Herbst 2008. Ein junger Mann, dessen Name vielen damals nicht ganz reibungslos von der Zunge gehen möchte, platzt mit seinem Debütalbum in die musikalische Einöde seiner Zeit. Der Titel der Platte liefert das Credo einer ganzen Ära: »Alles oder Nix«. Zehn Jahre später kann Xatar auf eine lupenreine Erfolgsgeschichte zurückzublicken, zumindest auf musikalischer Ebene. Auf seinem vierten Soloalbum »Alles oder Nix II« zieht der »Bira« nun Bilanz. Im nostalgischen Tenor reflektiert er alle essenziellen Höhe-, Tief- und Wendepunkte seiner filmreifen Vita. Schon in den ersten Takten trifft er den Kern seines Erbes mit maximaler Prägnanz: Durch ihn wisse Deutschrap, »wie Blut schmeckt«. Keine Frage: Die beispiellose Geschichte der Sexarbeiterin, die Xatar zur arrivierten Künstlerin formte, ist ebenso längst erzählt, wie die einschneidenden Erlebnisse aus seiner mittlerweile vier Jahre zurückliegenden Haftzeit. Und dennoch gelingt es dem AON-Oberhaupt, sie ein weiteres Mal schmackhaft in den von ihm kreierten Spannungsbogen einzuflechten. Jeder Schwank aus der zurückliegenden Dekade ist packend abgefasst, jede hämische Referenz an den Mythos um die verschollenen Goldbarren sitzt. Dass seine stoischen Formulierungen, seine ungeahnten Offbeat-Monologe und die Inanspruchnahme seines gänzlich individuellen Wortschatzes einen hohen Unterhaltungswert innehaben, weiß Xatar. Auch seiner für deutsche Rapper unverhältnismäßig ausgeprägten Musikalität scheint sich der Bonner stärker denn je bewusst zu sein, basiert das Album doch deutlicher als jedes seiner Vorgänger auf gewagt ausschlagenden melodischen Gerüsten. Stetig annektiert Xatar die eigene, zugegebenermaßen eindrucksvolle Erscheinung in die Zeilen seiner Songs, vermittelt die Rolle des »Chefs im Game« selbst in den reumütigen Momenten authentisch. Bedauerlicherweise verliert er sich zwischen reflektierten Storytellern immer wieder in unnötig oberflächlichen Vibe-Experimenten der Marke »Modus Mio«: Ein Track wie »Zinedine«, in dessen Hook Xatar zusammenhanglos Fußballernamen vom Stapel lässt, wertet den sonst starken Charakter der Jubiläumsplatte zwischenzeitlich ab. Einzig deshalb kann »Alles oder Nix II« in seiner Stoßkraft nicht gänzlich mit »Baba aller Babas« mithalten.