ASD: »Wir haben hunderte andere Rapper gesehen – und überlebt.«

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Man kann nicht zurückkommen, wenn man nie weg war: »Dies ist kein Comeback, dies ist eine scheiß Bombe« – unmissverständlicher als Afrob und Samy Deluxe auf ihrem ­gemeinsamen Longplayer »Blockbasta« kann man es kaum formulieren. Und dennoch: Zwölf ganze Jahre hat es gedauert, bis die beiden Rap-Veteranen auf Albumlänge wieder gemeinsame Sachen gemacht haben – das ist um einiges länger als die Halbwertszeit einer durchschnittlichen Rap-Karriere. Doch das Warten hat sich gelohnt. Oder um es mit ASD zu formulieren: »Unser Album ist ein Fest, nenn es Festplatte.«

Lasst uns von vorne anfangen: Sam, du hast Afrob zum ersten Mal bei einem Freestyle-Battle in München wahrgenommen, oder?
Samy: Ja, das war 1995, bei meinem zweiten oder dritten Auftritt überhaupt – damals hießen DJ Dynamite und ich noch No Nonsens. Bei unserem ersten Gig in Hannover habe ich direkt David Pe [Rapper von Main Concept; Anm. d. Verf.] kennengelernt, der uns einen Monat später gleich für eine Jam in München gebucht hat. Ich hab mir dann den Soundcheck angeguckt und mitbekommen, wie die Massiven Töne Robbe dazu überredet haben, beim Freestyle-Battle mitzumachen. Das hat er dann auch gemacht und ist mit seiner unkonventionellen Art bis ins Halbfinale gekommen. Rückblickend war das lustig, weil das technische Level zwar noch relativ low war, die Battle-Aggressivität aber hoch. Alle haben solche Zeilen gedroppt wie: »Ich brech dir dein Genick und disse dich/Denn du bist nicht so gut wie ich!« (schmunzelt) Robbe hingegen war viel menschlicher in dem, was er gerappt hat, und kam deshalb beim Publikum auch so gut an. Er hatte damals so einen nappy Afro und hat davon erzählt, dass seine Mutter meint, er solle sich mal die Haare kämmen. (lacht) Das war einfach nicht so plumpe Scheiße. Wirklich kennengelernt haben wir uns aber erst zwei Jahre später.

 
Warum nicht schon bei besagtem Gig?
Samy: Ich war am Anfang so, wie junge Rapper sein sollten: »Shut da fuck up! Look, listen and learn!« Ich war nie der Typ, der zu allen Leuten hin ist und denen erzählen musste, dass er auch rappt. Das liegt nicht in meiner Natur.

Robbe, du hast Sam erst später wahrgenommen, oder?
Afrob: Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, ihn an besagtem Abend auf der Bühne gesehen zu haben. Irgendwann war ich mal mit Freundeskreis auf der Reeperbahn, dort hat Sam mich angesprochen. Da habe ich gemerkt: Das ist ein cooler Dude. Ein wenig später hat mir jemand dann von einem Fünf-Sterne-Deluxe-Konzert erzählt, wo der Support-Act mit einem großen schwarzen Rapper alles zerstört hat, und da war mir klar: Das kann nur er gewesen sein.

Wann hast du Samy zum ersten Mal live rappen hören?
Afrob: Das weiß ich nicht mehr. Aber wir haben irgendwann das legendäre Dynamite-Deluxe-Tape in die Hände bekommen – und das war genial! Ich weiß aber noch: Als ich 1999 auf Promotour in Hamburg war, habe ich Samy angerufen und gefragt, ob er was zu rauchen checken kann. Also kam er vorbei und hat sich auch ein paar meiner Interviews gegeben. Von einem Journalisten wurde Samy dann gefragt, ob er nicht mal was freestylen könne, worauf Samy nur meinte: »Bin ich hier deine Jukebox, oder was?« (Gelächter)
Samy: Ein anderes Mal war ich in Stuttgart, vermutlich hatte ich da wiederum Robbe angerufen, um was zu rauchen klarzumachen. (grinst) Wir waren dann noch bei DJ Thomilla im Studio, wo Afrob seinen Classic »Geschichten aus der Nachbarschaft« aufgenommen hat. Thomilla hatte eine ganz heftige Villa am Rand des Stuttgarter Kessels – das war für mich voll krass. Denn unser Studio in Hamburg war in meiner versifften Wohnung – in Tropfs Schlafzimmer. Und die Küche war die Booth.

Heute ist alles komplexer geworden. Auf der einen Seite rappen Kids mit Migrationshintergrund auf Deutsch, beherrschen aber die Sprache nicht richtig, auf der anderen Seite adaptieren deutsche Mittelstandskids den Kanaken-Slang. – Samy Deluxe

Eine andere Welt, was?
Samy: Absolut. Später war ich noch mal eine Woche in Stuttgart, als ich für das »Esperanto«-Album von Freundeskreis »Eimsbush bis 0711« aufgenommen habe. Da habe ich auch wieder mit allen abgehangen: Afrob, Max, Sekou – auch Shurik’n von IAM war in der Woche da. Das war für mich eine krasse Erfahrung, weil ich das erste Mal als Rapper alleine für ein Feature angefragt wurde. Und als »Esperanto« dann Gold ging, war ich wieder in Stuttgart – auf der dazugehörigen Party. So haben wir uns also regelmäßig gesehen. Unsere erste Kollabo war dann für mein erstes Album »Samy Deluxe« auf »So soll’s sein«, wofür Afrob die Hook beisteuert. Da droppt er am Ende des Songs die legendäre Line: »Hamburg – Stuttgart: 7 Kilometer«. Er wollte eigentlich 700 sagen, aber irgendwie hat er was vergessen. (lacht)

Die nächsten gemeinsamen Tracks waren dann 2001 »Adriano« mit den Brother’s Keeper und 2002 »Four Fists« mit KC Da Rokee und D-Flame?
Samy: Bei »Adriano« haben wir zwar nicht zusammen aufgenommen, waren im Zuge dessen aber gemeinsam auf einer Tour durch ostdeutsche Schulen und Asylantenheime, die krass war, weil man da mit einer deutschen Realität konfrontiert wurde, die wir in der Form nicht kannten.

Kam auf diesem Trip die Idee auf, mal auf Albumlänge zusammenzuarbeiten?
Samy: So genau wissen wir das beide nicht mehr. Als wir in Südafrika zum Videodreh von »Four Fists« waren, haben wir aber schon ­darüber gesprochen.

Stand es mal zur Debatte, ein Four-Fists-Album zu machen – also zusammen mit KC Da Rokee und D-Flame?
Afrob: Nein. Es war ja so: Samy war mit seinem ersten Soloalbum »Samy Deluxe« wahnsinnig erfolgreich, ich mit meinem zweiten Soloalbum »Made In Germany« gar nicht – dennoch wollten wir diese Platte zusammen machen. Wir haben uns in dieser Szene immer ähnlich gefühlt – das verbindet.

 
Welches Gefühl meinst du?
Afrob: Wir werden von außen häufig auf unsere Hautfarbe reduziert. Das war auch in der HipHop-Szene so, wo man sich als Schwarzer eigentlich nicht als Außenseiter fühlen sollte. Das war schon komisch.
Samy: Robbe war eben der Schwarze in der Kolchose, ich der Schwarze in der Mongo Clikke.

Fühlt ihr euch heute noch manchmal so?
Samy: Heute ist alles komplexer geworden. Auf der einen Seite rappen Kids mit Migrationshintergrund auf Deutsch, beherrschen aber die Sprache nicht richtig, auf der anderen Seite adaptieren deutsche Mittelstandskids den Kanaken-Slang – das kann man mit damals nicht vergleichen. Wir wurden zu der Zeit aber auch mit vermeintlich positivem Rassismus konfrontiert: dass wir deshalb geiler rappen können, weil wir schwarz sind. Aber das ist natürlich genauso Bullshit: Skills haben nichts mit der Hautfarbe zu tun.
Afrob: Aber beim Emanzipationsprozess einer Kultur wie HipHop, die bei Unterprivilegierten in den Staaten angefangen hat, ist auch klar, dass Dinge mal falsch laufen – und eine Zeit lang eben auch auf unseren Schultern. Ich habe mich jedenfalls ab und an komisch gefühlt, wenn ich auf Jams rumstand. Oder wenn bei einem Diss gegen mich als erstes die Hautfarbe angeführt wurde. Wir sahen eben genau so aus, wie das, wovon sich die deutsche Szene emanzipieren wollte: schwarz mit Cappy und weiter Hose.

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