreibt. Das tun die doch eh. Also kann ich doch ­wenigstens das machen, was ich am besten kann und am meisten Spaß macht, oder?

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Hat es dich eigentlich überrascht, als nach »Sonny Black« plötzlich wieder großer Zuspruch aus der HipHop-Szene kam?
Natürlich. Es bedeutet mir was, wenn die Leute mir Respekt geben. Aber wenn sie das nicht tun, dann macht mich das auch nicht mehr traurig. Ich freue mich lieber über die 100.000 Menschen, die das Shindy-Album gekauft haben, anstatt mich über die zwölf zu ärgern, die schreiben, Shindy würde Drake biten.

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