Marsimoto – Verde // Review

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(Green Berlin / Sony)

Wertung: Viereinhalb Kronen

»Haben gelebt wie die Könige, doch die fetten Jahre sind vorbei«, verkündet ein unter dem leicht zu dechiffrierenden Namen »The Friendly Ghost« firmierender Casper zu Beginn – ist das ein netter, kurzer Gruß aus einem Paralleluniversum, in dem es mit der Casimoto-Kollabo-Platte doch was geworden ist? Oder sind es sentimentale Worte zweier Typen, die damals die Deutschrap-­Renaissance angeschoben haben und nun mitansehen müssen, wie andere ihr Erbe verwalten? Nein, in solchen Kategorien funktioniert die Figur Marsimoto auch auf ihrem fünften Album nicht. Wenn überhaupt, dann fühlt es sich an, als hätten Hypes und hohe Erwartungen auf »Verde« noch weniger Gewicht als bei vorherigen Projekten, die ja immer irgendwie das chaotische Korrektiv zum bescheidenen Superstar Marteria sein sollten. ­Dieser Druck ist weitgehend verschwunden, längst ist das gepitchte Alter Ego selbst zum alten Bekannten geworden, der jedoch in einer sonderbaren, vorteilhaften Zeitlosigkeit existiert. »Chicken Terror« berichtet empathisch aus dem Leben ausgebeuteter Tiere wie einst »Ausgesetzt« oder »Blaue Lagune«, »Go Pro« arbeitet sich an einem vier Jahre alten Meme ab, »Aus dem Nebel« erzählt vom Ende des Lebens und in »Immer wenn ich high bin« schaut mit Trettmann kurz die Gegenwart vorbei, um eine lockere Anekdote aus dem Tour-Alltag mit Bonez und RAF zu erzählen. So viel Gelassenheit behauptet HipHop gerne, bringt sie aber selten mit, was trotz manch missglückten Wortspiels (»Nichts ist so lit wie ne Litfaß­säule« hat vermutlich jeder schon mal so ähnlich gedacht, aber zu recht nicht ausgesprochen) großer Trumpf dieser Platte ist. Hits sollen die anderen liefern, hier trifft man sich zu gewohnt wolkigen bis angenehm enervierenden Klängen unter Codenamen, um ungestraft Albernheiten wie die krumme Hook in »Email und die Detektive« verbrechen zu dürfen. Marsimoto begreift derweil seine Körperlosigkeit als Chance, fantasiert sich in fremde Rollen hinein und findet mit »Solang die Vögel zwitschern gibt’s Musik« sogar zu jener Beschreibungskunst, die so nur Marten Laciny hinkriegt. Souverän im besten Sinne.

Text: Sebastian Behrlich

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