Money Boy
Choices
Testo: Auch wieder ein Beispiel, wie Antifaschismus cool verpackt sein kann: »Magst du Hitler? – nope. Magst du Pizza? – yup.« So einfach kann es manchmal sein.
Grim104: Der letzte Höhepunkt von Money Boy. Den hab ich tatsächlich als unseren Jesus Christus wahrgenommen, der für unsere Sünden stirbt und alles überall verarscht.
Testo: Ich fand ja auch den splash!-Zwischenfall lustig. Klar, wenn ich auf der Bühne gestanden hätte, wäre ich auch gepisst gewesen. Aber Money Boys Reaktion: Das war ich nicht, das war mein böser Zwillingsbruder Gabor – das war schon genial lustig.
Das Motto »fake it till you make it« scheint sich beim Boy dieses Jahr erfüllt zu haben.
Grim104: Vielleicht sind das auch so Hipster-Reflexe von mir, aber mittlerweile nervt mich diese Lingo total.
Testo: Diese Sprache wird bestimmt bald bei Taff und in der Internet-Explorer-Werbung genutzt.
Grim104: Wie Dubstep. (Gelächter) Wenn Burger King mit Graffiti wirbt, wird ja eine ganze Jugendkultur vereinnahmt. Aber die Vorstellung, dass ein einziger Mensch es schafft, den Mainstream so zu infiltrieren, finde ich schon bemerkenswert.
Testo: Deutschrap besteht leider nur zu zehn Prozent aus interessanten Typen, da sticht Money Boy schon krass raus. Er hat ja abseits der Musik viel Action gemacht, aber musikalisch war das nicht mein Money-Boy-Jahr.
Yung Hurn
Nein
Testo: Geil. Yung Hurn, den feier ich total, auch seine »Opernsänger«-Nummer. Hat sich deren Berg-Money-Gang jetzt nicht zerstritten oder mit dem Swag Mob überworfen? Bei Yung-Hurn-Fans ist das nur so ähnlich wie Money Boy: Die wären vor ein paar Jahren genau so gut bei JuliensBlog rumgehangen, was deren Humorlevel betrifft. Da wurde ja einer Noisey-Praktikantin in Wien im Internet spaßeshalber ein Gang-Rape angedroht. Daraus Yung Hurn einen Strick zu drehen, fand ich nicht so geil.
Er hat aber beleidigende Posts mit dem vollen Namen der Praktikantin veröffentlicht.
Grim104: Ich muss mich da der Kolumne von Staiger aus eurer letzten Ausgabe anschließen. Crack Ignaz und LGoony verstehe ich noch, aber den Rest finde ich einfach nicht greifbar. Viele in meinem Umfeld feiern das, aber ich fühle das nicht. Ich bin halt krasser Text-Nazi und mag es, wenn ein Song viel Text hat. Autotune als Stilmittel finde ich auch super, aber als ausschließliche Stimmfarbe etwas langweilig.
Zugezogen Maskulin & LGoony
Füchse 2015
Testo: »Was ist das denn für ein Autorap?« Das hat ernsthaft jemand unter das Video geschrieben. (grinst)
Ihr seid schon sehr früh auf LGoony aufmerksam geworden.
Testo: Der hing immer auf unserer Facebook-Seite rum und war da sehr lustig. »Fly Shit« war dann der erste Track, den wir krass fanden. Es ging schnell bergauf mit ihm. Als das splash!-Mag anfragte, mit wem wir den Track machen wollen, war die Entscheidung recht einfach.
Diese Cloud-Rap-Themen funktionieren besonders gut im linken Spektrum. Vor allem LGoony wird von vielen Punkbands und -fans sehr gefeiert.
Grim104: Wahrscheinlich erhebt sich die Antifa e.V. langsam aus ihrer Atari-Teenage-Riot- und Slime-Starre. Das sind ja nicht nur Leute, die in besetzten Häusern auf dem Boden schlafen. Das sind ja auch Leute, die swaggy sind und zeitgemäße Popkultur wahrnehmen.
Testo: Es gibt gerade in Antifa-Kreisen die Tendenz zur Humorlosigkeit. Da spiegelt sich auch dieser gesellschaftlich verankerte Selbstoptimierungsgedanke wider. Nur, dass es nicht darum geht, sportlich fit und leistungsfähig, sondern moralisch und ethisch integer zu sein und bloß keine verletzende Sprache zu nutzen oder verletzende Gedanken zu hegen.
Grim104: Das sind halt menschliche Widersprüche, die man aushalten muss. Die gehören zum Leben dazu.
Testo: Ist doch auch total anstrengend, wenn man sich gegenseitig misst und in einem Wettstreit steht, wer jetzt am verkopftesten ist. Für mich muss nicht jeder Witz fünf Ebenen haben. Ich kann mir Farid Bang anhören und das cool finden, obwohl ich sein Frauenbild nicht unterschreibe. Das ist das Schöne an Rap: Ich kann mich an Sachen reiben, die nicht exakt meinem Weltbild entsprechen. Sonst könnte ich ja nur meine eigene Mucke hören.
Bushido & Shindy
Brot brechen
Die beiden haben im letzten Jahresrückblick nicht sonderlich nett über euch gesprochen.
Testo: Mein Lieblingszitat: »Kein Wunder, dass Staiger das feiert.« Was ja auch ein Selbstdiss ist, wenn man bedenkt, dass Staiger ein großer Shindy– und Bushido-Befürworter ist. Den ersten Teil des »Cla$$ic«-Albums kann man sich echt gut geben. Gerade die Bushido-Zeile: »Ich erzähl meiner Tochter von der Zahnfee, zehn Minuten später fallen Kugeln aus dem AMG.« Das ist genial. Ich fand auch »Sonny Black« richtig gut, aber die Sachen, die ich von Bushido richtig mag, sind schon zehn Jahre alt.
Grim104: Zum Glück hat er seine Karel-Gott-Phase hinter sich gelassen, in der er versuchte, dem Establishment seine Hand auszustrecken.
Testo: Für mich war es befriedigend zu sehen, dass er dann wieder auf alles geschissen hat, nachdem ihm in diese ausgestreckte Hand direkt reingespuckt wurde.
GZUZ Feat. xatar & Hanybal
Ebbe & Flut
Testo: Hier weiß man sofort, dass das authentisch und echt ist. Da wird ein Gefühl übertragen und nicht nur mit irgendwelchen Bildern gespielt. Das ist alles erlebt. Stimme krass, Delivery krass. Ein sehr interessanter, cooler Rapper.
Grim104: Das ist Musik, die einen sofort in eine andere Welt reinzieht. Das schafft bei mir sonst nur Haftbefehl. Dieses Hamburgerische hat etwas sehr Britisches an sich: die Optik und der Swag. Und ohne, dass es wie Grime klingt, hat es eine ähnliche Energie. Wo sich Xatar erhaben, babahaft und unnahbar gibt und Hafti dieses finstere Frankfurt-Bild zeichnet, hat die Strassenbande einen ganz eigenen Style. Ich steh sonst eigentlich nicht auf Dancehall, aber wenn die das einbauen, find ich das geil. Videoblogs und Gangsterrapper passen ja sonst nicht gerade gut zusammen. Bei der Strassenbande hat man sogar als Mittelstandskiddie sofort Bock, dabei zu sein. (grinst) ◘
Foto: Philipp Gladsome
Dieses Interview erschien in JUICE #172 (Back Issues hier versandkostenfrei nachbestellen).