»Come On Everybody« von Run DMC, »Crooklyn« der Crooklyn Dodgers, Mobb Deeps »Drink Away The Pain« und »Temperature’s Rising«, »One Love« von Nas, Mariah Careys »Honey« im Bad Boy Remix, »K.I.S.S.« von Diamond D – alle diese Kleinode aus den dicksten Drums und den besten Basslines legten Zeugnis davon ab, dass es Tip stets nur um die Musik ging und nicht um Camps, Zugehörigkeiten oder anderen Mumpitz. Mit fehlender Engstirnigkeit hatte das nicht einmal was zu tun, immerhin zeigte Tips konkretes Soundbild damals den Facettenreichtum eines 9th Wonder.
Ein festgefahrenes Soundbild – da kann der Katalog noch so bunt sein – ist generell gerade beim dritten Album die schlechtestmögliche Voraussetzung. Bei dritten Alben muss man Versuche wagen, damit man nicht langweilig klingt, aber man darf es bloß nicht übertreiben. Nach acht Monaten ermüdender Sample-Suche hatten Phife, Ali und Tip die Hosen voll. Auch weil auf ihnen ein enormer ökonomischer Druck lastete. Jive verlangte Zahlen von den Jungs. Das sich gerade kommerzialisierende Genre labte sich am Dollarregen, ATCQ lümmelten beim Break Even. »Midnight Marauders« hatte ein so hohes Sampleclearing- wie Produktionsbudget – in einer Zeit, in der sich Labels eher ungern die Finger an teuren Sample-Klagen verbrannten. Dank Jive wurde »Midnight Marauders« aber nicht zu einem »Detox« und erschien im Oktober 1993 am gleichen Tag wie »Enter The Wu-Tang«. Tip, der Perfektionist, nein, der Kontrollfreak, musste jedoch gezwungen werden, das Album abzugeben. »Midnight Marauders« wurde perfekt.
Beats, Rhymes & Fights
Es ist nicht möglich, einen einzigen Grund für den Anfang vom Ende auszumachen, aber kurz nach der Veröffentlichung von »Midnight Marauders« war es vorbei mit dem Love Movement. Noch nicht mit der Gruppe selbst, aber mit dem Spirit, der sich in den vergangenen drei Jahren von Queens’ Linden Blvd. in die Welt verbreitete. Phifes Umzug nach Atlanta, seine mittlerweile zum echten Problem gewordene Diabetes, der Achtungserfolg des Albums, Tips Schauspieldebüt neben Janet und Pac in »Poetic Justice« mit dem einhergehenden endgültigen Schritt in den Mainstream und den Flirts mit Angie Martinez und Nicole Kidman, dazu seine Konvertierung zum Islam, Shaheeds offensive Zurückhaltung und Scheu vor jedweder Konfrontation – all das brachte das Tribe-Universum ins Wanken. Aber es brauchte noch zwei weitere Alben und knapp fünf Jahre, bis die Welt davon erfuhr.
»Beats, Rhymes & Life« hätte eine Veränderung in der Gruppendynamik nicht besser hörbar machen können. Q-Tips Cousin Consequence übernahm das Mikro öfter, als es Phife auf »People’s Instinctive Travels« getan hatte, und torpedierte dabei auf sieben Songs die Harmonie von Tip und Phife. Und dann war da dieser unbekannte Produzent aus Detroit – Jay Dee –, dem Tip und Ali so mir nichts, dir nichts einen Löwenanteil der Produktionen überließen. Die enttäuschten Fans waren sauer, die wohlwollenden Fans im besten Fall verwirrt. Der Tribe sollte Musik für seine Fans machen, dabei machte Tribe Musik immer nur für sich selbst. Auf »Beats, Rhymes & Life« versuchte man eine Formel zu finden, um dem omnipräsenten Rap&B entgegenzutreten. Nicht aus kampfgeistiger Überzeugung, sondern weil es niemand anders konnte. Böswillig gesagt, verfolgte Tip, oder vielmehr sein neues Alter Ego Kamaal Ibn John Fareed, aber nur seine eigenen Vorstellungen von HipHop. Dass er dafür James Yancey, einem der begabtesten Produzenten des Genres, dem unbekannten Schlafzimmer-Instrumentalisten, dem tragischen Helden, der mit einem Katalog für die Ewigkeit so viele Leben veränderte, seine erste Plattform gab, empfanden die Fans damals als mittlere Geschmacksverirrung. Letztendlich war es egal. Der Tribe konnte kein schlechtes Album machen. Schon gar nicht, wenn ihnen wie bei den letzten beiden Platten die Soulquarians-Clique zur Seite stand.
Demnach war auch »The Love Movement« kein schlechtes Album. Dennoch erreichte die Absurdität und die ganze verdammte traurige Wahrheit zwei Jahre später mit der Veröffentlichung ihren Höhepunkt. Das Trio brach endgültig auseinander. Natürlich im Streit, ohne das aber auch nur annähernd zugeben zu wollen. Dabei eröffnete Mos Def noch großspurig die Veranstaltung: »Ladies and gentlemen, I want to bring up a group of men who are all about love.«
»We don’t wannna keep trying to do it and then ruin it«, erklärte Tip im typischen Singsang beim exklusiven Breakup-Interview in der »Source«, um nur kurz darauf unter Tränen auf die Legacy zurückzublicken. Das Kapitel Tribe war zuende. Das Buch aber natürlich schon längst an eine neue Generation zwischen Rawkus Records und Conscious Rap übergeben. Zumindest zwei Dritteln der Crew fiel eine große Last von den Schultern.