(Art@War/Atlantic Records/Warner Music)
Verloren wirkt YBN Cordae auf »The Lost Boy« überhaupt nicht. Das 21-jährige Member des YBN-Kollektivs, das ursprünglich mit Freestyles auf Gaming-Plattformen auf sich aufmerksam gemacht hat, hat zwar erst 2018 Bekanntheit erlangt und feiert hiermit sein Studioalbumdebüt, überzeugt aber direkt mit einer Reife und Soundwahl, die man sonst von Größen wie J.Cole und Chance the Rapper gewohnt ist. Gleich der Opener »Wintertime« erinnert mit soulig-organischem Beat und selbst gesungener Hook mehr an Southern Conscious Rap à la CunninLynguists, als das, was man sonst von einem 2019er XXL Freshman erwarten würde. Auch die Featuregästeliste besteht ausschließlich aus Veteranen und großen Namen fern der Mumble/Autotune/Swag-Rap-Bubble. Chance, Pusha T, Meek Mill und Ty Dolla $ign kommen nicht mit Parts aus dem Papierkorb-Ordner und tragen zu einem gelungenen Gesamtwerk bei. Vor allem Anderson.Paak überragt auf »RNP« im Zusammenspiel mit Cordae am Mic und J.Cole an den Reglern mit einer Gute-Laune-Hymne und der dritten Single des Albums. Bemerkenswert, dass ein Debütant auf derart prominente Unterstützung zählen kann und dabei zu keiner Zeit fehl am Platz wirkt. Ähnlich erwachsen klingt »The Lost Boy« für ein Erstlingswerk nämlich auch in voller Länge. Ab »Way Back Home« folgen allerdings einige Titel, die im Kontrast zum Restwerk zu mellow sind, wo Cordae seine introspektive und persönliche Seite zeigt. Damit verpasst er zwar die Möglichkeit, ein kürzeres »Classic« oder »Hits only«-Album abzuliefern, aber zeigt seine Vielseitigkeit als Rap-Artist. »The Lost Boy« hat das Potenzial, eines der interessantesten Newcomer-Werke des Jahres zu werden. Vor allem als Gegenentwurf zum (Jugend)Trend des ignoranten Raps und gleichzeitig der Fähigkeit, auch einen Track wie »Broke As Fuck« für die Splash-Moshpits zu produzieren.
Text: Eduard Keller