Yung Hurn – 1220 // Review

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(Live From Earth / Soulfood)

Wertung: Dreieinhalb Kronen

Fremde Männer, die mit allen über Blowjobs sprechen, sind langweilige Poser. Yung Hurn ist ein Fremder geblieben. Trotz der Mixtapes, trotz der Journalisten, die versuchten, sein Verhalten zu analysieren und trotz Instagram-Selbstdarstellung inklusive Live­streams aus dem Bett. Auf seinem Debütalbum »1220« rappt Yung Hurn oft über Blowjobs. Ist seine Musik deswegen langweilig? Inhaltlich ja. Der etwas versaute, aber nie verkrampfte Love- & Drugtalk und die radikale Verknappung der Lyrics auf wenige Reizworte waren auf seinen Mixtapes eine spannende Neuerung. Die Zeiten, in denen Reimketten wahlweise möglichst lang oder möglichst brutal sein mussten, schienen vorbei zu sein. Er ignorierte Normen und transportierte im Subtext die Freuden und Leiden des jungen Hurn. Sie gingen einem nahe oder man fand das alles furchtbar arrogant. »Alle deine Freunde hassen alle meine Freunde/Aber alle meine Freunde kennen deine Freunde nicht«, rappt er auf »Ok Cool« und manifestiert damit in zwei Sätzen seine Coolness und sein autonomes Standing in der Rapszene. »Ok Cool« reiht er dann schläfrig immer wieder aneinander. Seine Stimme wird zum meditativen Klang. Auf »MHM« spinnt er das Spiel mit der Wiederholung weiter, braucht nicht mal Vokale, um gut zu klingen. Yung Hurn vernuschelt die Silben, klingt dabei so gelangweilt, wie es nur geht, und man versteht fast nichts. Aber kein Problem: Viel wird auf »1220« ohnehin nicht gesagt. Bisschen Mode, bisschen Koks ziehen, bisschen Party, bisschen Sex, bisschen Lecken, Lieben, Leiden – das war’s. Hurns Stimme, ob nun singend und von Autotune manipuliert oder apathisch stotternd, wird zum tragenden Instrument des Albums. Das ist die große Stärke. Die Sounds im Hintergrund leiern unauf-, aber gefällig. Die Synths sind sleek, wirken wie die Vertonung von Post-Internet-Ästhetik. »Lachs Anthem« erinnert sogar an eine verlangsamte Version von Mall Grabs Lo-Fi-House. An anderer Stelle ruckelt es aber heftig, Percussions und Basslines ersetzen jegliche Harmonien. Das Problem: Alles war genau so zu erwarten. Doch die Stärke von Yung Hurns Musik ist ja gerade, Erwartungen zu enttäuschen und etwas Spannenderes zu kreieren. »1220« ist eine Kompromisslösung zwischen den Sounds seiner Love Hotel Band und dem Alter Ego K. Ronaldo. Ästhetische Stagnation also.

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