Wiley – 100% Publishing // Review

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(Big Dada/ Rough Trade)

Wertung: Drei Kronen

Es ist ein Kreuz mit dieser Innovation. Kaum hat man sein eigenes neues Genre kreiert, kommen schon die Echthalter und Besserwisser auf den Plan und wollen die Grenzen definieren. Übertritt man diese dann, obwohl man selbst nie nach diesen Regeln gefragt hat, wird man mit Schimpf und Schande aus dem Untergrunddorf gejagt. So zuletzt geschehen beim Grime-Godfather Wiley. Da spielt es keine Rolle, dass sämtliche Roll Deep-Singles aus der »In At The Deep End«-Ära oder später sogar der 4/4-Stampfer »Wearing My Rolex« vergleichsweise eigenständige Grime-Tracks mit Mainstream-Appeal sind, zu denen sich Tinie Tempahs aktueller Output verhält wie David Guetta zu den Masters At Work. Für den Hardcore-Head steht trotzdem fest: Wiley hat Grime verraten und verkauft, und die elf Zip-Files, die er inklusive seines für 2010 geplanten Albums »The Elusive« ins Netz stellte, machen die Sache nicht gerade besser. Entsprechend kritisch wurde der Albumvorbote von »100% Publishing« auf der britischen Alternative-Rap-Institution Big Dada beäugt, wo auch schon sein Genre-Klassiker »Playtime Is Over« erschien. Dank fiesem Subbass und netten Neptunes-Anleihen wurde »Numbers In Action« dann sogar von der Echthaltergarde für gut befunden, wenngleich auch nicht für exzellent. Dieses Mittelmaß ist dann auch das Problem des kompletten Albums, denn bis auf »Pink Lady« und »Talk About Life« sind alle Songs durchaus anhörbar, nur fehlt eben dieser eine Ausnahmemoment. Gut, »Information Age« hat ein bisschen was von Wileys 2004er Überhit »Pies« und der Titeltrack »100% Publishing« bringt seine neue Haltung gekonnt auf den Punkt: »I know some don’t care about the Grime scene, but I’m gonna till I die.« Nachdem also der Plan zuletzt war, Grime endgültig »hinter sich lassen« zu wollen, will er sich nun mit der Hardcore-Szene – sofern es so etwas überhaupt noch gibt – versöhnen. Doch am Ende des Tages fehlen Wiley die Höhepunkte und die Hits, so dass »100% Publishing« vielleicht »real« sein mag, über weite Strecken aber unentschlossen und gleichförmig klingt. Wenn Wiley nicht aufpasst, dann wird er bald so etwas wie der Ill Bill des britischen Grime.

 

Text: Julian Gupta

 

 

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