Dieser Text sollte eigentlich ein Interview sein, das ich mit Pop Smoke angesichts seines neuen Mixtapes »Meet The Woo 2« führen sollte. Mit dem neuen Tape sicherte sich der Künstler seine erste Platzierung in den Top Ten der Billboard Charts, mit seinem Mix aus hartem Drill und seiner Trademark-Stimme inspirierte Pop Smoke Künstler auf der ganzen Welt und trug maßgeblich dazu bei, dass Drill immer mehr zu einem globalen Phänomen wurde – und mittlerweile auch in Deutschland angekommen ist. Nun wurde Pop, dessen Opa ihm den Spitznamen Poppa verpasste, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in seinem Haus in den Hollywood Hills von Los Angeles überfallen und erschossen.
Im Medical Center von West Hollywood konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. Wer war der gerade mal 20-jährige Bashar Barakah Jackson, der in den Straßen von New York aufwuchs und als Newcomer gefeiert wurde, obwohl er bereits in der Liga der ganz Großen mitmischte?
Pop Smoke war bereits auf der LP »JackBoys« von dem gleichnamigen Kollektiv um Travis Scott vertreten und verlieh der Kollabosingle »Gatti« mit seiner charakteristischen Bassstimme auf dem Violinenbeat eine düstere Komponente. Außerdem rappten niemand Geringeres als Nicki Minaj und Skepta auf den Remixes seiner Debütsingle »Welcome To The Party«, die im April 2019 von seinem ersten offiziellen Mixtape »Me The Woo« veröffentlicht wurde.
Pop Smoke inspirierte Künstler auf der ganzen Welt
Anfang Februar erschien »Meet The Woo 2«, das Tape sollte Pop Smokes Status als angehender Superstar des US-Raps weiter zementieren. Mit seinem extrem harten und kompromisslosen Drill-Sound war er dabei, eine eigene Spate für sich und weitere Künstler*innen zu eröffnen. Dieser aggressive und düstere Sound harmonierte perfekt mit seiner rauen Stimme. Das wusste auch Produzent 808Melo, der bereits für Pops Debütprojekt für die Recording Sessions von London nach New York eingeflogen wurde. Sein Schaffen inspirierte Künstler auf der ganzen Welt – und auch Artists in Deutschland. Luciano, der zuletzt mit »Mios mit Bars« den bis dato vielleicht besten deutschen Drill-Entwurf ins Netz feuerte, bezeichnete Pop Smoke auf Instagram als »größte Inspiration«. Beide hätten bereits zusammen an Musik gearbeitet. »Schade, dass wir unseren Song nie fertig machen werden«, schrieb Luciano und teaste den Track in einem weiteren Post an.
Pop Smoke betrachtete sich selbst gern als neuen König, mit seinem Erfolg ging er nicht unbedingt zurückhaltend um: »She Know That Papi Outside, She Know I’m The King Of New York«. Zwar wurde zuletzt in den USA weniger von ernstzunehmenden Straßenrivalitäten gerappt – Pop Smoke war da mit seiner Nähe zu den Crips eine Ausnahme – aber Gewalt und Mord sind nach wie vor Realität von Menschen wie XXXTentacion, Nipsey Hussle oder jetzt beim jüngsten Fall von Pop Smoke. Der thematisierte Gang-Gewalt und die Kriminalität immer wieder in seinen Songs. Auf »Christopher Walking« heißt es in der Hook: »N***** sayin‘ they outside/ N***** sayin‘ they outside/ Send the addy, we gon‘ slide/ Air it out when we arrive/ Poppin‘ that shit, but they don’t want the smoke«.
Wie »TMZ« nun berichtet, handele es sich bei dem Mord an Pop Smoke doch nicht wie zunächst angenommen um einen Raubüberfall. Videoaufnahmen würden viel mehr zeigen, wie vier Männer das Haus betreten und nach einigen Minuten wieder verlassen – ohne jegliche Diebesgüter mit sich zu tragen. Es handele sich laut dem Bericht um gezielten Mord. Zuvor soll Pop Smoke Fotos von luxuriösen Geschenken ins Netz gepostet haben, eines soll laut »TMZ« mit der Adresse, der »Addy« seines Hauses beschriftet gewesen sein. Ob Pop die Mörder kannte ist weiterhin nicht bekannt, gefasst wurden sie noch nicht.
Heimliche Recording-Sessions
Was bleibt ist das Wissen, dass Pop Smoke ein extrem großes Talent war, das noch lange nicht den eigenen künstlerischen Höhepunkt erreicht hat, erreichen konnte. Ihm stand eine große Karriere bevor, deren Anfang bereits für gute Musik und Schlagzeilen in hoher Frequenz sorgte. Heimlich hat Pop Smoke einst im Studio angefangen, seine ersten Vocals aufzunehmen. Gerne hätte ich ihn darauf angesprochen und gefragt, vor wem oder was er seine Musik zunächst verheimlichen wollte. Gerne hätte ich mit ihm über Drill gequatscht, über seinen Erfolg, über das New Yorker Rap-Erbe, das er antrat und über den Sound einer der wichtigsten HipHop-Städte aller Zeiten, den Pop in ein ganz eigenes, ganz neues Gewand hüllte.
Feststeht: Kein Musikstil ist daran schuld, sondern Strukturen, die Neid, Hass und Gewalt begünstigen. Wir sagen immer, Rap sei ein Abbild der Gesellschaft und diese Gesellschaft ist gezeichnet durch Macht, Konkurrenz und Missgunst. Rest in Power Pop Smoke, die Party wird bestimmt woanders weitergehen.
Text: Zina Lu