Rapper kokettieren, übertreiben, pauschalisieren – das ist legitim und dient dem Unterhaltungszweck. Aber, gerade auch im Straßenrap, wird der Interpretationsspielraum dieser Stilmittels oft offen gelassen. Neben (leider üblichen) Sexismen, die Frauen gerne zu »Bitches« degradieren, oder Homophobie, kombinieren deutsche Rapper gerne mal Geld, Juden und damit verbundene Stereotypen. »Ich leih dir Geld – doch nie ohne ’nen jüdischen Zinssatz, äh Zündsatz«, rappt Kollegahs langjähriger Label-Kollege Favorite etwa auf »Sanduhr« vom 2014er-Album »King«. Auch Haftbefehl, Celo und Abdi oder Massiv haben ähnlich provozierende Lines, die nicht selten zu Kontroversen führten. Es bleibt die ewige Frage, ob derartige Aussagen die Freiheit der Kunst nur an eine moralische Grenze treiben oder doch überschreiten. »Die Diskussion über Antisemitismus im deutschsprachigen Rap dreht sich überwiegend um gewisse Codes in Raptexten, bei denen allerdings nicht immer klar ist, ob sie seitens der Sprechenden das transportieren sollen, was die Kritisierenden verstehen wollen«, schrieb Marcus Staiger in einem Essay für die Bundeszentrale für politische Bildung.
Ein Blick ins Innere der Szene
Gehören diese teilweise schauerlichen Zweideutigkeiten zu Rap wie das Mikrofon ins Mischpult oder versuchen hier ein paar Judenfeinde ihren Hass breitenwirksam zu legitimieren? Im WDR-Reportagen-Format »Die Story« geht die ehemalige JUICE-Autorin Viola Funk dieser Frage nun nach. Anhand von Interviews mit Wissenschaftlern, Fans, Rappern wie P.A. Sports oder der Antilopen Gang und Szene-Kennern wie dem ehemaligen Haftbefehl-Manager Erfan Bolourchi, Ex-JUICE-Redakteur Marc Leopoldseder oder der jüdischen HipHop-Promoterin Marina Buzunashvilli werden Verweise zum (Anti-)Zionismus, die Bedeutung des Nahost-Konflikts für Rap und die allgemeine Frage diskutiert: Ist deutscher Rap antisemitisch?
Die Doku ist ab sofort in der Mediathek des WDR verfügbar.