Battle Of The Ear: Jay-Z – American Gangster (2007) // Reviews

-

(Roc-A-Fella / Def Jam / Universal)

PRO

Wertung: Fünfeinhalb KronenEr ist zurück. Während sein eigentliches Comeback-Album »Kingdom Come« doch eher an den altgewordenen MJ bei den Wizards als an den leichtfüßigen Air Jordan der Bulls-Ära erinnerte, musste El Presidente sich anscheinend erst von einem Ridley-Scott-Film inspirieren lassen, um wieder richtig gute Rapmusik schreiben zu können. Beziehungsweise mussten sich erst die guten alten Hitmen unter Sean C, LV und Papa Puffy wiedervereinen, um einen geeigneten Soundteppich für die Hood-Narrative des inzwischen 37-Jährigen zu basteln. Auf dem vermeintlichen Konzeptalbum »American Gangster« gibt es endlich wieder jene eindrucksvollen Geschichten von Aufstieg, Ruhm und Fall zu hören, die wir zwischen all den einschläfernden St.-Tropez-Aufschneidereien vermisst hatten. Und tatsächlich liefern Puffy und seine Mannen dafür exakt jenen kohärenten Uptown-Swing, der Jiggas Flow herrlicher umschmeichelt als jeder halbgare Erwachsenwerdungsversuch von Dr. Dre, Chad Hugo und Swizz Beatz zusammen. Die dramatische Eröffnungsphase mit dem wummernden Herzschlag-Beat von »Pray«, der nahtlos in den Titelsong »American Gangster« übergeht, kulminiert schließlich in der klassischen Sampling-Sause »Roc Boys« und verliert sich in den Weiten des »Party Life«, bevor dann der Niedergang des Protagonisten in dem von JD unglaublich stark inszenierten »Fallin’« beschrieben wird. Zwischendurch wird dann das seit »Black Album«-Zeiten kursierende »Ignorant Shit« mit Beanie Sigel regulär verwurstet, und das exzellente »Success« mit Nas auf einem No I.D.-Brett mit Helge Schneider-Orgel im Background löst dann sogar die Versprechung ein, die von »Black Republicans« leider unerfüllt blieb – klarer Anwärter auf den Song des Jahres. Kurzum: Mit weniger selbstinszeniertem Comeback-Druck im Nacken liefert Hova sein stärkstes Material seit 2003.

Text: Stephan Szillus

CONTRA

Wertung: Dreieinhalb KronenSchon interessant, dass es für den Jiggamann heute offenbar der privaten Privilegierten-Preview eines Hollywood-Schinkens bedarf, um den Wind der Straßen wieder zu spüren. Aber Zeiten ändern sich, und so schnappt sich der Meister für seine Filmvertonung auch noch satte Altherren wie Bad Boy-Puffy oder Jermaine Jackson-Dupri, die wiederum auf die ebenso alten, aber offenkundig weniger satten Vorarbeiter Sean C und LV (Puffy) bzw. No I.D. (Dupri) zurückgreifen. Die Erstgenannten waren im Übrigen schon für »Can’t Knock The Hustle« auf Jays Maßstäbe verschiebendem Debüt »Reasonable Doubt« zuständig, während No I.D. Commons »I Used To Love H.E.R.« verantwortet hat und von Kanye als Mentor bezeichnet wird. Nun ist No I.D. als Partner von Kris Kross-Dupri mit zwei Beats »auf Jay« vertreten, während Kanye gar nicht erst auftaucht – auf eine gewisse, unerklärliche Weise ist das alles konzeptionell konsequent und schließt Kreise. In der Umsetzung jedoch ist das alles leider etwas unspektakulär geraten. Sean C. und LV beherrschen zwar perfekt diese Blaxploitation-Instrumentierung, bleiben aber an den Drums hier und da etwas altbacken. So stampft der Opener »Pray« unrund durch den Raum und ernüchtert trotz routinierter Jay-Performance. Diese ist ohnehin das zusammenhaltende Element von »American Gangster«: Jay-Z zeigt sich lyrically topmotiviert, mitunter sogar überambitioniert. So ist »No Hook« in erster Linie spielerischer Rap-Rap, nur leicht kontrastiert von einem unaufgeregten Schmachtfetzen Musik. Gleiches gilt für »Success«, bei dem Jay auf schwerem No I.D.-Gerät den zwar engagierten, aber reimschematisch ausnahmsweise etwas halbgaren Nas in den Schatten stellt. Und die von Puffy »produzierte« nächste Single »Roc Boys« kommt nicht nur mit bei Just Blaze geborgter trompetiger Energie, sondern insbesondere auch mit aufgeregter Partyreimerei um die Ecke: »Mazel tov, it’s a celebration, bitches, L’Chaim!« Sonstige Rapgäste sind einzig der unvermeidliche Lil Wayne (wobei »Hello Brooklyn 2.0« arg blutleer gerät) und der gute alte Beanie Sigel auf dem heimlichen Hit der Platte, »Ignorant Shit«: Auf einem sphärischen, Justin Blaze-untypischen Gerät stylen die beiden so abgeklärt und arrogant durch die Gegend, als hätte es all die Familia-Streitigkeiten nie gegeben. Ach ja, Pharrell: »I Know« hat man so oder so ähnlich schon gehört, und »Blue Magic«, dieser individuell rückwärts gewandte Rohbau eines Rapsongs, ist zumindest als Single ein bisschen untergegangen. »American Gangster«: interessant. Aber nicht zwingend der große, erlösende Jahreshöhepunkt, auf den alle gewartet haben.

Text: Schivv

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein