Der neunte November 1993 war ein guter Tag für Rap. Nicht nur »Midnight Marauders«, das dritte Album des Tribes, sondern auch das stilprägende Debüt »Enter The Wu-Tang (36 Chambers)« erschien an diesem Tag. Während der Wu-Tang Clan mit seinem brutalen Nihilismus in Sound und Inhalt eine neue Ära in New York einläutete, war »Midnight Marauders« eher der krönende Abschluss einer anderen Ära – nämlich der Native-Tongues-Bewegung. Zwar prägt der Afrozentrismus (»Steve Birko (Stir It Up)« ist nach einem südafrikanischen Bürgerrechtler benannt), der intellektuelle und sozialkritische Gestus (»Sucka N**ga«) sowie die bunte Weirdness der Native Tongues das Album, doch schon ein Blick auf die Features verrät das Zerwürfnis zwischen A Tribe Called Quest und den übrigen Mitgliedern des losen Kollektivs. Lediglich De La Souls Trugoy The Dove schaut für den Refrain der Single »Award Tour« im Studio vorbei – ausgerechnet eben jener Trugoy, der im selben Jahr auf De La Souls »In The Woods« das Ende der Native Tongues verkündet: »That native shit is dead.« Nach dem verspielten und quietschbunten Debüt »People’s Instinctive Travels …« war der Nachfolger »The Low End Theory« musikalisch eine Reduktion aufs Wesentliche: harte Drums, geschmeidige Bassläufe und elegante (Jazz-)Samples. Mit Songs wie »Electric Relaxation« oder »The Chases, Part II« führt das Quartett diese Formel auf dem dritten Album zur Perfektion, und auch am Mikro haben sich Q-Tip und Phife Dawg davor und danach nie mehr so perfekt ergänzt. Dennoch fällt es 25 Jahre nach der Erstveröffentlichung von »Midnight Marauders« immer noch schwer, das dritte Album in das Gesamtwerk der Gruppe einzuordnen. Fragt man vier Fans nach dem besten Album von A Tribe Called Quest, kriegt man vier verschiedene Antworten. Das spricht aber nicht gegen »Midnight Marauders«, sondern lediglich für die unglaubliche Qualität der Diskografie des Tribes.
Daniel Welsch