Waving The Guns: Im Dreck schwimmen, ohne zu Dreck zu werden // Feature

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Waving The Guns haben einen Hang zur Abgrenzung: Gegenüber den Werten der bürgerlichen Gesellschaft, aber auch gegenüber einem Gros der hiesigen Rapszene. Nun erscheint das vierte Album der Rostocker: »Das muss eine Demokratie aushalten können«.

Seit September hat die aus Front-MC Milli Dance und den Producern Dub Dylan und Doktor Damage bestehende Crew intensiv an der neuen Platte gearbeitet. Es ist das erste Release ohne Beteiligung des ehemals vierten Bandmitglieds Admiral Adonis und gleichzeitig das erste stichhaltige Lebenszeichen, seitdem Rap für zwei der drei übriggebliebenen offiziell zum Fulltime-Job geworden ist. Die Jungs erzählen, dass sie noch nie derart fokussiert und konzeptorientiert an einem gemeinschaftlichen Projekt gefeilt hätten, sind sich einig, dass die Platte auch dadurch einen wesentlich ernsthafteren Anstrich erhalten habe als all ihre Vorgänger.

»Das muss eine Demokratie aushalten können« ist Zeugnis eines jahrelangen gemeinsamen Reifeprozesses, der im Herbst 2012 an der Ostseeküste seinen Anfang nimmt. Erste, noch unsorgfältig abgemischte EPs im Reisegepäck, klappert die Band schon kurz nach ihrer Gründung Wochenende für Wochenende diverse in den autonomen Jugendzentren der Bundesrepublik beheimatete Soli-Festivals ab. Als 2014 ihr Debütalbum »Schlachtrufe« erscheint und Waving The Guns die ebenfalls aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Punkrockformation Feine Sahne Fischfilet auf deren Tour begleiten, professionalisieren sich die Strukturen: Das Folgeprojekt wird erstmals mit Unterstützung eines Labels in Umlauf gebracht und befördert die Combo aufgrund stetig steigender Nachfrage auf immer größere Bühnen.

Spätestens seitdem Milli Dance samt Entourage im Dezember 2017 das Astra Kulturhaus in Berlin-Friedrichshain restlos ausverkauft hat, ist kaum mehr zu ­leugnen, dass sich Waving The Guns über die vergangenen Jahre hinweg eine äußerst gewichtige Anhängerschaft an Land gezogen haben – und das, obwohl sie, wie sie selbst sagen, noch nie in den Genuss eines »richtigen Hypes« gekommen seien. Die Fanbase sei eben gesund gewachsen, fühle sich nicht allein durch einen musikalischen Bezug, sondern auch durch eine gewisse politische Grundhaltung mit der Band verbunden. Das klingt einleuchtend, lassen Waving The Guns doch keine Gelegenheit aus, offensiv für ihre Meinung einzustehen: Eine radikal-kritische Betrachtung des Zeitgeschehens bildet das Fundament ihres Schaffens.

Dabei sei es ihnen wichtig, niemals oberlehrerhaft zu wirken. Milli Dance betont, selbstverständlich nicht auf jede Frage eine Antwort zu haben, und dass er hohen Wert darauf lege, bei aller Aufrichtigkeit in den Texten nie den Humor zu verlieren. Seine Standpunkte verpackt er, und das ist bekanntermaßen untypisch für politisch motivierten Sprechgesang auf Deutsch, fast ausschließlich in bissigen Punchlines. Die sample-basierten Beats von Dub Dylan und Doktor Damage bieten durch ihre bestechende Melodiösität außerdem eine hervorragende Basis für die gefügigen Gesangseinlagen des Frontmanns. Nicht zuletzt dadurch weist die Musik der Marke Waving The Guns ein hohes Anknüpfungspotenzial auf – auch für eine nicht rap-affine Hörerschaft. Auch wenn sie es für übertrieben halten, sich als relevantes Korrektiv im Deutschrap-Zirkus zu überhöhen, ist ihre auf dem neuen Album formulierte Losung doch: »Ohne zu Dreck zu werden im Dreck zu schwimmen«.

Text: Alexander Barbian
Foto: David Henselder

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