American Dreams: Das Producer-Trio Shucati über die Arbeit mit Timbaland, Dave East uvm. // Interview

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Foto: Shucati

Wie kam es denn dazu, dass ihr plötzlich in den USA bei Timbaland im Studio saßt?
Luca: Über Instagram haben wir immer schon mit vielen Produzenten und Beatmakern connected. Da habe ich einen Typen aus Miami kennengelernt, der eigentlich gar kein Produzent ist. Wir beide haben uns auf jeden Fall viel ausgetauscht und auch mal Beats hin und her geschickt. Eines Tages meinte er dann, dass er vor fünf Jahren in einer Radiostation in Miami gearbeitet hat. Da hatte er mit Timbaland zu tun. So hätte er eine E-Mail von Timbo bekommen, an die wir mal Beats schicken sollen. Das haben wir gemacht. Und tatsächlich kam dann auch eine Antwort. Da stand erstmal nur: »Dope! Send more«, oder so etwas. Wir waren uns erst gar nicht sicher dabei, da hätte uns ja auch jemand verarschen können. Wir haben dann trotzdem weiter Sachen an diese Mail geschickt. Nach rund einem Monat, das war Ende 2018, kam dann eine Mail, in der stand: »Das ist meine Handynummer, ruf‘ mich doch mal an.« Das habe ich dann gemacht – und tatsächlich hat wirklich Timbaland abgenommen.

Shucati am Arbeiten mit Timbaland

Wie lief dieses Telefonat ab?
Luca: Timbaland meinte, dass er unser Zeug feiert, er sich ein neues Team aufbaut und mehr mit uns arbeiten will. Und ob wir demnächst nicht mal »zufällig« in den Staaten wären. Tatsächlich hatten Tim und ich zu dem Zeitpunkt schon eine Woche Los Angeles für den Januar geplant, um da ein, zwei andere Produzenten zu treffen. Dort haben wir Timbalands Manager, Gary von Mono Music, kennenlernen kennengelernt. Der hat uns dann wiederum viel darüber erzählt, wie bei Timbaland im Team gearbeitet wird. Zurück in Deutschland haben wir uns weiter ausgetauscht und wir haben normal weitergearbeitet. Ein paar Wochen später hat Timbaland uns dann geschrieben: »Könnt ihr nächste Woche in Miami sein? Da haben wir Sessions mit Dave East. Wäre geil, wenn ihr dabei wärt.«

Wie war das für euch, diese Nachricht zu bekommen? Genau davon träumt doch jeder Producer, oder?
Tim: Wir haben anfangs nicht wirklich dran geglaubt. Wir dachten, der Typ, der uns die Mail gegeben hat, schreibt uns selbst zurück und tut so als wäre er Timbaland (lacht). Es war dann aber übertrieben flashig, klar. Ich war gar nicht aktiv in der Kommunikation drin, das war Luca. Er hat ja auch mit Timbaland telefoniert. Als er dann meinte: »Das ist er wirklich«, das war heftig. Krass war auch, dass die Einladungen zu diesen Sessions direkt Schlag auf Schlag kamen. Nach der Session in Miami waren wir in Atlanta mit Chance The Rapper und Ludacris im Studio. Danach waren wir nur zwei Tage zuhause, bis die nächste Anfrage kam. Ob wir nicht in fünf Tagen in Miami mit Asap Ferg ins Studio wollen. Das wurde aber leider umgeplant. Wir hatten irgendwann das Gefühl, dass die denken, wir wohnen nur einen Bundestaat weiter und könnten immer easy vorbeikommen (lacht).
Luca: Das war wirklich alles so surreal. Als ich mit Timbo telefoniert habe, war ich gerade bei meiner Mutter zuhause, da war es kurz vor Weihnachten. Kurz vor dem Essen war dann das Telefonat. Ich brauchte wirklich lange, um das zu realisieren.

»Wir haben gecheckt, was da gleich im Studio passiert, wen man trifft und dass man sich natürlich auch beweisen muss. Das war schon Druck«

Tim

Wie war es dann für euch, auch wirklich mit diesen Leuten zu arbeiten? Ist das vielleicht auch einschüchternd, weil man weiß, was diese Künstler alles gemacht und mit wem die gearbeitet haben?
Luca: Voll. Das ist auf jeden Fall einschüchternd.
Tim: Ja, sehr! Wir waren anfangs krass nervös. Wir hatten uns ja auch erst drei oder vier Monate zuvor gegründet, das ging extrem schnell. Als wir in Miami erstmals auf dem Weg zum Studio waren, lief im Radio ein alter Song von Timbaland. Wir waren eh schon nervös und in dem Moment wurde es immer realer. Wir haben gecheckt, was da gleich im Studio passiert, wen man trifft und dass man sich natürlich auch beweisen muss. Das war schon Druck. Als wir dort angekommen sind, haben wir Justin und Jordan aus dem Team von Timbaland kennengelernt. Die haben als erstes Unmengen von Chicken Wings bestellt (lacht).
Luca: Zum Runterkommen (lacht).
Tim: Für den Ami-Flavour, das war ein cooler Ice-Breaker. Timbaland war dann nach zwei Stunden immer noch nicht da. Wir saßen solange nur im Studio, haben gegessen, unser Zeug aufgebaut. Ich war so krass nervös, man. Wir haben dann draußen eine Kippe geraucht. In dem Moment kam ein Raumschiff von einem Tesla vorgefahren. Der hat da erstmal zehn Minuten geparkt und nichts ist passiert. Dann stieg Timbaland aus. Er hat uns fünfmal angeguckt, wollte eigentlich schon an uns vorbeigehen und ist dann stehen geblieben: »Ah! It’s the german guys, right?«. Er hat sich dann kurz vorgestellt und wir sind rein ins Studio und haben uns gegenseitig Sachen vorgespielt. Luca: Er hat uns da auch zum ersten Mal die Songs von Tee Grizzley gezeigt, an denen wir später mitgearbeitet haben und die dann auf dem Album gelandet sind. Am Tag danach haben wir dann angefangen, mit Dave East zu arbeiten. Wenn klar war, dass er einen Beat feiert oder angefangen hat, darauf zu schreiben, kriegt quasi jeder Producer im Studio den Beat. Dann werden Melodien ausgetauscht, Drums gesetzt.

Es heißt oft: »Never meet your idols«. Wie war das mit Timbaland?
Luca: Das war super nett. Sehr entspannt. Sehr, sehr inspirierend. Bisher waren alle Erfahrungen mit ihm echt nur positiv.
Tim: Er war auch super interessiert an uns. Das hätte ich nicht gedacht. Man stellt sich Stars oft gestresst vor, die erleben halt so viel. Er hat aber total viel nachgefragt und wollte alles über unsere Arbeitsweise wissen. Fast schon so, als hätte er von uns lernen wollen. Dabei war es für uns viel zu krass, mit ihm abzuhängen. Da gab es echt ein gegenseitiges Interesse. Irgendwann hat man sich deswegen dann auch sicher und wohl gefühlt, weil man nicht mehr das Gefühl hatte, in ihm rumbohren zu müssen, um etwas zu erfahren. Im Gegenteil: Ich glaube fast, dass er uns mehr Fragen gestellt hat als wir ihm.

Auch für Future haben Shucati mittlerweile produziert

Shuko, warum warst du denn nicht dabei?
Shuko: Ich bin derzeit geblacklisted, ich darf nicht einreisen. Ich habe eine Zeit lang davor in New York gearbeitet. Das ist ein bisschen doof gelaufen (lacht).

Wie hast du diesen ganzen Prozess dann aus der Ferne miterlebt? Ist der Gruppenchat explodiert?
Shuko: Auf jeden Fall. Das war sehr surreal. Wie gesagt: Wir haben das alles erst ein paar Monate zuvor gestartet. Dann schaue ich auf Instagram und sehe die beiden Jungs plötzlich in der Story von Timbaland. Ich bin beispielsweise riesiger Fan von Teyana Taylor. Irgendwann lese ich im Gruppenchat: »Ey, Teyana ist jetzt noch dazugekommen, die ist hier und macht ein neues Album. Hast du irgendwas? Schick rum!« Ich bin direkt ins Studio und habe an ein paar Sachen rumgebastelt und die Jungs konnten es Teyana vor Ort dann direkt vorspielen. Das war ein geiles Gefühl. Durch das Internet war ich eh irgendwie dabei. Das ist geil heutzutage. Obwohl ich nicht vor Ort war, hat es sich deshalb trotzdem als Crew-Ding angefühlt.

Konntest du den Jungs aus eigenen Erfahrungen mit amerikanischen Künstlern und Producern etwas mit auf den Weg geben?
Shuko: Ich habe vor über zehn Jahren mit Swizz Beatz und all den G-Unit-Produzenten gearbeitet. Aber das war etwas anderes. Timbaland ist ja wirklich ein Super Producer. Der ist für mich in einer Liga mit Kanye. Da fällt es mir auch schwer, irgendwelche Tipps zu geben. Ich habe für meinen Teil so viele negative Sachen erlebt mit Leuten, die einfach fake waren. Wo anfangs alles super lief, es am Ende aber weder Credits noch Kohle gab. Deswegen war auch bei dieser Geschichte erstmal sehr skeptisch.

»Schlechte Erfahrungen mit Amis sind super wichtig. So kann man ein Fingerspitzengefühl entwickeln«

Shuko

Kannst du skizzieren, wie ein Worst Case in so einer Zusammenarbeit aussehen kann?
Shuko: Ich hatte damals auch eine Producer-Crew, mit der wir super viel für Tyga gemacht haben. Das war noch bevor Tyga zum Star avanciert ist. Wir hatten damals Kontakt zu einem Typen, der sich als dessen Manager ausgab. Wir wussten damals aber nicht zu 100 Prozent, ob er das auch wirklich war. Tyga hat uns damals bei MTV ein wenig gehostet und uns gesagt, dass wir da mal am Start sein könnten. Dann dachte ich, dass das alles safe wäre. Dann ging es aber um Kohle und plötzlich war alles sehr wischiwaschi. Tyga hat irgendwann sein Album gemacht und plötzlich war es dann schwierig mit Beats. Das ist halt die Kehrseite. Wir haben bei ihm sehr viel Groundarbeit gemacht, für extrem viele Videosingles die Beats produziert. Aber als es dann um Geld ging, war er raus. Solche Erfahrungen sind aber auch super wichtig! So kann man ein Fingerspitzengefühl für Künstler und Situationen entwickeln. Es war damals natürlich aber auch eine ganz andere Zeit. Es gab kein Whatsapp, kein Skype, die Kommunikationswege waren viel weiter.

Es soll ja auch Agenten geben, deren Job es ist, Beatpools aufzubauen, aus denen sich Rapper bedienen können. Habt ihr mit denen auch zu tun?
Tim: Wir hatten das zuerst kaum auf dem Schirm. Wir wussten anfangs auch nicht, dass man sich über Instagram so gut connecten kann. Heute ist das fast der größte Teil unseres Jobs. Natürlich gibt es Leute, die sich als A&Rs oder Beatplugs ausgeben, denen du für 200 Euro Beats schicken kannst, damit die die irgendwo »platzieren«.

Nur das Schicken kostet dann 200 Dollar?
Tim: Da schreibt dir irgendeine random Person, die sich als Manager von dem und dem ausgibt, ja. Die wollen dann Geld haben und versprechen dir dafür Placements. Die werfen mit irgendwelchen Namen um sich. Aber das haben wir noch nicht selbst erlebt zum Glück. Da darf man nicht naiv sein.
Luca: Was es auch gibt, sind Leute, die für bestimmte Projekte oder Alben Beats sammeln sollen. Dann gibt es Ansagen, welche Arten von Beats, welche Geschwindigkeiten etc. zu dem Rapper passen, und die Person soll dann auf die Suche gehen und sich mit Produzenten connecten. Da gibt es ganz viele Wege für Producer, um seine Beats unterzubekommen. Wir haben von Anfang an aber den Weg über die Produzenten gesucht. Da waren nie Labelleute oder A&Rs zwischengeschaltet. Damit sind wir diese Beatpools immer umgangen.

https://www.instagram.com/p/B6TPeFbCKFK/
Shucati-Crew

Könnt ihr einzelne Aspekte oder Lehren benennen, die ihr aus euren Trips und Sessions in Amerika bisher besonders mitgenommen habt?
Tim: Puh, das ist sau viel. Alles, was man da aufgeschnappt hat, war inspirierend. Allein die Art und Weise, wie Timbaland Beats macht und welches Setup er hat. Früher hat er mit Hardware gearbeitet, heute vor allem am Laptop und mit Ableton Push. Auch dieser ganz bestimmte Timbaland-Bounce, den nur er hat, den im modernen Kontext zu hören. Mit Trap Drums und allem. Man hat ja lange nichts von ihm gehört. Und tatsächlich ging es mit den Produktionen bei ihm wieder los, als wir gerade connected haben. Dessen neue Sachen zu hören, war sau heftig. Die Intensität von den Drums, wie krass das knallt. Die Studiomonitore waren so groß wie Haustüren. Aber auch die Art und Weise, wie er mit den Künstlern kommuniziert und wie er sein Produkt den Leuten schmackhaft macht. Fast schon wie ein Kaufmann. Bevor er bei den Beats auf Play gedrückt hat, hat er oftmals erst eine Geschichte zu dem jeweiligen Instrumental erzählt. Von wegen: »Den hier hat Jay-Z zum Beispiel fast gepickt.« Dave East hat auch irgendwann gesagt: »Okay, aber jetzt drück‘ doch endlich Play!«.
Luca: Diese ganze Mentalität ist auch nochmal anders als bei uns. Die ganze Arbeitsweise. In den USA kann man sich auch sehr, sehr hohe Ziele setzen. Die Leute wissen es zu schätzen, wenn sie merken, dass jemand wirklich zum Arbeiten da ist. Davon habe ich viel mitgenommen. Aber das, was auch Tim schon angesprochen hat, hat auch mich beeindruckt: Der Umgang mit Rappern und Produzenten. Wie man sich in Sessions mit großen Künstlern verhält. Diesen Schritt im Kopf zu machen, mit einem Künstler zusammen geile Songs zu machen und nicht nur Beats abzuliefern. Das war sehr inspirierend zu sehen.

Shuko, du hast vorhin auch DJ Mustard angesprochen. Wie sieht denn die Zusammenarbeit mit ihm aus?
Shuko: Er ist einer unser Go-To-Guys was das Zuschicken von Samples betrifft. Uns war es generell auch wichtig, dass wir uns nicht nur von Timbaland abhängig machen. Wir benutzen Instagram wie gesagt als die Hauptplattform, dort sind wir auch mit Leuten wie Boi1da und eben Mustard connected.

»GEFÜHLT HABEN WIR AUCH JEDES MAL, WENN WIR RAUSGEGANGEN SIND, IRGENDEINE PROMINENTE PERSON GESEHEN. ZUM BEISPIEL BIRDMAN BEIM TELEFONIEREN AUF DER STRASSE FÜNF METER VON MIR ENTFERNT«

Tim

Da ihr eh viel mit den Amis schreibt und connceted: Gibt es bei euch die Überlegung, einfach rüber zuziehen?
Luca: Der nächste Schritt wäre es, in großen Abschnitten zu pendeln. Wir waren bisher ja oftmals eine Woche am Stück da. Jetzt geht es darum, auch mal einen ganz Monat oder zwei dort zu verbringen. Irgendwann könnte ein Umzug dann vielleicht zum Thema werden. Denn es macht natürlich einen großen Unterschied, wenn man vor Ort ist. Da kann man Sachen erreichen, die man wiederum über Instagram oder das Internet nicht umsetzen kann. Aber das ist noch weit im Hinterkopf.

Shuko, dürftest du dann auch endlich wieder mit?
Shuko: (Lacht) Ich bin wieder frei, ja. Mein Ziel für dieses Jahr ist es, in Toronto und generell in Kanada ein größeres Netzwerk aufzubauen. Dort ist viel los, es gibt viele Möglichkeiten und Kontakte. Ein Freund von mir hat jetzt angefangen, dort für Universal zu arbeiten. Da möchte ich die Fühler ausstrecken und neben dem Beatsmachen die Kultur aufsaugen und Inspiration aufsammeln.
Tim: Voll, so erging es uns auch in Atlanta und Miami. Das war wie im Film, wie in einer anderen Welt. Man sitzt im Studio und plötzlich kommt Fat Joe vorbei. Mit dem ging es für mich mit HipHop los (lacht). Gefühlt haben wir auch jedes Mal, wenn wir rausgegangen sind, irgendeine prominente Person gesehen. Zum Beispiel Birdman beim Telefonieren auf der Straße fünf Meter von mir entfernt. Im nächsten halben Jahr wollen Luca und ich wieder rüber, das ist schon geplant. Unser Ziel ist es generell, dort stattzufinden. Deswegen gehört es dazu, auch viel dort zu sein.

Interview: Louis Richter

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