Wenn sich etwas nicht kategorisieren lässt, wird zur Beschreibung gerne der Begriff »genreübergreifend« herangezogen. Ein Paradebeispiel für solch unscharf umrissenen Genrekonturen ist BRKN. Irgendwo zwischen Funk und Rap, Poprock und Soul mag sich der Kreuzberger nicht so recht in eine Schublade stecken lassen – am ehesten vielleicht noch deutscher R’n’B. Aber nicht der kitschklebrige R’n’B-Entwurf der frühen Nullerjahre, sondern selbstironischer, kritischer und musikalischer. BRKN eben.
Andac Berkan Akbiyik, wie BRKN mit bürgerlichem Namen heißt, zieht den Kopf ein, als er in sein Kreuzberger Kellerstudio schlufft. Die üblichen Armaturen, der obligatorische Pfandflaschenhaufen, ein barockes Sofa in der Mitte und Instrumente drumrum. »Für Saxophon und Klavier habe ich Unterricht genommen. Gitarre spielen habe ich mir dann selber noch ein bisschen beigebracht.« BRKN zuppelt an seinem Pulli rum, schnappt sich einen Butterkeks und lacht. »Willst du einen Song hören, Dicker?« Alligatoahs bardischer Gesangsrap schallt aus den Boxen. Kommt BRKNs für Mai angekündigtes Debütalbum »Kauft meine Liebe« sogar in Gänze ohne Gastbeiträge aus, so wird auf der vorgeschalteten EP alles weggefeaturet, was Rang und Namen hat: RAF Camora, Fatoni, Nico von K.I.Z und eben Alligatoah. »Wenn ich meinem früheren Ich erzählen würde, ich hätte einen Song mit Nico – ich würde komplett durchdrehen.« Damals war BRKNs Fokus noch nicht so klar. Erst mal musste etwas »Anständiges« her. Rückblick.
BRKN ist an der Uni, er studierte Architektur. Wie bei so vielen liegt die Motivation dabei vor allem darin, nicht bloß nichts zu tun. Ein Musikstudium kommt für ihn nicht infrage. Zu stark ist die Angst, seine Musikleidenschaft ans Studium zu verlieren. Also kämpft er sich durch Baupläne und Literatur über Häuser und Gebäude. Dann, ein Jahr vor dem Abschluss, macht es plötzlich Klick. Ausschlaggebend sind zwei aufeinanderfolgende Schicksalsschläge: der Tod seiner Tante und der Tod eines Bekannten. Beide Ereignisse lassen BRKN sein Leben überdenken. »Mir ging durch den Kopf: Wenn ich morgen sterbe, was habe ich dann mein Leben lang gemacht? Ich habe darüber nachgedacht, was mich glücklich macht. Und die Antwort ist klar: Musik.« Aus Vernunft quält er sich zwar noch bis zum Bachelor durch. Doch von da an zählt nur noch die Kunst.
BRKN jobbt sich für die Patte zur ersten Platte durch eine Palette von Nebenverdiensten. Oberste Maxime: Miete decken, Mucke machen; bloß kein 9-to-5-Schreibtisch-Hustle. »Ich könnte mir nicht vorstellen, zehn Stunden im Büro zu sitzen. Ich weiß auch nicht, wer das erfunden hat. Ich hab mal eine Woche von morgens bis abends gearbeitet. Danach habe ich mich vergewaltigt gefühlt.« Außerdem mag BRKN es, über das Pleitesein und Rumhängen zu singen. Hier und da sitzt eine Silbe daneben, ist ein Wort vernuschelt oder falsch ausgesprochen. »Es muss nicht alles perfekt sitzen. Wichtig ist, dass ein Gefühl rüberkommt.« Zusammen mit seinen souligen Tönen schlägt BRKN auch kritische an. Er singt von der Selbstdarstellung auf Sozialen Netzwerken, von Süchten und Neu-Kauf-Wahn – ohne sich selbst davon auszuklammern. »Ich bin genauso von der Konsumwelt gefickt, wie viele andere auch. Als mein Vorschuss kam, hab ich mir als erstes eine Playstation 4 geholt.« Viele Wünsche bleiben da nicht mehr offen. Nur eine Sache will sich BRKN noch zulegen: eine clevere Antwort für die Krux mit dem Genre.
Text: Jan Kawelke
Foto: Ferhat Topal
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