ASD: »Wir haben hunderte andere Rapper gesehen – und überlebt.«

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Stimmt es eigentlich, dass ihr mal kurz in Erwägung gezogen habt, euch in Anlehnung an einen Song auf eurem ersten Album Ich & Er zu nennen statt ASD?
Samy: (lacht) Ja, stimmt. Und wir sind sehr froh, dass wir das nicht gemacht haben!

Samy, über euer erstes Album »Wer hätte das gedacht?« hast du mal gesagt: »Es gibt kein Konzept. Wir haben uns einfach von den Beats leiten lassen, die wir hatten. Die Beats waren die Grundlage von allem.« Kann man diesen Satz eins zu eins auf »Blockbasta« übertragen?
Samy: Ja, beides sind keine Konzeptalben. Und die Beats standen immer vor der Textidee. Trotzdem gibt es auf beiden Platten auch Konzeptsongs. Für »Blockbasta« haben wir jedoch mehr zusammen im Studio gesessen und sind weniger gereist.

Wie seid ihr an die Beatauswahl rangegangen? Habt ihr erst mal gesammelt oder gezielt Produzenten angefragt?
Samy: Wir haben vorwiegend gesammelt. Jeder hat die Leute kontaktet, mit denen er down ist. Aber bei »Krieg« von Dr. Zorn sowie »Mensch gegen Maschine« und »Legendär/Populär« von Derek von Krogh haben wir die Leute im Vorfeld gebrieft und ihnen gesagt, dass wir so eine Rage-Against-The-Machine-Soundästhetik haben wollen. Wir hatten sogar ein paar souligere Beats, aber irgendwie war das dieses Mal nicht unser Film. Wir wollten Energie.

 
DJ Rocky und DJ Desue sind nicht nur auf der neuen Platte dabei, sondern waren auch schon auf »Wer hätte das gedacht?« vertreten. Habt ihr mal in Erwägung gezogen, noch weitere Produzenten vom ersten Album anzufragen?
Afrob: Dafür gab es keine Notwendigkeit, weil wir genug gute Leute zur Auswahl hatten.
Samy: Über Waajeed haben wir mal kurz nachgedacht. Ich hatte lustigerweise im Netz eine Lecture von der Red Bull Music Academy von 2004/2005 gefunden, wo er ein bisschen die Story von diesen beiden Dudes aus Deutschland erzählt, die Beats von ihm haben wollten. (grinst) Aber irgendwie hat sich das komisch angefühlt ihn anzufragen, also haben wir es gelassen.
Afrob: Mit Desue und Rocky haben wir ja auch nicht aus Nostalgiegründen zusammengearbeitet, sondern weil das fähige Leute sind, die Produktionen abliefern, die im internationalen Vergleich locker bestehen können.

Sam, du hast in anderen Interviews mehrfach betont, dass du dir nicht vorstellen kannst, mit einem anderen Rapper als Afrob ein gemeinsames Album zu machen. Was hat er, was andere nicht haben?
Samy: Sagen wir so: Ich mag Kollabos mit anderen Rappern super gerne. Aber bei Afrob und mir fühlt sich das so natürlich an. Auch in den zwölf Jahren zwischen den beiden Platten gab es immer mal wieder diese besonderen ASD-Momente; allein, wenn wir auf der Bühne mal zusammen »Sneak Preview« gespielt haben – einen der krassesten Rap-Beats weltweit, aus dem wir auch noch einen geilen Song gemacht haben. Das kann uns keiner mehr wegnehmen. Das ist ein Vermächtnis. Und an das wollten wir mit »Blockbasta« anknüpfen.

Im Interview zu eurem ersten Album habt ihr auf die Frage, was ihr voneinander gelernt habt, geantwortet: »Arbeitstempo.« Und dieses Mal?
Samy: Ach, man lernt immer voneinander. Das ist ja auch der Grund, warum ich mit jemandem wie Robbe zusammenarbeite: Er fordert mich, und dadurch werde nicht nur ich besser, sondern auch wir als Gruppe. Wir sind zwei Künstler auf Augenhöhe, die seit über zwanzig Jahren Musik machen und einen eigenen Kopf haben. Wir lassen uns beide nicht viel sagen, weil wir nie gelernt haben, Dienstleister zu sein. Wir waren immer unsere eigenen Chefs. Trotzdem haben wir es wieder geschafft, gemeinsam und Ego-frei ein geiles Album aus der Taufe zu heben. Das ist für uns beide eine künstlerische Bereicherung.

Wir beherrschen das Handwerk. Wir sind Solorapper, die seit mehr als zwanzig Jahren ohne Backup auf der Bühne abliefern. Immer. – Samy Deluxe

Habt ihr auch mal Kritik aneinander geübt?
Afrob: Natürlich, aber meistens haben wir bereits selbst gemerkt, wenn mal was nicht so tight war. Wir kennen untereinander auch keine Befindlichkeiten. Kritik gehört bei einer Kollaboration dazu – nur so geht man besser aus einem Projekt heraus als man reingegangen ist.
Samy: Natürlich schwebt trotzdem immer dieses Competition-Ding im Raum. Jeder will die beste Version seiner selbst in das Projekt einbringen. Aber nicht aus Ego-Gründen, sondern um das gemeinsame Projekt im bestmöglichen Licht erstrahlen zu lassen.

Ihr seid in jüngster Zeit der erste bedeutende Rap-Act hierzulande, der auf eine große Promophase verzichtet und binnen weniger Wochen ein Album rausgehauen hat. Ihr seid damit auf Platz 4 in die Charts eingestiegen. Wie beurteilt ihr rückblickend den Move: Seid ihr zufrieden?
Samy: Alle Beteiligten sind superhappy, wie’s gelaufen ist. Wir schmieden bereits Pläne, wie wir weiter verfahren. Am angenehmsten war aber, dass wir nicht tausend Interviews geben mussten. (grinst)

Auf der Platte heißt es: »Wir hinterlassen Konzerthallen in Schutt und Asche/Sobald wir kommen, springt die Crowd wie ne kaputte Platte«. Die Zahl an Rap-Konzerten steigt ständig an, dennoch sind Rap-Shows häufig langweilig. Ihr geltet hingegen als eines der besten Live-Rapduos des Landes …
Samy: Das Beste, was es auf deutschen Konzertbühnen im November gibt! Kein Disrespekt an andere, aber wir setzen gerne alle Rapper bei uns auf die Gästeliste, damit sie mal was lernen können.

Was macht ihr anders als andere?
Samy: Wir beherrschen das Handwerk. Wir sind Solorapper, die seit mehr als zwanzig Jahren ohne Backup auf der Bühne abliefern. Immer. Und wir sind technisch in der Lage, die Songs einer Platte eins zu eins auf die Bühne zu bringen – das haben wir schon mal 99 Prozent aller anderen Rapper voraus. Und wenn Robbe und ich zusammenkommen, ist das einfach krass.

 
Hat das damit zu tun, dass ihr noch aus einer anderen Schule kommt?
Afrob: Natürlich. Wir haben hunderte andere Rapper gesehen – und überlebt. Früher gab es häufig gar keine Bühnentechnik, da hattest du manchmal nur eine Monitorbox zur Verfügung – und diese Erfahrung schult ungemein. Wir sind einfach Live-MCs, die zudem eine Vision davon haben, wie sie live wirken wollen. Bevor wir zum ersten Mal in eine Booth gegangen sind, waren wir bereits komplette Rapper. Du musstest damals einfach der Beste sein und dich auf jeder HipHop-Jam erneut im Cypher beweisen.

Was braucht man als guter Live-MC?
Afrob: Ohne geiles Songmaterial wird’s schwer. Wir haben aber einen so krassen Katalog an geilen Songs – das ist schon fast unverschämt.
Samy: Nicht zu vergessen: die Mission, die Attitude. Beides haben wir bereits alleine, verdoppeln es gemeinsam aber noch mal. Ich meine: Im Studio bin ich wirklich der entspann­teste Typ ever. Aber wenn ich auf die Bühne gehe, dann will ich kaputtmachen. Ich will, dass andere Rapper am Bühnenrand stehen und denken: »Fuck, das kann ich nicht.«

War das immer schon so?
Samy: Ja, von Anfang an. Wir wollten immer die lautesten sein. Dynamite und ich haben immer dafür gesorgt, dass wir den krassesten Bass haben. Dadurch konnten wir andere Acts, die damals vielleicht schon mehr Hype hatten als wir, locker an die Wand spielen. Aber Hype bringt dir eben nur jubelndes Publikum vor der Show – wir wollen jedoch jubelndes Publikum nach der Show.
Afrob: Good Teaching! Listen! Und wehe du schreibst nicht, was er gerade gesagt hat! (grinst) ◘

Foto: Vitali Gelwich

Dieses Interview erschien in JUICE #169 (hier versandkostenfrei nachbestellen).JUICE_Cover_169

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